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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    BFH erklärt Pflegeleistungen für steuerfrei

    von RAin Gabriele Ritter, FAin für Steuer- und Sozialrecht, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

    | Die Steuerfreiheit von Pflegeleistungen beschäftigt weiter die Gerichte. Der BFH hat jetzt entschieden, dass Pflegeleistungen unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1g der MwStSystRL steuerfrei sind, wenn die Pflegekraft die Möglichkeit hat, Verträge nach § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XI mit Pflegekassen abzuschließen ( 18.8.15, V R 13/14, Abruf-Nr. 180129 ). |

     

    1. Der Fall des BFH

    Die Klägerin war Mitglied eines eingetragenen Vereins und für diesen gegen Entgelt als Pflegehelferin tätig. Über eine Ausbildung als Kranken- oder Altenpflegerin verfügte sie nicht. Verein und Klägerin hatten miteinander eine Qualitätsvereinbarung abgeschlossen. Der Verein erbrachte umsatzsteuerfreie Pflegeleistungen an Pflegekassen. Diese Praxis ist in Deutschland verbreitet. Das Finanzamt sah die Tätigkeit der Klägerin für den Verein als umsatzsteuerpflichtig an. Ihre Klage zum FG hatte Erfolg.

     

    2. Die Entscheidung des BFH

    Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Zwar sind die Leistungen der Klägerin nach deutschem Recht steuerpflichtig. Sie kann sich aber auf die weitergehenden Steuerbefreiungstatbestände des EU-Rechts berufen, die in nationales Recht nur ungenügend umgesetzt wurden. Nach Art. 132 Abs. 1g MwStSystRL sollen die Mitgliedstaaten u.a. eng mit der Sozialfürsorge verbundene Dienstleistungen befreien. Darunter fallen auch vom jeweiligen Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen. Was die erforderliche Anerkennung anbelangt, reicht es nach Auffassung des BFH aus, dass die Möglichkeit bestanden hat, Leistungen nach § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XI an Pflegekassen zu erbringen. Die Klägerin hatte mit dem Verein Qualitätsvereinbarungen abgeschlossen und „Nachweise über Fortbildungen“ vorgelegt. Das reicht aus, um die personenbezogenen Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XI zu erfüllen. Auf einen Abschluss in einem Pflegeberuf kommt es nicht an.

     

    Unerheblich ist für die Steuerbefreiung, ob (direkte) vertragliche Vereinbarungen mit Pflegekassen bestehen. Die Klägerin war Mitglied in einem „anerkannten“ Verein zur Erbringung von Pflegeleistungen, dessen Kosten weitgehend von den Pflegekassen getragen worden sind. Insoweit besteht eine über den Verein durchgeleitete Kostentragung.

     

    Wichtig | Besonders hervorzuheben ist, dass der Senat ausdrücklich auch den gerichtsbekannten Pflegenotstand und das sich hieraus ergebende hohe Gemeinwohlinteresse, das an der Erbringung steuerfreier Pflegeleistungen besteht, berücksichtigt. Auch misst er dem Merkmal der Anerkennung keine zwingende Bedeutung bei.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2015 | Seite 204 | ID 43673098