· Fachbeitrag · Stiftung & Recht
Showdown bei ALDI-Nord:Wenn Beschlussmängel böse Folgen haben
von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR und FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PwC AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Kassel
| In der bedeutendsten der drei Familienstiftungen, die die Unternehmensgruppe ALDI-Nord beherrschen, bestehen Querelen, über die allenthalben in den Medien berichtet wird. Aus den Fehlern können auch kleinere und gemeinnützigere Stiftungen lernen. Zuletzt musste das Schleswig-Holsteinische VG entscheiden ( 21.1.16, 6 A 12/15, Abruf-Nr. 186872 ). |
1. Bedeutung und Funktion der „Jakobus-Stiftung“
Die Beteiligten stritten über die Wirksamkeit von Satzungsänderungen der Jakobus-Stiftung sowie die Frage, welche Satzung aktuell gilt. Die Jakobus-Stiftung hält zusammen mit der Markus-Stiftung und der Lukas-Stiftung 100 % der Geschäftsanteile an der Unternehmensgruppe ALDI-Nord. Zweck der Jakobus-Stiftung war zunächst die Förderung der Destinatäre u. a. für die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhaltes. In der Satzung wurden als Stiftungsorgane normiert, der
- Vorstand,
- Beirat und
- Familientag.
2. Satzungsänderung per Beschluss des Stiftungsvorstands
Verschiedene Änderungen der Stiftungssatzung wurden durch einen Beschluss des Stiftungsvorstands vom 23.12.10 vereinbart. Unterschrieben wurde dieser von Berthold Albrecht (neben seinem Bruder Theo Albrecht junior Sohn des ALDI-Nord Gründers Theo Albrecht) und Dr. M H. Außerdem heißt es über der Unterschrift von Berthold Albrecht: „Zugleich für den erkrankten W“. Dieser war Mitglied des Verwaltungsrats der Unternehmensgruppe ALDI-Nord - nicht zu verwechseln mit dem Beirat der Stiftung. In der Satzungsänderung wurde die Zusammensetzung des Vorstands nach dem Ableben von Berthold Albrecht geregelt und zwar im Wesentlichen wie folgt:
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Diese Satzungsänderung wurde unter dem 30.12.10 genehmigt und hatte zunächst - mangels Veränderungen im Vorstand - keine Auswirkungen.
Im Mai 2011 gab es verschiedene Veränderungen im Stiftungsvorstand. Am 26.12.12 verstarb der Stifter Berthold Albrecht. Eine in der Satzung vorgesehenen Möglichkeit, durch letztwillige Verfügung die Vorstandsmitglieder für die Zeit nach seinem Tod zu bestimmen, hatte er nicht genutzt. Die Stiftungsaufsicht bestätigte am 14.12.12 die (vier) Mitglieder des Vorstands.
3. Abberufung eines Vorstandsmitglieds
Unter dem 18.2.13 fassten die Vorstandsmitglieder O und V Albrecht den Beschluss, den Rechtsberater von ALDI-Nord als Vorstandsmitglied mit sofortiger Wirkung abzuberufen. Darin heißt es, dass die Abberufung gemäß der Satzung ohne wichtigen Grund möglich sei. Vorsorglich wurde darauf hingewiesen, dass auch ein wichtiger Grund vorliege und man sich darauf stütze.
Der Rechtsberater von ALDI-Nord teilte der Stiftungsaufsicht mit, dass er den Beschluss über seine Abberufung für rechtswidrig halte. Außerdem gebe es auch keinen wichtigen Grund für die Abberufung. Ein weiteres Vorstandsmitglied - Dr. H - legte sein Amt mit sofortiger Wirkung am 11.3.13 nieder.
Im Rahmen einer Vorstandssitzung am 10.5.13, an der O und V Albrecht teilnahmen, wurde die Beschlussfähigkeit festgestellt, weil es gemäß der Satzung ausreiche, dass mindestens 50 % der Vorstandsmitglieder anwesend seien. Die beiden anwesenden Vorstandsmitglieder O und V Albrecht stimmten für die Genehmigung und Bestätigung der Abberufung des Rechtsberaters von ALDI-Nord als Vorstandsmitglied.
