· Fachbeitrag · Familienstiftung und Abgeltungsteuer
Gestaltungen mit Familienstiftungen
von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung (bundesweit), PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel
| Dem Urteil des FG Münster lag eine interessante Gestaltung mit einer Familienstiftung zugrunde. Bei der Planung hat der Berater offensichtlich sorgfältig gearbeitet ‒ Chapeau! Das FG hat zutreffend unter die Rechtsprechung des BFH subsumiert, die Gestaltung bestätigt und den steuerpflichtigen Stiftern Recht gegeben (28.2.19, 3 K 2547/18 E, Abruf-Nr. 209234 ). |
Sachverhalt
Die klagenden Stifter sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2016 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ursprünglich hielten sie Kommanditbeteiligungen an der O GmbH & Co. KG, vermutlich einer gewerblich tätigen Gesellschaft, sowie Geschäftsanteile an deren Komplementärin. Sämtliche Gesellschaftsanteile übertrugen die Stifter vor dem Streitjahr auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung. Die bei der O GmbH & Co. KG für die Stifter geführten Darlehenskonten wurden als sonstige Verbindlichkeiten gegenüber den Stiftern fortgeführt und entsprechend den Regelungen im Gesellschaftsvertrag zu fremdüblichen Bedingungen verzinst.
Ferner hielten die Stifter Kommanditbeteiligungen an der O Grundstücksverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG von jeweils 50 %. An deren Komplementärin waren die Stifter ebenfalls zu jeweils 50 % beteiligt. Die O Grundstücksverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG überließ der O GmbH & Co. KG ein Betriebsgrundstück. Diese Beteiligungen gingen nicht auf die Familienstiftung über, sondern verblieben bei den Stiftern. In allen Gesellschaften fungierten die Stifter als Geschäftsführer, bei der Familienstiftung als Vorstand (neben einer dritten Person).
Im Streitjahr flossen den Stiftern aus ihren Forderungen gegenüber der O GmbH & Co. KG 249.592,28 EUR (Stifter) und 81.414,21 EUR (Stifterin) Zinsen zu. Das FA unterwarf diese Zinseinkünfte zunächst erklärungsgemäß dem Abgeltungsteuersatz von 25 %, änderte dies aber später ab und unterwarf die Zinseinkünfte dem ‒ deutlich höheren ‒ tariflichen Einkommensteuersatz.
Entscheidungsgründe
Das FG Münster hielt die Klage für begründet. Die von der O GmbH & Co. KG gezahlten Zinsen unterfielen der Abgeltungsteuer. Für Einkünfte aus Kapitalvermögen beträgt die Einkommensteuer 25 % („Abgeltungsteuer“), § 32d Abs. 1 S. 1 EStG. Hiervon gibt es zwei wichtige Ausnahmen und zwar
- soweit diese Einkünfte einer anderen Einkunftsart zuzurechnen sind, § 20 Abs. 8 S. 1 EStG, oder
- wenn Gläubiger und Schuldner einander „nahestehende Personen“ sind und der Schuldner ‒ hier: die O GmbH & Co. KG ‒ diesen Zinsaufwand als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuermindernd in Abzug bringen kann, § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG.
Kein Ausschluss der Abgeltungsteuer
Die Abgeltungsteuer sei ‒ entgegen der Auffassung des FA ‒ anwendbar. Die von den Stiftern im Privatvermögen vereinnahmten Zinsen seien Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) und fielen nicht unter eine andere ‒ i. d. S. vorrangige ‒ Einkunftsart, § 20 Abs. 8 EStG.
Die Anwendung der Abgeltungsteuer sei auch nicht nach § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift werde die Abgeltungsteuer für Kapitalerträge ausgeschlossen, wenn Gläubiger ‒ hier: die Stifter ‒ und Schuldner ‒ hier: die O GmbH & Co. KG ‒ einander nahestehende Personen seien, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner ‒ der O GmbH & Co. KG ‒ Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit inländischen Einkünften seien.
Voraussetzungen für ein Näheverhältnis
Ein Beherrschungsverhältnis setze nach Auffassung der BFH voraus, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibe. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit oder Ehe abgeleitetes persönliches Interesse reiche dagegen nicht aus. Ein derartiges Verständnis würde zu einer mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbaren Diskriminierung der Familie führen. Lägen unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen vor, die für die Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen sprächen, könne ein Näheverhältnis zu bejahen sein.
Beachten Sie | Ein Näheverhältnis zu einer Kapitalgesellschaft sei zu bejahen, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine Beteiligung innehabe, die es ihm ermögliche, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Kapitalgesellschaft durchzusetzen. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn er aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung verfüge. Darüber hinaus halte der BFH ein Näheverhältnis aufgrund einer faktischen Beherrschung für nicht ausgeschlossen.
Keine Beherrschung durch die Stifter kraft Anteilsbesitz
Nach diesen Grundsätzen seien die Stifter und die O GmbH & Co. KG keine einander nahestehenden Personen. Die vom BFH für Kapitalgesellschaften aufgestellten Grundsätze seien auf Personengesellschaften entsprechend anzuwenden. Demnach sei vorrangig darauf abzustellen, ob die Gläubiger der Kapitalerträge ‒ die Stifter ‒ aufgrund ihrer Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft verfügten. Habe der Gläubiger nicht die Mehrheit der Stimmrechte, könne ein Näheverhältnis nur vorliegen, wenn anderweitige besondere Umstände gegeben seien, die auf eine faktische Beherrschung der Personengesellschaft schließen ließen. Vorliegend scheide eine Beherrschung kraft Anteilsbesitz aus, da die Stifter im Streitjahr nicht mehr an der O GmbH & Co. KG beteiligt gewesen wären. Auch lägen keine besonderen Umstände vor, die auf eine faktische Beherrschung schließen ließen.
