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  • · Fachbeitrag · Falllösung

    Richter entscheiden - sollten sie jedenfalls

    von Dr. K. Jan Schiffer, Bonn

    | Vor einiger Zeit habe ich von einem Vorsitzenden Richter zu einer steuerrechtlichen Spezialfrage einen Satz gehört, das mir bis heute nicht aus dem Kopf geht: „Ich würde ja gerne helfen, aber ich bin an Recht und Gesetz gebunden.“ |

     

    1. Wer entscheidet - Richter oder Gesetzgeber?

    Drückt sich da jemand um seine Verantwortung? Da habe ich ganz wenig Zweifel. Die Anwendung von Recht und Gesetz heißt doch letztlich nichts anderes, als ausgehend von der betreffenden Rechtsnorm rechtliche Wertungen oder Abwägungen vorzunehmen, ob der spezifische Sachverhalt unter die Regel passt oder nicht. Wir Juristen nennen das Subsumtion. Aus dem Sachverhalt ist eine Schlussfolgerung bezogen auf die infrage stehende Rechtsregel zu ziehen. Mithin steht die Entscheidung nicht von vorneherein wirklich fest. „Helfen zu wollen“, ist dabei übrigens kein Kriterium! Es geht um die Subsumtion als (Be-)Wertungsvorgang. Wer, wie der oben zitierte Richter, suggeriert, einen solchen Wertungsvorgang gebe es nicht, weil er als Richter an die Entscheidung des Gesetzgebers gebunden sei, die für den konkreten Fall ohne Weiteres feststehe, erweckt zumindest den Eindruck, er wolle sich vor der ihm obliegenden Wertungsentscheidung drücken. Er legt damit zugleich den Gedanken nahe, er wolle keine Verantwortung für Subsumtion übernehmen.

     

    2. Wie wird entschieden?

    Da gibt uns Fritjof Haft, ein bekannter Rechtslehrer, eine wichtige Hilfe an die Hand. Er hat in seiner „Einführung in das juristische Lernen“ die sogenannte Normalfallmethode zur Lösung von Problemfällen dargestellt. Diese bietet jenseits der klassischen rechtswissenschaftlichen Methodenlehre eine praktische Denkhilfe. Sie führt im Idealfall zu Fall-Lösungen, zu überzeugenden Argumentationen und Begründungen sowie auch zu Ansätzen für Gestaltungen von Verträgen und Satzungen. Die Methode geht in ihrer Reinform, die ich hier etwas abwandele, vom Normalfall aus: Man macht sich diesen und dessen Lösung bewusst, d.h., man blickt auf den Standardfall der jeweiligen Norm.

      Führen diese extremen Sachverhaltsdetails zu neuen, zusätzlichen Lösungsansätzen für die Organstruktur der Stiftung? Das dürfte angesichts dieser engagierten Menschenmasse tatsächlich so sein. Man könnte in einem ersten Schritt wie folgt überlegen: Die 1.000 Menschen können ersichtlich weder alle in den Vorstand noch in den Stiftungsrat. Welche Rechtsform ist als vergleichbarer Normalfall geeignet und welchen Lösungsansatz bietet diese Rechtsform? Ein Verein oder eine AG wären geeignet. Dort finden sich die Mitgliederversammlung und die Aktionärsversammlung. Ein ähnlicher Gedanke wäre eine „Stifterversammlung“. Diese könnten wir auch für unsere fünf Stifter nutzen, die gegebenenfalls ihre fünf Familien in der Stifterversammlung dauerhaft vertreten sehen wollen. In einem zweiten Schritt wäre zu überlegen, welche Rechte die Stifterversammlung haben könnte. Sie könnte z.B. die drei Stiftungsratsmitglieder wählen, die dann ihrerseits die Vorstandsmitglieder bestimmen. Den Extremfall gibt es natürlich schon in der Praxis: Es ist die Bürgerstiftung. Diese wäre übrigens aus meiner Sicht oftmals besser ein Verein. Aber Stiftung klingt besser, oder?