· Fachbeitrag · Stiftungserrichtung
Erste Praxiserfahrungen zum neuen Feststellungsverfahren nach § 60a AO
von RA StB Dipl.-FinW (FH) Dr. Jörg Sauer und Diplom-Kauffrau Lisa Maria Schütz
| Seit 29.3.13 ist das neue Feststellungsverfahren der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a AO in Kraft. Danach erfolgt die Feststellung der Satzungsmäßigkeit entweder auf Antrag der Körperschaft oder von Amtswegen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer. Das Feststellungsverfahren löst insbesondere die vorläufige Bescheinigung ab, die bislang für neugegründete Körperschaften bis zur erstmaligen Veranlagung als Nachweis über die formellen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit diente. |
1. Zweck der Gesetzesänderung
Sinn und Zweck der Gesetzesänderung war die Schaffung von mehr Rechtssicherheit für gemeinnützige Körperschaften. Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit erfolgt daher jetzt durch Verwaltungsakt. Während die vorläufige Bescheinigung nur den Status einer mehr oder minder informellen Auskunft hatte, erhält die gemeinnützige Körperschaft durch § 60a AO einen gesonderten Feststellungsbescheid. Der Bescheid dient als Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) und besitzt Bindungswirkung für alle nachfolgenden Steuerbescheide (§ 182 Abs. 1 AO), d.h. auch für die Befreiungsnormen von der
- Körperschaftsteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 KStG) und
- Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 S. 1 GewStG).
Diese Bindungswirkung hält an, bis sich die der Feststellung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften oder die für sie erheblichen Verhältnisse ändern (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 60a AO, Rn. 3 und 4).
2. Bedeutung für die Praxis
Die Einführung eines eigenständigen Verwaltungsakts ist eine deutliche Stärkung der Position, insbesondere von neugegründeten, gemeinnützigen Körperschaften. Beantragten diese in der Vergangenheit die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und wurde diese versagt, konnte dagegen nur in Ausnahmefällen einstweiliger Rechtsschutz begehrt werden. Gegen einen Bescheid nach § 60a AO stehen der Rechtsbehelf mittels Einspruch oder die Verpflichtungsklage zur Verfügung (Schauhoff/Kirchhain, FR 13, 304). Neben diesen Vorteilen sind mit § 60a AO jedoch noch einige unklare Fragen verbunden. Von der tatsächlichen Handhabung durch die Finanzverwaltung hängt letztlich ab, wie die Einführung von § 60a AO insgesamt zu bewerten ist.
2.1 In welchem Stadium ist die Satzung zur Prüfung einzureichen?
Hinsichtlich der Frage, wann bei Neugründungen/-errichtungen und Satzungsänderungen eine Prüfung nach § 60a AO von den Finanzämtern vorgenommen wird, sind im Grunde drei Zeitpunkte denkbar:
- Im Entwurf, also vor einem Beschluss des zuständigen Organs,
- auf Grundlage der beschlossenen Satzung oder
- erst nach Eintragung bzw. Anerkennung oder Genehmigung durch die Stiftungsbehörde.
Bislang ist es üblich bei Neugründungen oder Satzungsänderungen bereits den Entwurf im Rahmen einer unverbindlichen Verständigung mit dem Finanzamt abzustimmen und auf Basis der beschlossenen Satzung die vorläufige Bescheinigung zu beantragen. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass lediglich eine Versammlung des beschließenden Organs notwendig ist. Seit Einführung von § 60a AO zeigt sich, dass sich einzelne Finanzämter weigern, Satzungsentwürfe vorab zu prüfen, unter Verweis auf die Antragsmöglichkeit nach § 60a AO. Ob jedoch eine Antragsmöglichkeit bereits auf Grundlage des rechtlich nicht bindenden Satzungsentwurfs besteht, ist fraglich.
Sofern dies nicht der Fall ist, muss vor der Feststellung ein Beschluss durch das zuständige Organ gefasst werden. Dies bedeutet jedoch, dass im Fall der anschließenden Versagung von § 60a AO erneut über die angepasste Satzung zu beschließen ist und diese wiederum dem Finanzamt vorgelegt werden muss. Besonders für mitgliederstarke Vereine und Stiftungen mit komplexen Verwaltungsstrukturen kann dies einen immensen Verwaltungsaufwand bedeuten.
