· Fachbeitrag · Stiftung & Steuern
Neues zur Speisenversorgung: Klarheit über die Anwendung des Steuersatzes
von RAin Gabriele Ritter, FAin für Steuer- und Sozialrecht, BDO AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Köln
| Mit dem lang erwarteten Schreiben des BMF vom 20.3 13 soll nun Klarheit darüber gebracht werden, in welchen Fällen 7 oder 19 % Mehrwertsteuer bei der Abgabe von Speisen und Getränken erhoben werden. Auslöser dieses neuen Schreibens war eine Serie höchstrichterlicher Entscheidungen, beginnend mit der Entscheidung des EuGH vom 13.3.11. Der folgende Beitrag zeigt, was sich geändert hat und worauf Stiftungen beim Catering zukünftig achten müssen. |
1. Rechtliche Rahmenbedingungen
Mit dem BMF-Schreiben (IV D 2 - S 7100/07/10050-06, Abruf-Nr. 131063) soll die Rechtsprechung des EuGH und des BFH auch für die Finanzverwaltung verbindlich festgeschrieben werden. Die gerichtlichen Entscheidungen werden zeitgleich mit dem Schreiben im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Durch das neue BMF-Schreiben wird Abschnitt 3.6 des UStAE neu gefasst. Für die Prüfung des anwendbaren Steuersatzes gilt nun folgendes:
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Verzehrfertige zubereitete Speisen können entweder im Rahmen einer gegebenenfalls ermäßigt besteuerten Lieferung (mit einem Steuersatz von derzeit 7 %) als auch im Rahmen einer nicht ermäßigt besteuerten sonstigen Leistung (mit einem Steuersatz von derzeit 19 %) abgegeben werden. Die Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen richtet sich dabei nach den allgemeinen Grundsätzen des Abschnitts 3.5 UStAE.
Nach Artikel 6 Abs. 1 der Mehrwertsteuer-Verordnung (MwStVO) gilt die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder von Getränken zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen, als sonstige Leistung. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil qualitativ überwiegt. Ob der Dienstleistungsanteil qualitativ überwiegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Umsatzes zu beurteilen. Bei dieser wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Dienstleistungselemente, die notwendig mit der Vermarktung von Lebensmitteln verbunden sind, bleiben bei der vorzunehmenden Prüfung unberücksichtigt. Sie gefährdet also die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht. Ebenso sind Dienstleistungen des speiseabgebenden Unternehmers oder Dritter, die in keinem Zusammenhang mit der Abgabe von Speisen stehen (z.B. Vergnügungsangebote in Freizeitparks oder Leistungen eines Pflegedienstes oder Gebäudereinigungsleistungen außerhalb eigenständiger Cateringverträge), nicht in die Prüfung einzubeziehen. |
2. Für den ermäßigten Steuersatz unschädliche Handlungen
Nach dem BMF-Schreiben sind insbesondere folgende Elemente notwendig mit der Vermarktung verzehrfertiger Speisen verbunden und (somit) im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen:
- Darbietung von Waren in Regalen;
- Zubereitung der Speisen;
- Übliche Nebenleistungen (z.B. Verpacken, Beigabe von Einweggeschirr oder -besteck);
- Bereitstellung von Papierservietten;
- Abgabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise, Apfelmus oder ähnliche Beigaben;
- Bereitstellung von Abfalleimern an Kiosken, Verkaufsständen, Würstchenbuden, usw.;
- Bereitstellung von Einrichtungen und Vorrichtungen, die in erster Linie dem Verkauf von Waren dienen (z.B. Verkaufstheken und -tresen sowie Ablagebretter an Kiosken, Verkaufsständen, Würstchenbuden, usw.);
- bloße Erstellung von Leistungsbeschreibungen (z.B. Speisekarten oder -pläne);
- allgemeine Erläuterung des Leistungsangebots;
- Einzug des Entgelts für Schulverpflegung von den Konten der Erziehungsberechtigten.
Als weiteres Element, das notwendig mit der Vermarktung verzehrfertiger Speisen verbunden ist, nennt das BMF nun zusätzlich auch den
- Transport der Speisen und Getränke zum Ort des Verzehrs einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Leistungen wie Kühlen oder Wärmen, der hierfür erforderlichen Nutzung von besonderen Behältnissen und Geräten sowie der Vereinbarung eines festen Lieferzeitpunkts (hierzu auch Ritter, SB 11, 106).
Ergänzend weist das BMF darauf hin, dass die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen, stets eine Lieferung darstellt (Art. 6 Abs. 2 MwStVO). Die Sicherstellung der Verzehrfertigkeit während des Transports (z.B. Warmhalten in besonderen Behältnissen) sowie die Vereinbarung eines festen Zeitpunkts für die Übergabe der Speisen an den Kunden sind unselbstständiger Teil der Beförderung und daher nicht gesondert zu berücksichtigen. Die Abgabe von Waren aus Verkaufsautomaten ist stets eine Lieferung.
3. Für den ermäßigten Steuersatz schädliche Handlungen
Nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbundene und damit für die Annahme einer Lieferung schädliche Dienstleistungselemente liegen vor, soweit sich der leistende Unternehmer nicht auf die Ausübung der Handels- und Verteilerfunktion des Lebensmitteleinzelhandels und des Lebensmittelhandwerks beschränkt. Insbesondere die folgenden Elemente sind nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden und daher im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen:
- Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur;
- Servieren der Speisen und Getränke;
- Gestellung von Bedienungs-, Koch- oder Reinigungspersonal;
- Nutzungsüberlassung von Geschirr oder Besteck;
- Überlassung von Mobiliar (z.B. Tischen und Stühlen) zur Nutzung außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers;
- Reinigung bzw. Entsorgung von Gegenständen, wenn die Überlassung dieser Gegenstände ein berücksichtigungsfähiges Dienstleistungselement darstellt (BFH 10.8.06, V R 55/04, BStBl 07 II 480);
- Individuelle Beratung bei der Auswahl der Speisen und Getränke;
- Beratung der Kunden hinsichtlich der Zusammenstellung und Menge von Mahlzeiten für einen bestimmten Anlass.