4. Weitere Satzungsänderungen
Weitere Satzungsänderungen wurden mit Vorstandsbeschluss vom 9.6.13 einstimmig von O und V Albrecht beschlossen. Dabei ging es um Satzungsänderungen hinsichtlich der Bildung des Vorstands. Nach Anhörung der Beteiligten lehnte die Stiftungsaufsicht die Genehmigung der Satzungsänderungen ab. Zur Begründung heißt es, dass die Änderungen nicht wirksam hätten vorgenommen werden können. Dies ergäbe sich daraus, dass die Satzungsänderungen vom 23.12.10 wirksam seien. Der Vorstand sei am 9.6.13 auch deshalb nicht beschlussfähig gewesen, weil die Abberufung des Rechtsberaters von ALDI-Nord als Vorstandsmitglied unwirksam sei. Deshalb hätte er am 9.6.13 beteiligt werden müssen. Außerdem seien die Änderungen auch inhaltlich nicht genehmigungsfähig. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhoben die Stiftung sowie O und V Albrecht Klage.
5. Klage unbegründet
Das Gericht hielt die Klage für nicht begründet. Die Stiftungsaufsicht habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die mit Beschluss vom 9.6.13 gefassten Satzungsänderungen nicht wirksam und deshalb nicht genehmigungsfähig seien. Es treffe zu, dass die Satzung der Jakobus-Stiftung in der Fassung vom 19.2.10 die aktuell geltende Fassung ist. Die Satzungsänderungen vom 23.12.10 seien hingegen unwirksam gewesen.
Nach § 5 Abs. 1 Stiftungsgesetz Schleswig-Holstein (StiftG) können die nach der Satzung zuständigen Organe die Satzung ändern, wenn der Stiftungszweck und die Gestaltung der Stiftung nicht oder nur unwesentlich verändert werden. Eine Änderung ist auch möglich, wenn sie wegen einer wesentlichen Veränderung gegenüber den im Zeitpunkt der Entstehung der Stiftung bestehenden Verhältnissen angebracht ist. Nach § 5 Abs. 2 StiftG bedürfen Beschlüsse nach Abs. 1 der Genehmigung der Behörde.
6. Stiftungsvorstand nicht ordnungsgemäß besetzt
Eine solche Genehmigung habe die Stiftungsaufsicht für die Satzungsänderungen durch Vorstandsbeschluss vom 9.6.13 zu Recht abgelehnt. Zwar sei der Vorstand in diesem Fall das nach der Satzung zuständige Organ für satzungsändernde Beschlüsse. Allerdings konnten die Beschlüsse über die Satzungsänderungen am 9.6.13 nicht durch O und V Albrecht wirksam vorgenommen werden, weil weder V noch O Albrecht am 9.6.13 in wirksamer Weise Vorstandsmitglieder der Jakobus-Stiftung gewesen seien.
Dies wären sie allenfalls, wenn die Satzungsänderungen vom 23.12.10 wirksam zustande gekommen wären, was sie nicht sind. Die Unterschrift des Vorstandsmitglieds Berthold Albrecht (dem Stifter) für den erkrankten W sei fehlerhaft. Dieser Fehler führe auch zur Unwirksamkeit dieser Satzungsänderungen. Insofern wäre die Satzung in der Fassung vom 19.2.10 anzuwenden gewesen, nach dem Tod von Berthold Albrecht.
7. Unterschied zwischen Stellvertreter und Boten
Die zugleich für das erkrankte Vorstandsmitglied W von Berthold Albrecht vorgenommene Unterzeichnung des Vorstandsbeschlusses vom 23.12.10 könne rechtlich nur als Stellvertretung eingeordnet werden. Insbesondere habe Berthold Albrecht nicht als Bote für den erkrankten W gehandelt. Dies wäre nur der Fall, wenn er eine Willenserklärung des W übermittelt hätte. Dies komme aber schon deshalb nicht in Betracht, weil W keine konkrete und eindeutige Willenserklärung hinsichtlich der Satzungsänderungen vom 23.12.10 abgegeben habe. (Dies erläutert das Gericht im Einzelnen.)
