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  • · Fachbeitrag · Stiftung & Steuern


    Aktuelles zur Umsatzbesteuerung von Zytostatika


    von RAin Gabriele Ritter, FAin für Steuer- und Sozialrecht, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Köln


    | Im Rahmen eines durch den BFH an den EuGH gerichteten Vorabent-scheidungsersuchens steht die Auslegung der Befreiungsvorschriften für Leistungen der Krankenhäuser auf dem Prüfstand. Konkret geht es um die Auslegung des sogenannten „eng verbundenen Umsatzes“. Aufhänger ist die Belieferung von Zytostatika durch ein Krankenhaus an eigene Patienten bzw. an Patienten ihrer ermächtigten Ärzte. |

    1. Wo liegt das umsatzsteuerliche Problem?


    Das klagende Krankenhaus stellte in seiner Krankenhausapotheke individuell verordnete Zytostatika her und lieferte diese an die betroffenen Patienten. Bei den Patienten handelte es sich um gesetzlich Versicherte, die ambulant entweder durch das Krankenhaus selbst oder durch die bei ihm angestellten Ärzte versorgt bzw. behandelt wurden. Soweit das Krankenhaus selbst ärztlich tätig wurde, handelte es im Rahmen einer ihm erteilten Institutsermächtigung nach § 116a SGB V. Die Krankenhausärzte wurden auf Basis einer persönlichen Ermächtigung nach § 116 SGB V tätig. Dazu folgender Hintergrund:


    • Funktion und Herstellung von Zytostatika

    Zytostatika werden im Rahmen der Krebsbehandlung (Chemotherapie) eingesetzt. Der Patient erhält mit der Chemotherapie eine Behandlung, die hauptsächlich in der Verabreichung der Zytostatika unter ärztlicher Aufsicht besteht. 


    • Die Abgabe der Zytostatika ist somit für die Durchführung der Chemotherapie, d.h. der ärztlichen Heilbehandlung unentbehrlich. Sie ist das Mittel, um unter den bestmöglichen Bedingungen in den Genuss der als Hauptleistung angesehenen Heilbehandlung zu kommen. 

    • In der Krankenhausapotheke werden die Zytostatika individuell und kurzfristig hergestellt. Ohne die Lieferung der Zytostatika ist eine Chemotherapie als steuerbefreite Heilbehandlungsleistung nicht möglich.

    Sowohl das erstinstanzlich befasste FG Münster als auch der BFH sind der Auffassung, dass beide Sachverhalte nicht der Umsatzbesteuerung unterliegen, sondern als eng verbundene Krankenhausumsätze umsatzsteuerfrei sind. Ob die Auffassung des BFH europarechtskonform ist, soll jetzt in dem Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH überprüft werden. Maßgeblich ist die Rechtslage der Jahre 2005 und 2006. Die Schwierigkeit der umsatzsteuerlichen Beurteilung liegt darin, dass es sich bei der ärztlichen Leistung um eine Dienstleistung handelt, während die Zytostatikalieferung - als eng verbundener Umsatz - eine Lieferung ist. Desweiteren ist für die Lieferungen an Patienten der ermächtigten Ärzte problematisch, dass der Tatbestand „ärztliche Heilbehandlung und ein damit eng verbundener Umsatz“ durch zwei unterschiedliche Leistungserbringer erbracht wird.


    2. Die Fragen an den EuGH


    Der BFH hat an den EuGH drei Fragen gerichtet:


    • 1.Muss es sich bei den in Art. 13 Teil A Abs. 1b der 6. EG-Richtlinie bestimmten eng verbundenen Umsätzen um eine Dienstleistung handeln oder erfasst der Begriff des eng verbundenen Umsatzes auch Lieferungen?


    • 2.Liegt ein eng mit der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz nur vor, wenn dieser Umsatz durch den selben Steuerpflichtigen erbracht wird, der auch die Krankenhausbehandlung oder ärztliche Heilbehandlung erbringt? 


    • 3.Kann bei Verneinung der Frage 2 ein eng verbundener Umsatz vorliegen, wenn die Heilbehandlung nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1b der 6. EG-Richtlinie, sondern nach 1c dieser Bestimmung steuerfrei ist? 


    Die Frage 1 ist für alle Lieferungen relevant. Die Fragen 2 und 3 betreffen die Belieferung der ambulanten Patienten der ermächtigten Krankenhausärzte.


    3. Argumente „Für und Wider“


    Art. 13 Teil A Abs. 1b der 6. EG-Richtlinie bestimmt, dass die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze von der Umsatzsteuer befreit sind. Diese müssen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden. Hierzu zählen Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art.