Keine mittelbare Beherrschung über die Familienstiftung
Die Stifter beherrschten die O GmbH & Co. KG auch nicht mittelbar über die Familienstiftung, da keiner der beiden Stifter für sich gesehen eine beherrschende Stellung in der Familienstiftung habe. Weder der Stifter noch die Stifterin seien aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Stiftungsvorstand in der Lage, eigenständig ‒ d. h. ohne die Mitwirkung eines anderen Vorstandsmitglieds ‒ Beschlüsse der Stiftung herbeizuführen.
Nach der Stiftungssatzung würden Vorstandsbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst. Bei einem dreiköpfigen Vorstand habe dies zur Folge, dass weder der Stifter noch die Stifterin Beschlüsse alleine herbeiführen könne. Der Stichentscheid des Vorsitzenden bzw. seines Stellvertreters setze Stimmengleichheit voraus und könne daher nur zum Tragen kommen, wenn lediglich zwei Vorstandsmitglieder anwesend seien. Da die anderen beiden Mitglieder durch ihre Anwesenheit einen Stichentscheid ohne Weiteres verhindern könnten, ergäbe sich auch hieraus keine beherrschende Stellung.
Nichts anderes ergäbe sich aus der Stiftungssatzung, wonach die Gesellschafterrechte der Stiftung allein durch den Vorstandsvorsitzenden bzw. im Vertretungsfall durch seinen Stellvertreter wahrgenommen würden und er die Stiftung insbesondere in den Gesellschafterversammlungen vertrete. Diese Regelung beträfe nur die Vertretungsbefugnis und nicht die für eine Beherrschung maßgebliche Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis.
Beachten Sie | Entgegen der Auffassung des FA ergäbe sich eine beherrschende Stellung der Stifter auch nicht daraus, dass ihnen gemeinschaftlich die Stimmrechtsmehrheit im Stiftungsvorstand zustehe. Da nach der Rechtsprechung des BFH ein Näheverhältnis nicht allein aufgrund einer familienrechtlichen Verbindung angenommen werden könne, könnten allein aufgrund eines Eheverhältnisses auch keine Stimmrechte zur Bestimmung eines Näheverhältnisses zugerechnet werden (keine „Sippenhaft“ für Eheleute).
Keine gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen der Stifter
Im Streitfall lägen auch keine Beweisanzeichen vor, die ‒ unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft ‒ für die Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen der Stifter sprechen würden. Insbesondere könne kein absolutes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Stiftern festgestellt werden. Dagegen spräche vielmehr, dass beide Stifter wesentliche Einkünfte erzielten und damit wirtschaftlich voneinander unabhängig seien.
Auch spielte keine Rolle für das FG, ob die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zwischen der Grundstücksverwaltungsgesellschaft als Besitz- und der O GmbH & Co. KG als Betriebsgesellschaft erfüllt seien. Denn das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung beurteile sich nach anderen Kriterien als der Begriff der nahestehenden Person i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG. Während eine personelle Verflechtung i. S. d. Betriebsaufspaltung bereits vorläge, wenn im Besitz- und Betriebsunternehmen ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille durchgesetzt werden könne, sei für die Anwendung des gesonderten Steuertarifs ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis erforderlich (woran es fehle).
Keine Beherrschung über die Komplementärin
Eine beherrschende Stellung der Stifter ergäbe sich auch nicht aus ihrer Stellung als jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der O Verwaltungs-GmbH. Da nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung maßgeblich sei, wäre eine Beherrschung der O GmbH & Co. KG über die O Verwaltungs-GmbH grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn die Stifter die Stimmrechtsmehrheit auf Ebene der O Verwaltungs-GmbH und die O Verwaltungs-GmbH die Stimmrechtsmehrheit auf Ebene der O GmbH & Co. KG hätten. Beides sei vorliegend nicht der Fall.
Beachten Sie | Auch lägen insoweit keine Anhaltspunkte für eine faktische Beherrschung vor. Die Stifter könnten ihre Rechte als Geschäftsführer nicht losgelöst von den Vorgaben der Familienstiftung machen. Vielmehr sei sichergestellt, dass gegen den Willen der Familienstiftung keine bedeutsamen Entscheidungen in der O GmbH & Co. KG getroffen werden könnten.
Relevanz für die Praxis
Beachten Sie | Ohne die Zwischenschaltung der Familienstiftung wären die Zinseinkünfte kaum anders als gewerbliche Einkünfte mit dem tariflichen Einkommensteuersatz zzgl. „Reichensteuer“, d. h. 45 %, anstelle von 25 % zu versteuern gewesen. Bei den mitgeteilten Zinseinkünften beträgt der Belastungsunterschied für beide Stifter in Summe nach überschlägiger Berechnung rund 66.000 EUR ‒ allein im Streitjahr!
Familienstiftungen erleben gerade aus unterschiedlichen Gründen eine Renaissance. Hier rechtfertigt die Ersparnis ohne Weiteres den mit der Errichtung der Familienstiftung und ihrem laufenden Betrieb verbundenen Aufwand. Daneben hat der Einsatz der Familienstiftung auch eine Reihe außersteuerlicher Vorteile, was (auch) zur Vermeidung eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) relevant ist.