· Fachbeitrag · Stiftungsvermögen
Bank haftet für stiftungsinadäquate Beratung
von RA/FAStR/FAHGR Berthold Theuffel-Werhahn, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PwC AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Kassel
| Ein neues Urteil stärkt die Position von Stiftungen gegenüber Banken, die sie bei der Anlage des Stiftungsvermögens fehlerhaft beraten haben. Wegen einer sehr uneinheitlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte profitieren leider nicht alle Stiftungen hiervon. |
1. Sachverhalt
Die steuerbegünstigte Hildegard Bredemann-Busch-du Fallois Stiftung beteiligte sich 2001 nach einem geschäftlichen Kontakt zur Commerzbank über einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater als Vorstand mit 280.000 EUR an einem geschlossenen Immobilienfonds. Dieser plante, ein in der Entscheidung nicht näher beschriebenes Objekt zu errichten. Die Finanzierung sollte durch ein Darlehen in Schweizer Franken erfolgen.
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So wird regelmäßig verfahren, zum einen, weil das Darlehen nicht ohne Eigenkapital (häufig in Form der Übernahme von Kommanditeinlagen durch die Anleger) zur Verfügung gestellt würde. Die Anleger ihrerseits profitieren zusätzlich von der Differenz zwischen der Rendite aus den Mieterträgen der Immobilie und dem Darlehenszins. Vorausgesetzt wird bei dieser Strategie, dass die Objektrendite den Darlehenszins übersteigt. Ist dies jedoch nicht der Fall, z.B. weil sich das Objekt nicht unter den vorgestellten Mieten platzieren lässt, führt diese sogenannte „Hebelwirkung“ zu überproportional hohen Verlusten. |
Genau dieser Fall trat offensichtlich ein, denn es kam zu erheblichen Verlusten. Außerdem hatte die Bank der Stiftung verschwiegen, dass eine zum Konzern der Bank gehörende weitere Gesellschaft eine Rückvergütung von mindestens fünf Prozent auf das gezeichnete Kapital für das Zustandekommen der Beteiligung erhielt. Daraufhin nahm die Stiftung die Bank wegen Falschberatung auf Schadenersatz in Anspruch. In der ersten Instanz wies das LG die Klage ab. Das OLG Frankfurt gab der Stiftung Recht und verurteilte die Bank zum Schadenersatz (28.1.15, 1 U 32/13, Abruf-Nr. 144363). Die Revision ließ das Gericht nicht zu. In der zweiten Instanz war der Stiftungsvorstand übrigens infolge einer mittelschweren Demenz nicht mehr zeugnisfähig.
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2. Zu den Entscheidungsgründen im Einzelnen
Das OLG entschied, dass die Bank gegenüber der Stiftung zum Schadenersatz verpflichtet ist, weil sie ihre Pflichten aus dem konkludent geschlossenen Anlageberatungsvertrag in zweifacher Hinsicht schuldhaft verletzt hat:
- Erstens ist die Empfehlung einer Beteiligung an speziell diesem geschlossenen Immobilienfonds nicht anlegergerecht gewesen.
- Zweitens hat die Bank die Stiftung über ihre aus der Empfehlung generierte Rückvergütung aufklären müssen.
2.1 Falschberatung wegen des Vermögenserhaltungsgebots
Die erste Pflichtverletzung begründet das OLG damit, dass die Empfehlung zur Anlage in diesen Immobilienfonds durch die Beraterin der Bank nicht anlegergerecht, weil mit der rechtlichen Verpflichtung der Stiftung zur Erhaltung ihres Stiftungskapitals, unvereinbar gewesen ist. Die Stiftung hätte schon aus stiftungsrechtlichen Gründen nicht das Risiko eingehen dürfen, das Stiftungskapital durch riskante Anlagegeschäfte zu mindern. Die Bankberaterin hat in ihrer Zeugenvernehmung insoweit selbst bekundet, dass sie um die Wichtigkeit des Kapitalerhalts gewusst hat. Die Investition in den Fonds beschwor indessen unstreitig gewisse Verlustrisiken herauf, die sich aus der Finanzierung in einer Fremdwährung und der Unsicherheit der Entwicklung von erzielbaren Mieten und aufzubringenden Darlehenszinsen ergaben.
