· Fachbeitrag · Stiftung & Recht
Keine Beiladung eines Stiftungsorgans bei fehlender subjektiv-öffentlicher Rechtsposition
RAin/StBin Martina Weisheit, Frankfurt a.M.
| Ein Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 12.11.13, OVG 10 L 52/13, NVwZ-RR 03, 323, Abruf-Nr. 141302 ) zur Beiladung bei der Klage einer Stiftung gegen eine Maßnahme der Stiftungsaufsicht bietet Anlass, die Frage des Rechtsschutzes gegen solche Maßnahmen und die Beteiligtenfähigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Revue passieren zu lassen. |
1. Sachverhalt der Entscheidung
Die Klägerin, eine rechtsfähige Stiftung, wird nach § 8 Abs. 1 ihrer Satzung gerichtlich und außergerichtlich durch den Vorstand vertreten. Daneben sieht die Satzung einen Stiftungsrat als unabhängiges Kontrollorgan vor, der selbst zur Berufung seiner Mitglieder verpflichtet ist. Die Amtszeit der Stiftungsratsmitglieder lief ab, ohne dass sie einen wirksamen Beschluss über die Neuwahl getroffen haben. Daher bestellte die Stiftungsaufsicht durch Verfügung die bisherigen Mitglieder des Stiftungsrats zu Mitgliedern des Ersatzstiftungsrats mit dem Wirkungskreis der Bestellung der Mitglieder des Stiftungsrates für eine neue Amtszeit. Gegen diese Verfügung hat die Stiftung, vertreten durch ihren Vorstand, Klage erhoben, mit der sie die personelle Zusammensetzung des Ersatzstiftungsrats beanstandet und eine neue Entscheidung der Stiftungsaufsicht erreichen will. Der Antragsteller - ein Mitglied des Ersatzstiftungsrats g- möchte in dem Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit dieser Bestellung überprüft wird, beigeladen werden. Hilfsweise begehrt er die Beiladung der Stiftung, vertreten durch ihn selbst. Das VG hat in 1. Instanz den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers wurde vom OVG als unbegründet zurückgewiesen.
2. Maßnahmen der Stiftungsaufsicht und Rechtsschutz
Im Mittelpunkt der Entscheidung des OVG steht die Frage, wer eine mögliche Rechtsverletzung durch Maßnahmen der Stiftungsaufsicht geltend machen kann (Klagebefugnis) und insofern Verfahrensbeteiligter ist. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über die Maßnahmen der Aufsichtsbehörde und die Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben werden. Zu achten ist insbesondere darauf, ob der Verwaltungs- oder der Zivilrechtsweg eröffnet ist und ob im Verwaltungsverfahren eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO vorliegt.
2.1 Funktion der Stiftungsaufsicht
Eine selbstständige rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts bedarf zu ihrer Entstehung u.a. der Anerkennung durch die Stiftungsbehörde (§ 80 Abs. 1 BGB). Zudem unterliegt sie nach wirksamer Errichtung der laufenden Aufsicht durch die Behörde. Diese soll die Stiftung vor sich selbst und ihren Organen schützen (Muscheler, ZRP 00, 390; Staudinger/Rawert, Vorbem. §§ 80 ff. Rn. 61). Denn: Mit der Verselbstständigung des Stifterwillens verliert der Stifter den Einfluss auf die Stiftung. Damit fehlt ein Überwachungsorgan, das die Stiftungsverwaltung bezüglich ihrer Bindung an den Stiftungszweck und an sonstige Rechtsvorschriften kontrolliert (Muscheler, ZRP 00, 390).
Mit der Stiftungsaufsicht übernimmt der Staat damit die Mitverantwortung für die Durchsetzung des Stifterwillens. Die Stiftungsorgane sollen das Fehlen von Kontrollinstanzen nicht zu ihrem eigenen oder zum Vorteil Dritter ausnutzen können. Allerdings kann auch der Stifter freiwillige Überwachungsorgane durch entsprechende Ausgestaltung der Stiftungssatzung (etwa durch Einrichtung eines Stiftungsrats oder Kuratoriums) vorsehen. Die Zuständigkeit der Stiftungsaufsicht bestimmt sich nach Landesrecht. Dabei ist in den meisten Bundesländern die Stiftungsaufsicht, die für die Anerkennung der Stiftung zuständig ist auch die zuständige Aufsichtsbehörde.