Eine konkrete Willenserklärung von W durch Berthold Albrecht sei daher auch nicht übermittelt worden. Es habe vielleicht eine bestimmte Richtung gegeben, die Einzelheiten der Satzungsänderungen seien aber noch offen gewesen. Für die Übermittlung einer konkreten Willenserklärung durch Berthold Albrecht als Boten bleibe deshalb kein Raum.
Beachten Sie | Der Bote ist gesetzlich nicht geregelt, auch der Begriff des Boten findet sich im BGB nicht. Bote und Stellvertreter unterscheiden sich dadurch, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung abgibt, während der Bote eine Willenserklärung seines Geschäftsherrn übermittelt (MüKo/Schubert, BGB, § 164 Rn. 70).
Nicht in Betracht komme auch die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung, dass die Beschlüsse über die Satzungsänderungen bereits vor Dezember 2010 gefasst worden seien und dass am 23.12.10 lediglich die Unterschriften geleistet wurden. Dazu wäre es mindestens nötig gewesen, einen konkreten Tag mit einer Einigung über eine konkrete Beschlussfassung zu nennen. Dies sei aber unterblieben.
8. Stellvertretung im Vorstand erlaubt die Satzung nicht
Insofern komme bei der von der Berthold Albrecht für W geleisteten Unterschrift allenfalls eine Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB in Betracht, weil eine höchstpersönliche Mitwirkung nicht vorliege. Zwar spräche viel dafür, dass sich kein gesetzliches Verbot einer (internen) Stellvertretung herleiten lasse (wird erläutert).
Beachten Sie | Für die vergleichbare Situation beim Vorstand einer AG wird dies mehrheitlich anders gesehen. Danach ist eine Stellvertretung unzulässig und kann auch nicht durch Satzungsregelung eingeführt werden. Denn: Die Stimmabgabe eines Vorstandsmitglieds erfordert eine persönliche Entscheidung. Botenschaft ist jedoch zulässig, sofern die anderen Vorstandsmitglieder außerhalb von Notfällen oder Urlaub damit einverstanden sind (MüKo/Spindler, AktG, § 77 Rn. 20) oder die Satzung dies ausdrücklich erlaubt.
Maßgeblich sei vielmehr die Satzung selbst. Eine ausdrückliche Bestimmung über die Möglichkeit der Stellvertretung bei Vorstandsbeschlüssen gibt es hier nicht. Allerdings sei die Satzung dahingehend auszulegen, dass (auch eine interne) Stellvertretung von Vorstandsmitgliedern bei ihrer Beschlussfassung nicht möglich sein solle. Dies ergäbe sich aus Folgendem:
- Die Satzung regele Zusammensetzung, Aufgaben und Befugnisse des Vorstands sehr detailliert. Schon dies spräche dafür, dass die Frage der Stellvertretung im Rahmen von Vorstandsbeschlüssen nicht etwa übersehen worden sei, sondern dass man sich bewusst dagegen entschieden habe.
- Wenn eine Stellvertretung bei Beschlüssen des Vorstands gewollt gewesen wäre, hätte es nahegelegen, dies in der Satzung zu regeln. Dies sei aber nicht geschehen. Insbesondere sei die Möglichkeit der Stellvertretung nicht normiert worden, sondern nur ein schriftliches Umlaufverfahren.
9. Stellvertretung war an anderer Stelle erlaubt
Insbesondere spräche aber eine andere Regelung der Satzung gegen die Möglichkeit einer Stellvertretung im Rahmen von Vorstandsbeschlüssen: Denn in der Satzung werde für das Organ „Familientag“ eine Stellvertretung ausdrücklich vorgesehen. Dort hieße es, dass sich die Stimmberechtigten Destinatäre beim Familientag nur durch ihre gesetzlichen Vertreter, durch andere Destinatäre oder durch eigene Abkömmlinge, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, vertreten lassen könnten. Durch diese Vorschrift werde deutlich, dass die Frage der Stellvertretung vom Stifter gesehen und für das Organ „Familientag“ auch normiert worden sei.