Beachten Sie | Während die erste Instanz die wirtschaftlichen Kenntnisse des damals für die Stiftung zeichnenden Vorstands und dessen Verantwortung für die Anlageentscheidung in den Mittelpunkt rückte und die Klage deshalb für unbegründet hielt, beurteilt die zweite Instanz dies völlig anders:
- Zum einen können dem Stiftungsvorstand überdurchschnittliche Kenntnisse in Bezug auf geschlossene Immobilienfonds nicht ohne Weiteres unterstellt werden.
- Zum anderen spielten Fachkenntnisse des Anlegers in Bezug auf die Anlegergerechtigkeit der Beratung keine Rolle, weil sie keinen Schluss auf seine Risikobereitschaft zulassen. Auch ein besonders kompetenter Kunde sei auf seine Anlageziele zu befragen und ihm ein dafür geeignetes Produkt zu empfehlen.
Daraus, dass der Stiftungsvorstand vor diesem Immobilienengagement das Stiftungsvermögen in einer Anleihe bei einer anderen Bank angelegt hatte, schloss die erste Instanz, dass er damals sehr wohl bereit gewesen sei, für die Stiftung gewisse Verlustrisiken einzugehen. Das trug die zweite Instanz nicht mit. Denn eine festverzinsliche Anleihe bei einer deutschen Bank sei grundsätzlich als sichere, den Kapitalerhalt gewährleistende Anlage anzusehen. Zwar könne sich die anlageberatende Bank gegen den Vorwurf einer nicht anlegergerechten Beratung mit dem Einwand verteidigen, der Anleger sei nach einer objektgerechten Beratung ausnahmsweise dazu bereit gewesen, von seiner grundsätzlichen Anlagestrategie abzuweichen. Für diesen Einwand gegen den an sich feststehenden Haftungsgrund der nicht anlegergerechten Beratung trägt sie aber die Darlegungs- und Beweislast. Diesen Beweis konnte die Bank nicht führen. Denn die als Zeugin vernommene Bankberaterin hat bekundet, dass sie sich weder an eine mündliche Beratung des Stiftungsvorstands noch an die Übergabe oder Versendung eines Prospekts zu diesem Fonds erinnern kann.
2.2 Problembereich „anlegergerechte“ Anlageberatung
Zu der Frage, wann eine Anlageberatung „anlegergerecht“ ist, hatte der BGH 2011 geurteilt, dass es gerade die Aufgabe des Anlageberaters ist, ausschließlich Produkte zu empfehlen, die mit den Anlagezielen des Kunden: Anlagezweck und Risikobereitschaft, tatsächlich übereinstimmen. Erkundigt sich der Bankberater nicht bereits vor seiner Anlageempfehlung nach der Risikobereitschaft des Kunden, kann er seiner Pflicht zu einer anlegergerechten Empfehlung nur dadurch entsprechen, dass er sich noch vor der Anlageentscheidung seines Kunden die Gewissheit verschafft, dass dieser die von ihm geschilderten Risiken des Finanzprodukts in jeder Hinsicht verstanden hat. Andernfalls kann er nicht davon ausgehen, dass seine Empfehlung der Risikobereitschaft des Kunden entspricht (BGH 22.3.11, XI ZR 33/10, WM 11, 682).
In dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt ging es um einen „CMS Spread Ladder Swap-Vertrag“. Dabei handelt es sich um ein risikoreiches Geschäft, eine „Art spekulative Wette“. Deshalb meinte der BGH, hätte die Bank in dem Fall sicherstellen müssen, dass sich der Anleger bewusst ist, dass sein Verlustrisiko - anders als das Verlustrisiko der Bank - der Höhe nach nicht begrenzt ist und nicht nur theoretisch besteht. Auch entschied der BGH (und das ist für das Verständnis der Entscheidung des OLG wichtig), dass die berufliche Qualifikation des Anlegers allein nicht ausreicht, um Kenntnisse und Erfahrungen im Zusammenhang mit Finanztermingeschäften zu unterstellen, solange keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, dass er diese im Zusammenhang mit der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit tatsächlich erworben hat. Aus den Fachkenntnissen des Anlegers könne nicht auf dessen Risikobereitschaft geschlossen werden. Entsprechende Vorkenntnisse lassen die vom Berater übernommene Pflicht, die Anlageziele des Kunden zu ermitteln und ein dafür geeignetes Produkt zu empfehlen, unberührt.