2.2 Maßnahmen der Stiftungsaufsicht
Den Behörden der Stiftungsaufsicht stehen präventive und repressive Aufsichtsmittel zur Verfügung. Insbesondere die Überwachung, Beratung, Unterrichtung sowie Genehmigungsvorbehalte haben präventiven Charakter. Die Möglichkeit der Beanstandung, Aufhebung von Maßnahmen der Stiftungsorgane, Anordnung und Ersatzvornahme von Handlungen sowie die Abberufung und Neubestellung von Organmitgliedern sind repressiver Natur (Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 10).
2.3 Rechtsschutz gegen Aufsichtsmaßnahmen
Gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde ist die Stiftung nicht rechtsschutzlos gestellt. Es gelten die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts. Stellt eine aufsichtsbehördliche Verfügung einen belastenden Verwaltungsakt dar, kann derjenige, der dadurch in eigenen Rechten betroffen ist (§ 42 Abs. 2 VwGO) dagegen Widerspruch (§ 68 VwGO) einlegen. Regelmäßig ist dies die Stiftung selbst. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, ist Anfechtungsklage vor dem VG zulässig (§ 40 Abs. 1 S. 1, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO).
Bei Rechtsbehelfen gegen die Abberufung von Organmitgliedern besteht die Besonderheit, dass der Verwaltungsrechtsweg nur für Rechtsbehelfe eröffnet ist, mit denen die durch die Stiftungsaufsichtsbehörde vorgenommene Abberufung angefochten wird. Hat dagegen die Stiftung selbst auf Anordnung der Stiftungsaufsichtsbehörde das Organmitglied abberufen, ist die Klage gegen die Stiftung auf dem Zivilrechtsweg zu erheben (Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, § 9 Rn. 6). Kompetenzstreitigkeiten zwischen Stiftungsorganen sind ebenfalls grundsätzlich bürgerlichrechtliche Angelegenheiten und werden damit vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgetragen (§ 13 GVG; Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, Vorbem. §§ 80 bis 88, Rn. 100).
2.4 Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)
Die Anfechtungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt, seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein (Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO). Eine Frage der Begründetheit der Klage ist, ob die behauptete Verletzung eigener Rechte tatsächlich vorliegt (BVerwGE 68, 241 (243). Klagebefugt i.S. des § 42 Abs. 2 VwGO ist grundsätzlich die von der Maßnahme betroffene Stiftung. Eine mögliche Rechtsverletzung ist anzunehmen, wenn Aufsichtsmaßnahmen gegen die Stiftung ergehen oder sich gegen ihre Organe oder Organmitglieder richten. Die Abberufung oder Suspendierung eines Organmitglieds durch die Stiftungsaufsicht entfaltet insofern Rechtswirkungen gegenüber der Stiftung, als sie in ihrer Organisationsautonomie betroffen ist (Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, § 9, Rn. 51).
Klagebefugt sind auch Mitglieder der Stiftungsorgane, soweit sie durch aufsichtsbehördliches Handeln in eigenen Rechten betroffen sind (z.B. Abberufung oder Suspendierung). Bei der Frage der Rechtsverletzung muss jedoch die besondere Funktion der stiftungsaufsichtlichen Maßnahme berücksichtigt werden. Die Stiftungsaufsicht handelt sowohl im Interesse der Stiftung als auch im öffentlichen Interesse. Grundsätzlich werden keine Individualinteressen erfasst. Deshalb muss bei Aufsichtsmaßnahmen, die Mitglieder von Stiftungsorganen betreffen, darauf abgestellt werden, ob die Maßnahme die Stiftung selbst betrifft (z.B. Aufhebung der Stiftung). In diesem Fall ist es Aufgabe der Stiftung, den nach Auffassung des Organmitglieds rechtswidrigen Eingriff des Staates in ihre Organisationsautonomie abzuwehren. Das Organmitglied ist dann nicht unmittelbar in seiner Organstellung betroffen, sondern nur mittelbar durch einen bloßen Rechtsreflex. Diese mittelbare Wirkung kann die Klagebefugnis jedoch nicht begründen (Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, § 9, 54; BayVerwG, BayVBl. 90, 728).
2.5 Möglichkeit der Beiladung
Grundsätzlich sind die durch eine aufsichtsbehördliche Maßnahme gegen die Stiftung betroffenen Dritten notwendig beizuladen (BayVGH DÖV 54, 667; Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 10).
3. Entscheidung der Vorinstanz
Bereits die Vorinstanz hatte den Antrag des Mitglieds des Ersatzstiftungsrats als unbegründet zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts schied eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO aus, da der Ersatzstiftungsrat nicht derart am Verfahren beteiligt ist, dass eine Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könnte. Auch eine einfache Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) scheide aus, da die Rechte des Antragstellers nicht berührt sind.