Dies spräche im Wege des Umkehrschlusses dafür, dass die Möglichkeit der Stellvertretung beim Vorstand nicht etwa vergessen, sondern bewusst nicht geregelt (weggelassen) wurde.
PRAXISHINWEIS | Klare Regelungen helfen: Bei der Satzungsformulierung sollten Sie nicht darauf vertrauen, dass das Gericht aus einem Umkehrschluss das vom Stifter tatsächliche Gewollte folgert, sondern dies konkret regeln. Das hätte hier die simple Regelung erfordert: „Bei der Beschlussfassung des Stiftungsvorstandes ist eine Stellvertretung nur durch andere Vorstandsmitglieder zulässig (oder alternativ: unzulässig)“. |
Dieses Ergebnis mache auch Sinn. Denn der Familientag sei nur beschlussfähig, wenn eine Präsenzsitzung stattfinde. (Im Folgenden verweist das Gericht auf mehrere Regelungen in der Satzung, die diese Annahme stützen.) Außerdem hieße es, dass der Familientag den Zusammenhalt der Destinatäre fördern solle. Insbesondere habe er ausgleichend gegenüber verschiedenen Familiengruppen und/oder Destinatären zu wirken. Sämtliche Regelungen machten deutlich, dass der Familientag die Anwesenheit der Mitglieder voraussetze. Die Möglichkeit eines schriftlichen Umlaufverfahrens gäbe es nicht.
10. Unterschiedliche Regelungen ergänzen sich
Insofern fügt es sich ein, für den Familientag eine Vertretungsmöglichkeit vorzusehen, um die Handlungsfähigkeit dieses Organs der Stiftung sicherzustellen, falls jemand an der Teilnahme einer Sitzung verhindert sei und deshalb unterscheide sich der Familientag vom Vorstand. Die Entscheidungen des Vorstands könnten nämlich bei Einverständnis aller Vorstandsmitglieder nach der Satzung im schriftlichen Umlaufverfahren beschlossen werden. Ein solches schriftliches Umlaufverfahren mache eine Stellvertretung entbehrlich, weil die persönliche Anwesenheit keine Rolle spiele. Insofern ergänzten sich die Vorschriften über Beschlussfassungen im Vorstand:
- grundsätzlich Anwesenheit,
- ausnahmsweise schriftliches Umlaufverfahren,
- keine Stellvertretungsmöglichkeit,
mit den Vorschriften über den Familientag:
- ausschließlich Präsenzsitzung,
- kein schriftliches Umlaufverfahren,
- Stellvertretung möglich,
und harmonierten miteinander.
11. Stellvertretung und Umlaufverfahren
Die Möglichkeit einer Stellvertretung mache auch gerade in einem schriftlichen Umlaufverfahren keinen Sinn. Dass es am 23.12.10 eine Vorstandssitzung gegeben habe, sei nicht ersichtlich. Insofern könne der Beschluss vom 23.12.10 allenfalls im schriftlichen Umlaufverfahren zustande gekommen sein. Bei einem schriftlichen Umlaufverfahren spiele die Anwesenheit der Mitglieder aber keine Rolle. Die Unterschrift unter einen Beschluss könne - etwa per Fax - überall geleistet werden.
Eine Stellvertretung sei nicht notwendig. Dies verdeutliche, dass die Satzung (vom 19.2.10) dahingehend auszulegen sei, dass eine Stellvertretung bei Vorstandsbeschlüssen nicht vorgesehen und deshalb rechtlich nicht möglich sei. Insofern stelle sich die Unterschrift von Berthold Albrecht „zugleich für den erkrankten W“ in dem Beschluss des Vorstands vom 23.12.10 als fehlerhaft dar.
