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  • · Nachricht · Editorial April 2021

    Anlage des Stiftungsvermögens und Stifterwille

    | Die Zins- und sonstigen Finanzerträge für Stiftungen sind aktuell besonders niedrig. Das ruft einige Antwortgeber auf den Plan. Zuletzt habe ich sogar den Ratschlag für eine Stiftung gehört, in Bitcoins zu investieren. Dabei sollte man vor allem nicht vergessen, dass es sich bei Bitcoins um eine hochspekulative Anlageform handelt. Der Vorschlag, eine Stiftung solle einen Teil ihres Vermögens in Gold investieren, ist kaum besser. Auch er setzt auf reine Spekulation. Andere wiederum meinen ganz klug, in heutigen Zeiten gelte für Stiftungen ohnehin nur der rein nominelle Vermögenserhalt. Mehr könne von Stiftungsorganmitgliedern nicht verlangt werden. |

     

    Schließlich habe ich dieser Tage gelesen, eine größere gemeinnützige Stiftung solle aufgelöst und ihr Vermögen in eine andere NPO eingegliedert werden, weil sie mit ihrem durchaus großen Vermögen nicht mehr ausreichende Erträge für die Zweckerfüllung erziele. In der größeren Einheit sollte das Vermögen dann verbraucht werden, und anschließend sollen die Zwecke der aufgelösten Stiftung durch Einsparung an anderer Stelle in der neuen großen Einheit generiert werden. Aus Sicht des (gedachten) Stifters der aufgelösten Stiftung klingt das beinahe schon absurd, wenngleich der Gedanke des Vermögensverbrauchs durchaus nicht abwegig ist. Aber dazu muss die Stiftung nicht aufgelöst werden. Verbrauchen kann sie auch selbst.

     

    Mir scheint bei diesen und ähnlichen Hinweisen verloren gegangen zu sein, dass entscheidend auch hier der Stifterwille ist. Nach dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Stifterwillen richtet sich auch, wie das Stiftungsvermögen anzulegen und zu erhalten ist (näher dazu Schiffer/Pruns in Schiffer [Hrsg.], Die Stiftung in der Beraterpraxis, 4. Aufl. 2016, § 5 Rz. 69 ff.).

     

    Hat der Stifter keinen ausdrücklichen Willen dazu erklärt, müssen die Stiftungsorgane für ihre Entscheidung über die Vermögensanlage und -erhaltung den hypothetischen Stifterwillen ermitteln, so gut es im Einzelfall geht. Zu bedenken haben die Stiftungsorgane dabei auch, dass das Stiftungsrecht in § 80 BGB nicht etwa den Vermögenserhalt, sondern die nachhaltige Zweckerfüllung für die Stiftung als grundlegend festschreibt. Daraus folgt u. a., dass vor einer Stiftungsauflösung zu ermitteln ist, ob nicht der Vermögensverbrauch als milderes Mittel eher dem Stifterwillen entspricht als die Stiftungsauflösung. Das ist auch nach dem Regierungsentwurf für ein neues Stiftungsgesetz nicht anders (dort § 85 Abs. 1 S. 3 BGB n. F.). Stiftungsorganmitglieder tun gut daran, das fest im Blick zu halten.

     

    Bleiben Sie gesund, auf Abstand und wohlgemut!

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. K. Jan Schiffer | Rechtsanwalt

    Quelle: ID 49314492