2.3 Die Besonderheit des Vermögenserhaltungsgebots
Das OLG Dresden (10. 2.04, 8 U 2225/03) hat in einem etwas anders gelagerten Sachverhalt gegen eine Stiftung entschieden. Diese hatte rund drei Viertel ihres Stiftungsvermögens durch eine völlig unverhältnismäßige Anlagepolitik ihres Stiftungsvorstands verloren und deswegen ihre Bank dafür in Regress nehmen wollen. Ihrem Argument, die Bank hätte sich auch mit den stiftungs- und steuerrechtlichen Besonderheiten aufgrund des Vermögenserhaltungsgrundsatzes befassen müssen, erteilte das OLG Dresden eine klare Absage.
Der Vermögenserhaltungsgrundsatz sei eine Verpflichtung, die sich ausschließlich an die steuerbegünstigte Stiftung selbst richte. Dritten, die mit einer Stiftung in Geschäftskontakt treten, obliege die Wahrung dieser stiftungsrechtlichen Bestimmungen nicht. Das gelte in gleicher Weise etwa für einen Lieferanten einer teuren - den Vermögensstock tangierenden - Büroeinrichtung wie für eine bei der Geldanlage beratende Bank. Es bleibe in beiden Beispielsfällen Aufgabe der Stiftungsorgane, für die Einhaltung der stiftungsrechtlichen Bestimmungen zu sorgen. War aus deren Sicht die Anlage des Stiftungsvermögens in Aktienfonds problematisch, weil sie gegen Stiftungsrecht verstieß oder weil bei nur vorübergehenden Kursverlusten ein Entzug der Gemeinnützigkeit durch die Finanzbehörden drohte, so hätten sie von einer solchen Anlage Abstand nehmen müssen. Wenn die Stiftung meine, die beklagte Bank hätte ihr wegen der stiftungsrechtlichen Bedenklichkeit von derartigen risikobehafteten Anlagen abraten müssen, so ginge dies zu weit. Auch eine anlegergerechte Beratung erfordere nicht, dass der Berater quasi Aufgaben der Stiftungsaufsicht übernimmt.
Ein Erfolg der Klage bedeutete, dass die Stiftungsvorstände das Risiko der allein von ihnen getroffenen Anlageentscheidungen auf die sie beratenden Banken abwälzen könnten, weil diese sie aus stiftungsrechtlichen Gründen daran hätten hindern müssen, eine aus damaliger Sicht von allen Beteiligten zwar als riskant, aber angesichts der Kursentwicklung in der Vergangenheit erwünscht angesehene Anlageentscheidung zu treffen. Im Ergebnis wie das OLG Dresden entschied das OLG Bamberg (11.5.09, 4 U 92/08, WM 09, 1082), dass ein Wertpapierdienstleister grundsätzlich nicht verpflichtet sei, die Beratung eines kommunalen Versorgungsunternehmens auch auf das Bestehen eines allgemeinen Spekulationsverbots oder gar auf die Frage einer „möglichen“ Unvereinbarkeit des beabsichtigten Geschäfts mit diesem Verbot zu erstrecken.
Die Durchsetzung des kommunalrechtlich verankerten Spekulationsverbots sei eine Angelegenheit der staatlichen Rechtsaufsicht und gehöre auf kommunaler Ebene zum originären Aufgabenbereich der Kontrollgremien der Stadtverwaltung und an der Konzernspitze einerseits sowie der Aufsichtsorgane bzw. der Geschäftsleitungen der einzelnen Konzernunternehmen andererseits. Auch die Belange eines effektiven Anlegerschutzes erforderten es nicht, dass die Beraterseite gewissermaßen Aufgaben der staatlichen Rechtsaufsicht bzw. der auf Kundenseite gerade hierfür zuständigen Überwachungsgremien wahrnähme.