Beachten Sie | Grundsätzlich ist keine Form für die Beschlussfassung vorgeschrieben. Beschlüsse können daher mündlich und, wenn alle Mitglieder zustimmen, auch telegraphisch, fernmündlich oder schriftlich gefasst werden. Auch Beschlüsse per Video-, Internet-Konferenz oder (als Umlaufbeschluss) per E-Mail sind möglich, sofern bei letzterer die Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen werden können. Schließlich kann eine Zustimmungserklärung auch in einem konkludenten Verhalten liegen, zum Beispiel bei Urlaubsabwesenheit gegenüber täglichen Routinebeschlüssen, sofern nicht nachträglich widersprochen wird (MüKo/Spindler, AktG, § 77 Rn. 23). Möglich ist also viel, zum Beispiel sind auch Kombinationen zulässig - nur geregelt werden sollte das gewählte Verfahren sinnvollerweise: in der Satzung oder alternativ einer Geschäftsordnung für den Stiftungsvorstand.
12. Fehler mündet in unwirksamem Beschluss
Dieser Fehler (Stellvertretung des einen für ein anderes Vorstandsmitglied, obwohl Stellvertretung nicht zulässig war) führt auch zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Fehlerhafte Beschlüsse von Stiftungsorganen führen grundsätzlich zur Unwirksamkeit. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass ein Verfahrensfehler nur dann zur Ungültigkeit eines Beschlusses führt, wenn das Abstimmungsergebnis darauf beruht.
Dabei ist anstelle von Kausalitätserwägungen nach neuerer Rechtsprechung bei der Rechtsmäßigkeitskontrolle auf die Relevanz des Verfahrensfehlers für die Ausübung der Mitwirkungsrechte durch ein objektiv urteilendes Verbandsmitglied abzustellen. Insofern ist eine wertende Betrachtung anzustellen, ob ein Mangel in der Beschlussfassung beachtlich ist. Diese Frage stellt sich allerdings nur bei Verfahrensfehlern.
Beachten Sie | Inhaltliche Fehler sind stets relevant. Schon ein Ladungsmangel stelle einen relevanten Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht dar, weil die Entschließung eines Mitglieds, an einer Versammlung teilzunehmen oder nicht, maßgeblich vom Inhalt der Tagesordnung abhänge.
Beachten Sie | Sind alle Mitglieder erschienen und haben sie sich in Kenntnis des Einberufungsmangels, ohne zu widersprechen an der Verhandlung über die Tagesordnung beteiligt, so liegt darin ein konkludenter Verzicht auf die Geltendmachung der Einberufungsmängel (MüKo/Spindler, AktG, § 77 Rn. 24).
Der hier vorliegende Fehler stellt sich nach diesen Maßstäben als relevant dar. Es handelt sich schon nicht um einen Verfahrensfehler. Die unzulässige und deshalb fehlgeschlagene Stellvertretung berührt die Beschlussfähigkeit des Vorstands unmittelbar. Der Mangel der Beschlussfähigkeit gemäß der Satzung ist immer relevant.
13. Keine Heilung durch Genehmigung der Aufsicht
Dieser relevante Fehler werde auch nicht durch die Genehmigung der Aufsichtsbehörde geheilt. Deshalb habe die Genehmigung der Satzungsänderungen der Stiftungsaufsicht vom 30.12.10 keine Auswirkungen. Es bleibe bei der Unwirksamkeit der Satzungsänderungen vom 23.12.10.
Beachten Sie | Trotz Genehmigung der Stiftungsaufsicht bleibt es bei der Unwirksamkeit von Beschlussmängeln, vgl. Staudinger/Rawert/Hüttemann, BGB, § 87 Rn. 18. Hier irren Stiftungsvorstände gelegentlich, nach dem Motto: „Wenn die Stiftungsaufsicht genehmigt, ist alles gut“.