Die Gesetzesänderung gänzlich ad absurdum würde es führen, wenn eine Prüfung erst auf Basis einer rechtswirksamen, also eingetragenen bzw. durch die Stiftungsbehörde genehmigten Satzung erfolgen kann, ohne dass zuvor eine Abstimmung im Entwurfsstadium erfolgt ist. Dies würde bedeuten, dass gegebenenfalls auch nicht gemeinnützigkeitskonforme Satzungsänderungen durch Beschluss und Eintragung wirksam würden. So entstünde durch jede Satzungsänderung eine latente Gefährdung der Gemeinnützigkeit. Aufgrund dieser Überlegungen erscheint es zweckmäßig bestenfalls bereits für Satzungsentwürfe, zumindest jedoch für beschlossene und noch nicht eingetragene bzw. zur Genehmigung vorgelegte Satzungen einen Antrag nach § 60a AO zu stellen. Dem vorläufigen Vernehmen nach geht auch die Finanzverwaltung von dieser Vorgehensweise aus.
PRAXISHINWEIS | Es empfiehlt sich in der Satzung eine Regelung aufzunehmen, die dem Vorstand das Recht einräumt, redaktionelle Satzungsänderungen aufgrund behördlicher Auflagen ohne einen entsprechenden Beschluss des zuständigen Organs, vornehmen zu können. |
2.2 Was müssen bestehende gemeinnützige Körperschaften beachten?
Bestehende Körperschaften können eine gesonderte Feststellung beantragen oder einfach die nächste Veranlagung abwarten, da in diesem Zeitpunkt von Amts wegen ein Bescheid nach § 60a AO ergeht. Die Übergangsregelung des Art. 97 § 1f Abs. 2 EG AO, wonach eine Anpassung an die Mustersatzung für Altsatzungen erst im Zuge der nächsten Satzungsänderung erfolgen muss, gilt auch für § 60a AO. Demnach ist es in den Fällen, in denen die Satzung vor dem 1.1.09 aufgestellt oder das letzte Mal geändert wurde, unschädlich für die Erteilung des Feststellungsbescheids, wenn die Vorgaben der Mustersatzung noch nicht umgesetzt wurden. Fraglich ist jedoch, was geschieht, wenn eine Prüfung nach § 60a AO neben den Abweichungen von der Mustersatzung, andere formelle Fehler aufdeckt. In der Theorie dürfte dies nicht vorkommen, da jede Satzung dem Finanzamt auch bereits bislang vorgelegt werden musste. Die Praxis zeigt jedoch ein ums andere Mal, wie es um die Qualität von Altsatzungen bestellt sein kann. Wie die Finanzverwaltung in diesen Fällen vorgehen wird, ist noch völlig offen.
2.3 Was ist bei der Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen zu beachten?
Mit BMF-Schreiben vom 7.11.13 wurden die Muster für Zuwendungsbestätigungen erneut angepasst. Ab dem 1.1.14 ist innerhalb der Zuwendungsbestätigung auf die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen hinzuweisen. Auch der Hinweis über die Haftung ist entsprechend zu modifizieren.
PRAXISHINWEIS | Übergangsweise bleiben jedoch bereits ausgestellte vorläufige Bescheinigungen gültig und berechtigen die betroffenen Körperschaften weiterhin zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen. |
2.4 Wann kann die Feststellung aufgehoben werden?
Es ist grundsätzlich zu erwarten, dass eine Aufhebung sowie gegebenenfalls eine Neuerteilung nur für die Fälle infrage kommen, in denen die für die Gemeinnützigkeit ausschlaggebenden Bestimmungen der Satzung geändert werden. Dies liegt nahe, da auch nur diese Bestandteile einer Feststellung nach § 60a AO sein können. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, d.h., rückwirkend aufzuheben ist und somit schlimmstenfalls die formellen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit bis zum Zeitpunkt der schädlichen Satzungsänderung nicht vorliegen (Seer, a.a.O., § 60a AO, Rn. 9). Ob gegebenenfalls Nachbesserungsfristen bei Satzungsänderungen eingeräumt werden, ist derzeit nicht absehbar.
PRAXISHINWEIS | Höchstvorsorglich sollte daher auch bei lediglich zivilrechtlichen Änderungen ein neuer Antrag auf Feststellung der Satzungsmäßigkeit gestellt werden. |
3. Fazit
Die dargestellten Punkte zeigen, dass die praktische Umsetzung von § 60a AO noch nicht abschließend geklärt ist. Die Finanzverwaltung wird daher nicht umhinkommen, einheitliche Antworten auf die noch offenen Fragen zu finden. Ein neuer Anwendungserlass zur AO, der möglicherweise bereits im Dezember 2013 veröffentlicht werden soll, wird hoffentlich näheren Aufschluss über den Ablauf des Antragsverfahrens (z.B. Zeitpunkt) geben. Es wäre wünschenswert, dass dabei die eigentlichen Ziele des Ehrenamtsstärkungsgesetzes, namentlich die Schaffung von Rechtssicherheit und der Abbau von bürokratischen Hemmnissen, nicht aus den Augen verloren werden.