· Nachricht · Editorial April 2023
Rechtswissenschaft und Praxis
| Stiftungsrecht und Wissenschaft. Ein großes wichtiges Thema! In letzter Zeit begegnet mir da wiederholt erneut eine Ansicht, von der ich glaubte, sie sei „ausgestorben“. Es wird ein Gegensatz zwischen Rechtswissenschaft und Praxis konstruiert. Als Konsequenz findet man in einigen „wissenschaftlichen Werken“ aus der Professorenschaft wenige bis keine Zitate von Praxis-Beiträgen oder -Schriften. Von Praktiken verfasste Beiträge werden als Belege und Nachweise nicht selten übergangen. Das erinnert mich an einen dezidierten Rechtsprofessor, der schon vor Jahrzehnten gewisse Zeitschriften für die Beratungspraxis karikierend mit einem bestimmten Comic-Heft gleichsetzte. |
Das sehe ich als Praktiker mit rechtswissenschaftlichem Hintergrund anders. Ich sehe einerseits, dass reine Rechtswissenschaftler ohne eigene belastbare praktische Erfahrung nur theoretisierend über ein praktisch bedeutsames Thema denken und schreiben. Andererseits können fundierte wissenschaftliche Beiträge, die von Praxiserfahrungen ausgehen, einen erheblichen Mehrwert für die Praxis leisten. Zudem meine ich, dass wissenschaftliche Beiträge, die nicht auf praktischen Erfahrungen beruhen, mangels Überblicks leicht neben der Sache liegen und keine Erkenntnisse für die praktische Anwendung hervorbringen. Das ist eine mehrfach anekdotisch verprobte Erfahrung!
Warum sollte etwa im Stiftungswesen zwischen theoretischer und praktischer Wissenschaft unterschieden werden, und das mit einem negativen Blick auf die Praxiserfahrung? Beides kann und sollte gut zusammenwirken und so zu fruchtbaren Fachdiskussionen für fundierte Erkenntnisse führen. Praxis ohne Rechtsdogmatik? Rechtsdogmatik ohne Praxis? Wir wollen/sollen doch alle durch fortentwickeltes Recht unser Zusammenleben erleichtern. Wissenschaftler und auch Praktiker sollten nicht so tun, als lebten sie in verschiedenen Welten. Wir leben alle in einer Welt.
Die Praxis hat viele Facetten. Und die Wissenschaft auch. Das will und kann ich hier nicht abschließend beleuchten. In der Praxis geht es vermehrt um Anwendung. Der Wissenschaft geht es vor allem um Erkenntnisse und ggf. Innovationen. Altes und neues Wissen wird dokumentiert und für bestimmte Adressaten aufbereitet. Erkenntnisse und bisheriges Wissen werden überprüft. Das geschieht im Idealfall methodisch sauber, verständlich, nachvollziehbar mit Begründungen, Belegen sowie Quellen und natürlich objektiv.
Zusammenfassend kenne ich, ein Bonmot zu klassischer Musik und zu Unterhaltungsmusik abwandelnd, nur gute und schlechte Fachbeiträge. Das gilt für Professoren- wie für Praktikerbeiträge. Deshalb werden wir auch in dieser praxisorientierten Zeitschrift zum Stiftungsrecht weiter sehr gerne fundierte Fachbeiträge aus der Praxis veröffentlichen, und das auch, wenn der wissenschaftliche Apparat (Nachweise) hier nicht im Vordergrund steht. Entscheidend ist, dass die Meinungen und Erkenntnisse gut begründet sind.
Herzlichst Ihr
Dr. K. Jan Schiffer | Rechtsanwalt