14. Erneut: Kein Sonderrecht für „Stifter-Stiftungsvorstand“
Auch der Umstand, dass der Stifter selbst die Stellvertretung vorgenommen hat, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Stifterwille sei entscheidend für den Stiftungszweck und die Auslegung der Satzung. Insofern wirke er über die Gründungsphase hinaus. Er sei oberste und bestimmende Richtschnur für das künftige handeln der Organe und oberster Auslegungsmaßstab.
Allerdings sei auch der Stifter an seine eigene Satzung gebunden. Er stehe insoweit nicht über der Satzung. Die von ihm selbst konzipierte Satzung gäbe das Verfahren und den Entscheidungsrahmen vor, auch für den Stifter. Insofern sei hier auch Berthold Albrecht als Stifter selbst an seine eigene Stiftungssatzung gebunden. Er sei insbesondere nicht befugt gewesen, von Vorschriften der Satzung über das Verfahren und die Beschlussfähigkeit des Vorstands abzuweichen.
Beachten Sie | Die Frage, ob es ein Sonderrecht für den „Stifter-Stiftungsvorstand“ gibt - die klar zu verneinen ist - scheint im Moment gehäuft Gegenstand richterlicher Entscheidungen zu sein (Theuffel-Werhahn, SB 16, 83, 87/88).
15. Andere Lösungsmöglichkeiten
Der Stifter hätte im Übrigen Möglichkeiten gehabt, seinen Willen über seinen Tod hinaus durchzusetzen, auch ohne eine Satzungsänderung. Er hätte die Besetzung des Vorstands für die Zeit nach seinem Tod jederzeit durch letztwillige Verfügung bestimmen können.
Auch die Erkrankung des Vorstandsmitglieds W führte nicht zu einer Notsituation, die es rechtfertigen könnte, von den Satzungsbestimmungen ausnahmsweise abzuweichen. Das Problem hätte ohne Weiteres auf eine satzungsgerechte Art und Weise gelöst werden können. Nach der Satzung hätte bei Fehlen eines Mitglieds eine neue Vorstandssitzung einberufen werden können, bei der für die Beschlussfähigkeit die Anwesenheit von 50 % der Mitglieder ausgereicht hätte.
Die Satzungsänderungen hätten deshalb ohne Weiteres auch ohne W beschlossen werden können. Außerdem hätte die Möglichkeit bestanden, eine Notbestellung durch das AG nach § 29 BGB zu beantragen.
Beachten Sie | Gemäß § 29 i.V.m. § 86 S. 1, 1. HS. BGB sind, soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstands fehlen, sie in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten von dem für den Sitz der Stiftung zuständigen Amtsgericht zu bestellen. Ein „dringender Fall“ liegt vor, wenn die Bestellung des Notvorstands notwendiges Mittel zur Abwehr von Schäden für die Stiftung oder andere Beteiligte ist. Unter Schaden ist insoweit jede (rechtliche oder faktische) Beeinträchtigung von Rechtspositionen zu verstehen, nicht nur ein Vermögensschaden (MüKo/Arnold, BGB, § 29 Rn. 11; Mecking, SB 13, 49 ff., unter 4.1).
Infolge der Unwirksamkeit der Satzungsänderungen vom 23.12.10 bestimmt sich die Besetzung des Vorstands nach dem Ableben von Berthold Albrecht nach der Satzung vom 19.2.10. Danach sollte der Familientag bestimmen, welche und wie viele Destinatäre zu Vorstandsmitgliedern berufen werden.
Außerdem sollte der Familientag das Vorstandsmitglied aus dem Kreis der rechts- bzw. wirtschaftsberatenden Berufe berufen. Einen solchen Familientag hatte es aber bis zu den im Streit befindlichen Satzungsänderungen des Vorstandes vom 9.6.13 nicht gegeben. Die vom Familientag gefassten Beschlüsse vom 15.4.14 und 24.12.15 kommen dafür schon mangels Rückwirkung nicht in Betracht. Außerdem sind die Beschlüsse des Familientages vom 15.4.14 schon wegen des schriftlichen Umlaufverfahrens fehlerhaft und unwirksam.