    • Bei Frage 1 dürfte bereits der Wortlaut der Vorschrift dafür sprechen, dass der eng verbundene Umsatz auch eine Lieferung sein kann. Für den verwendeten Begriff „Umsätze“ kann Rückgriff auf den „allgemeinen“ Art. 2 der 6. EG-Richtlinie genommen werden, der sowohl Lieferungen als auch Dienstleistungen umfasst. 


    • Bei der Frage 2 könnte die Auffassung vertreten werden, dass sich entsprechend des Wortlauts des Art. 13 Teil A Abs. 1b der 6. EG-Richtlinie der Relativsatz „die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden“ sowohl auf die Hauptleistung als auch auf den eng verbundenen Umsatz bezieht. Hierbei wird allerdings verkannt, dass der EuGH z.B. in seinen Urteilen Horizon College (14.6.07, C-434/05, Sl. 07, I-4793) zu Art. 13 Teil A Abs. 1i der 6. EG-Richtlinie und Kinderopvang Enschede (9.2.06, C-415/04, Sig 06, 1385) zum Befreiungstatbestand des Art. 13 Teil A Abs. 1g und h der 6. EG-Richtlinie - die in ihrem grammatikalischen Wortlaut gleich aufgebaut sind - bereits anders entschieden hat. Danach können Hauptleistung und eng verbundener Umsatz auch durch unterschiedliche Steuerpflichtige erbracht werden. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, weshalb für die anstehende Entscheidung von diesen Feststellungen abgerückt werden sollte. 


    • Die 3. Frage enthält die Schwierigkeit, dass der ermächtigte Arzt keine „Institution“ i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1b der 6. EG-Richtlinie ist. Seine ärztlichen Leistungen werden nach Art. 13 Teil A Abs. 1c der 6. EG-Richtlinie befreit. Hauptleistung und eng verbundener Umsatz werden also über zwei unterschiedliche Befreiungsnormen abgedeckt. Den jeweiligen Leistungserbringern könnten unterschiedliche Eigenschaften zugesprochen werden. Im Fall des Abs. 1b wird insofern die soziale Zweckbestimmung des Leistungserbringers hervorgehoben. Hieraus könnte sich ergeben, dass die Befreiung der „eng verbundenen Umsätze“ nur den in Abs. 1b, nicht aber den in Abs. 1c genannten Heilbehandlungsleistungen zugute kommen soll.


    • Bei dieser Auslegung muss aber berücksichtigt werden, dass der soziale Zweck, der die Befreiung der Umsätze sowohl nach Art. 13 Teil A Abs. 1b als auch c der 6. EG-Richtlinie rechtfertigt, darin besteht, den Zugang zu den Heilbehandlungsleistungen nicht durch höhere Kosten zu versperren, die dadurch entstehen, dass die Umsätze der Mehrwertsteuer unterliegen. Der soziale Charakter des Leistungserbringers lässt sich für beide Befreiungstatbestände daher auch daraus ableiten, dass die Kosten für die von ihm erbrachten Umsätze durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden. Dies ist in dem hier vorliegenden Fall für beide Alternativen (Erbringung der Leistung durch die Klägerin im Rahmen der Institutsambulanzen bzw. durch die selbstständigen Ärzte) gegeben. 


    4. Wettbewerbsgesichtspunkte


    Obgleich nicht konkret Gegenstand des Vorlageersuchens, wird auch die Wettbewerbssituation zu den öffentlichen Apotheken angesprochen. Hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Leistung des Krankenhauses nicht im Wesentlichen dazu bestimmt ist, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmern stehen. Die Abgabe der Zytostatika dient vorrangig dazu, die ambulante Heilbehandlung zu ermöglichen. Anders wäre dies im Fall der Belieferung anderer Krankenhäuser zu beurteilen, da es dann an einem Bezug zu einer in den Räumlichkeiten des eigenen Krankenhauses ausgeübten Heilbehandlungstätigkeit fehlen würde; diesen Fall hatte der BFH bereits abschlägig entschieden (18.10.90, V R 76,89, BStBl II 91, 269).


    5. Ausblick


    Der Umfang der Umsatzsteuerbefreiung für Krankenhausbehandlungen und für damit eng verbundene Umsätze nach nationalem bzw. nach EU-Recht beschäftigt die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung unverändert. Die anstehende Entscheidung des EuGH dürfte folglich über diesen Sachverhalt hinaus von großer Bedeutung für Krankenhäuser und andere Erbringer von Gesundheits(dienst)leistungen sein. Wie der EuGH die Fragen entscheidet, wird daher mit Spannung erwartet. 


    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 70 | ID 38796600