· Nachricht · Editorial Oktober 2020
Stiftungen und das Problem des fehlenden „Nachwuchses“
| Jüngst konnte man vermehrt Beiträge zum politischen Ehrenamt lesen. Ein solches Amt sei aufwändig und wenig lukrativ. Man müsse sich nicht wundern, wenn es dort kaum Nachwuchs gäbe. Entsprechendes gilt bei Stiftungen, bei der ehrenamtlichen Mitgliedschaft in Stiftungsorganen (Vorstand und Stiftungsrat), aber auch bei sonstigen ehrenamtlichen Mitstreitern. Kaum eine Stiftung ist so einkommensstark, dass sie sich hauptamtliche Mitarbeiter leisten kann. Das Ehrenamt ist in der Stiftungswelt der Normalfall. Wir sind zunehmend mit Fällen befasst, in denen sich keine Nachfolger für ausscheidende Ehrenamtler mehr finden. Woran liegt das? Einige Gründe lassen sich ohne Weiteres identifizieren: |
Die Anforderungen an einen Ehrenamtler, etwa in einem Stiftungsvorstand, sind in den letzten Jahren gestiegen ‒ und damit auch das Haftungsrisiko. Ich nenne nur das komplizierte Gemeinnützigkeitssteuerrecht und die zunehmende Compliance-/Haftungsdiskussion. Da hilft auch das Haftungsprivileg in § 86 BGB in Verbindung mit § 31a BGB mit der Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit wenig. Selbst der Fachmann kann hier nur eine möglichst fundierte Meinung vertreten, die sich nicht zwangsläufig mit der eines Gerichts deckt. Es herrscht eine gewisse Unsicherheit. D&O-Versicherungen, die hier ggf. sinnvoll wären, kann sich eine Durchschnittsstiftung nicht leisten.
Auch professionelle Unterstützung lässt sich kaum ohne Honorar generieren: Die Stiftungsaufsichtsbehörden sind tendenziell überbelastet, können also kaum zusätzlich beraten. Professionelle Anbieter am Markt können nur bedingt „pro bono“ tätig sein. Hinzu kommt, dass sich nach unserer Erfahrung gerade jüngere Menschen gerne in Projekten engagieren, aber nicht unbedingt langfristig für ein Ehrenamt einbinden lassen.
In der Stiftungswelt wird man neue Wege finden müssen, um nicht Stiftungen neben dem Problem der fehlenden Erträge auch noch an dem Problem des fehlenden „Nachwuchses“ scheitern zu lassen. Hier ist insbesondere der Bundesverband Deutscher Stiftungen aufgerufen, die Situation näher zu untersuchen und Lösungen zu entwickeln. Vielleicht lässt sich etwa eine preiswerte D&O-Versicherung entwickeln. Die Beraterschaft kann im Einzelfall auch einmal helfen, aber kaum eine grundsätzliche Lösung herbeiführen. Gelöst werden muss das Problem, damit wir nicht künftig auf das Engagement in kleineren und mittleren Stiftungen verzichten müssen.
Bleiben Sie gesund, auf Abstand und wohlgemut!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. K. Jan Schiffer | Rechtsanwalt