Anders hingegen als das OLG Bamberg meinte das OLG für Sachsen-Anhalt (24.3.05, 2 U 111/04, WM 05, 1313), dass diese kommunalrechtlichen Bezüge und die für kommunale Gesellschaften in höherem Maß als für private Unternehmen bestehende Beschränkung spekulativen Handelns der Bank Anlass geben müssen, zu besonderer Vorsicht zu raten. Es handele sich um ein für die Anlegerin (in dem Fall: die Stadtwerke) charakteristisches Problem, dessen Relevanz für die Anlageentscheidung die Bank im Hinblick auf ihre überlegenen Kenntnisse von dem empfohlenen Produkt (ebenfalls ein sog. „Swap“) deutlich hätte hervorheben müssen, wenn auch die Stadtwerke selbst und speziell ihr Geschäftsführer die Reichweite der öffentlich-rechtlichen Restriktionen von sich aus hätte klären müssen. Angesichts des umfassenden Wissens der Bank um die Charakteristika des von ihr empfohlenen Produkts wäre sie verpflichtet gewesen, mit Nachdruck auf eine Prüfung der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit zu dringen.
PRAXISHINWEIS | Es offenbart sich eine erheblich unbefriedigende Situation für Stiftungen dadurch, dass in vergleichbaren Fällen die Entscheidung des Gerichts zugunsten der Stiftung ausfällt, wenn die von der Stiftung in Regress genommene Bank ihren Sitz im OLG-Bezirk Frankfurt, in Sachsen-Anhalt oder im OLG-Bezirk Naumburg hat (das OLG Naumburg hat ähnlich entschieden), während Stiftungen, die Banken mit einem Sitz in den OLG-Bezirken Dresden und Bamberg in Regress nehmen wollen, wenig Aussicht auf Erfolg für ihre Klagen beschieden ist. Im Interesse der Rechtseinheit ist es wünschenswert, dass der BGH diese Fragen einmal grundsätzlich entscheidet oder eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erfolgt. |
Das OLG Oldenburg weist außerdem darauf hin, dass die Gegenansicht zudem die Gefahr in sich berge, dass die Aufklärungspflicht überstrapaziert und bis in den Bereich der (unzulässigen) Rechtsberatung ausgedehnt werde. Das sei auch dann, wenn es nicht allein um eine Aufklärung über Tatsachenzusammenhänge, sondern zugleich um eine Bewertung gehe, mit dem Erfordernis einer für die Beraterseite klar konturierten Pflichtenlage nicht zu vereinbaren.
Dieses Argument des OLG Oldenburg im Zusammenhang mit dem kommunalrechtlichen Spekulationsverbot gilt meines Erachtens genauso für Stiftungen: Wie soll die Bank sicher entscheiden können, welche Anlageinstrumente für eine Stiftung stiftungszivilrechtlich und gemeinnützigkeitsrechtlich trotz Risiken noch vertretbar sind und welche nicht mehr? Sogar das Schrifttum ist sich in dieser Frage nicht einig, ebenso wenig wie die Rechtsprechung im Übrigen, von der Praxis der Stiftungsaufsichtsbehörden einmal ganz abgesehen.
2.4 Falschberatung über Rückvergütung
Unabhängig von der nichtanlegergerechten Beratung, so entschied das OLG Frankfurt für den hier zu besprechenden Sachverhalt, ergäbe sich die Haftung der Bank daraus, dass sie der Stiftung ihre mindestens 5 % der Zeichnungssumme betragende Rückvergütung verschwiegen habe. Denn über Rückvergütungen sei auch dann aufzuklären, wenn im Prospekt oder in der mündlichen Beratung als Empfänger der offen ausgewiesenen Position ein mit der beratenden Bank offensichtlich konzernmäßig oder ähnlich verbundenes Unternehmen genannt werde.
2.5 (Vermuteter) Ursachenzusammenhang
Für einen Schadenersatzanspruch muss nach allgemeinen Grundsätzen im deutschen Zivilrecht das Pflichtverschulden des in Anspruch Genommenen: hier die beiden Fehler durch die Bankberaterin, kausal (ursächlich) für den Schadenseintritt: hier die zu Verlusten führende Anlage in dem Immobilienfonds, gewesen sein. Das OLG Frankfurt unterstellt, dass der Stiftungsvorstand, wenn er denn nur pflichtgemäß über die Risiken und über die Rückvergütung aufgeklärt worden wäre, das Engagement für die Stiftung nicht getätigt hätte. Diese Vermutung habe die Bank im Prozess nicht widerlegen können.
3. Kein Schadenersatzanspruch bei Vermögensverlusten
Wichtig nicht zu vergessen ist, dass, während die Aufklärung des Kunden über die für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände richtig und vollständig zu sein hat, die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein muss. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt - man ist geneigt anzufügen: wie (fast) immer - der Anleger, also die jeweilige Stiftung.