Ferner ist entsprechend des BMF-Schreibens schädlich für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes die
- Durchführung von Service-, Bedien- oder Spülleistungen im Rahmen einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur oder in den Räumlichkeiten des Kunden.
Erfüllen jedoch - so das BMF weiter - die überlassenen Gegenstände (Geschirr, Platten, etc.) vornehmlich eine Verpackungsfunktion, deren Überlassung kein berücksichtigungsfähiges Dienstleistungselement ist, ist auch die anschließende Reinigung bzw. Entsorgung der überlassenen Gegenstände bei der Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen.
Beachten Sie | Vorstehende Elemente sind ferner nur zu berücksichtigen, wenn sie von dem speiseabgebenden Unternehmen als einheitliche Leistung erbracht werden. Von Dritten erbrachte Dienstleistungselemente sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Maßgebend ist dabei, dass der Dritte unmittelbar gegenüber dem verzehrenden Kunden tätig wird und nicht gegenüber dem speiseabgebenden Unternehmen.
4. Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur
Die Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur ist ein im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigendes Dienstleistungselement. Gemeint sind damit Vorrichtungen, die den bestimmungsgemäßen Verzehr der Speisen und Getränke an Ort und Stelle fördern sollen, z.B.
- Räumlichkeiten,
- Tische, Stühle, Bänke und
- Bierzeltgarnituren.
Auf die Qualität der zur Verfügung gestellten Gegenstände kommt es nicht an. Daneben ist auch z.B. die Bereitstellung von Garderoben und Toiletten in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Die Duldung der Nutzung der Infrastruktur durch andere Personen steht einer Berücksichtigung nicht entgegen.
Nicht in der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sind hingegen Vorrichtungen, die nicht in erster Linie dazu dienen, den Verzehr zu erleichtern (z.B. Sitz- und Stehgelegenheiten in Wartebereichen von Kinos, Theatern, Stadien sowie Parkbänke im öffentlichen Raum. Nicht zu berücksichtigen sind außerdem behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen, wie z.B. Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit oder Stehtische. Unerheblich für die Betrachtung ist, ob sämtliche bereitgestellten Einrichtungen tatsächlich genutzt werden.
5. Geltungsbereich und Praxisbeispiele
Das BMF weist ausdrücklich darauf hin, dass die Grundsätze gleichermaßen gelten für Imbissstände wie auch für Verpflegungsleistungen in Kindertagesstätten, Schulen und Kantinen, Krankenhäusern, Pflegeheimen oder ähnlichen Einrichtungen, bei Leistungen von Catering-Unternehmen (Partyservice) und Mahlzeitendiensten („Essen auf Rädern“).
Im BMF-Schreiben werden 16 praxisrelevante Beispiele erörtert. Dabei ergeben sich durchaus (günstigere) Änderungen im Detail. Das BMF hatte bereits am 6.8.2012 in einem „offiziellen“ Entwurf die Auffassung der Finanzverwaltung zusammengefasst, teilweise aber eine restriktivere Rechtsauffassung vertreten. Nun ist z.B. klargestellt, dass der ermäßigte Steuersatz auch anzuwenden ist, wenn ein Unternehmer mit eigenem Personal die Mahlzeiten zubereitet. Die Entwurfsfassung wollte diesen überaus praxisrelevanten Sachverhalt noch mit dem Regelsteuersatz belegen.
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Ein Unternehmen bereitet mit eigenem Personal für die Patienten in der angemieteten Küche des Krankenhauses Mahlzeiten zu, transportiert die portionierten Speisen auf die Stationen und reinigt das Geschirr und den Küchenbereich. |
Das BMF-Schreiben vom 20.3.13 tritt mit Wirkung vom 1.7.11 an die Stelle der Schreiben vom 16.10.08 und 29.3.10. Beruft sich der Unternehmer für vor dem 1.10.13 ausgeführte Umsätze auf eine nach diesen BMF-Schreiben günstigere Besteuerung, so wird dies nicht beanstandet.
6. Fazit
Das BMF-Schreiben zeigt deutlich, dass die Finanzverwaltung sich derzeit intensiv mit der Thematik „Sozialcatering“ beschäftigt. Ob es die Interessen bestimmter Betroffener (Dienstleister wie Empfänger) angemessen berücksichtigt, kann selbstverständlich hinterfragt werden. Jedenfalls aber hat das BMF versucht, die vielfältige Rechtsprechung von EuGH und BFH aus den letzten Jahren in einer möglichst praxisnahen Art zusammenzufassen und an Stellen, an denen die (nationale) Rechtsprechung unter Anlegung eines strengen Maßstabes häufig zur Anwendung des vollen Mehrwertsteuersatzes gelangte, „sozialverträglich“ einzufangen. Es hätte folglich „schlimmer kommen könnenz“ (so Rondorf, NWB Neue Wirtschaftsbriefe, Heft 15/2013, S. 1076).
Weiterführender Hinweis
- Zum EuGH-Urteil vom 10.3.11, Ritter, Speisenversorgung und Umsatzsteuer, SB 11, 64