Als Organ der Stiftung fehlt dem Ersatzstiftungsrat nach Ansicht des VG die erforderliche Klage- und Antragsbefugnis i.S. von § 42 Abs. 2 VwGO und insoweit die Beteiligungsfähigkeit i.S. von § 61 Nr. 2 VwGO. Aufgrund der Funktion der Stiftungsaufsicht, das öffentliche Interesse daran wahrzunehmen, dass die Stiftungsorgane ihre Handlungsfreiheit nicht entgegen den im Stiftungsgeschäft oder in der Stiftungssatzung niedergelegten Willen des Stifters ausüben, ist der Antragsteller nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Insoweit geht es nicht darum, den Status des Ersatzstiftungsrats zu verteidigen, sondern um die Feststellung, ob diese Maßnahme zur Wahrung des Stifterwillens geeignet ist. Der (Ersatz-)Stiftungsrat ist nicht zur Vertretung der Stiftung berechtigt. Eine Befugnis des Stiftungsrats, die Stiftung im Anfechtungsprozess gegen Maßnahmen der Stiftungsaufsicht zu vertreten, kann nur angenommen werden, wenn eine rechtliche Kontrolle nicht anders zu erreichen ist („Notprozessführungsbefugnis“). Aufgrund der bereits durch den Vorstand der Stiftung erhobenen Anfechtungsklage ist dies gerade nicht der Fall. Mangels subjektiver Betroffenheit ist der Stiftungsrat daher nicht beizuladen.
4. Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg
Das OVG bestätigt im Ergebnis den Beschluss der Vorinstanz. Aufgrund der Klageerhebung durch den Vorstand ist die Stiftung bereits Verfahrensbeteiligte. Eine weitere Beteiligung derselben juristischen Person als Beigeladene komme nicht in Betracht, da nur Dritte und nicht bereits am Verfahren Beteiligte beigeladen werden können. Streitgegenständlich ist keine Organstreitigkeit, sondern eine Maßnahme der Stiftungsaufsicht, die das Verhältnis zwischen ihr und der Stiftung betrifft. Durch den Streitgegenstand ist der Antragsteller nur mittelbar und reflexhaft betroffen. Die einzelnen Stiftungsorgane können daher gegenüber der Stiftungsaufsicht keine subjektiv-öffentlichen Rechtspositionen geltend machen. Sie müssen gegen eine mögliche Verletzung ihrer organschaftlichen Mitwirkungsrechte zivilrechtlich vorgehen.
5. Fazit
Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg führt plastisch vor Augen, dass Mitglieder von Stiftungsorganen durch aufsichtsbehördliches Handeln nicht automatisch in eigenen Rechten betroffen sind. Die Abberufung oder Suspendierung eines Organmitglieds betrifft insofern die Organisationsautonomie der Stiftung. Dies dürfte auch für die bloße personelle Zusammensetzung des Stiftungsorgans gelten. Ist das Stiftungsorganmitglied jedoch nur mittelbar in Form eines Rechtsreflexes betroffen, scheidet eine Klagebefugnis des Organmitglieds und eine Beiladung desselben aus.
Die Entscheidung des OVG macht zugleich deutlich, dass die versagte Beiladung nicht immer Konsequenzen für das Mitglied des Stiftungsorgans hat. Vorliegend würde die Beiladung nicht zu einer Einwirkungsmöglichkeit des Beigeladenen auf den Prozessverlauf führen. Befürchtet somit das Organmitglied, die Stiftungsaufsichtsbehörde könnte im Laufe des Verfahrens dem Klageantrag stattgeben und die Bestellung des Ersatzstiftungsrates aufheben, würde die beantragte Beiladung hieran nichts ändern, da die Stiftungsaufsicht als Beklagte weiterhin alleiniger Herr ihrer Maßnahmen bleibt. Sie wäre daher auch im Fall einer Beiladung nicht daran gehindert, ihre Entscheidung aufzuheben und das Klageverfahren einer unstreitigen Erledigung zuzuführen. Einer Zustimmung des Beigeladenen bedarf es hierfür nicht.
Zudem ist eine Beiladung zur Rechtskrafterstreckung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vorliegend nicht erforderlich. Da am Verfahren die Stiftung als solche beteiligt ist, entfaltet das Urteil im Falle seiner Rechtskraft gegenüber der Stiftung als juristische Person und zugleich gegenüber allen ihren Organen Bindungswirkung. Dies schließt auch den Antragsteller mit ein.
Wegen organschaftlichen Streitigkeiten zwischen Vorstand und Stiftungsrat muss der Antragsteller den zivilrechtlichen Rechtsweg beschreiten.