· Fachbeitrag · Gläubigertaktik
So vollstrecken Sie als Insolvenzgläubiger nach Verfahrensaufhebung
| In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass ein Insolvenzverfahren entweder aufgehoben bzw. eingestellt wird. Für beteiligte Insolvenzgläubiger stellt sich dann die Frage, wie es weitergeht. Kann man weiter vollstrecken und wenn ja, wie läuft das Prozedere ab? Der folgende Beitrag gibt die Antwort. |
1. Grundsatz: Recht zur unbeschränkten Nachforderung
§ 201 Abs. 1 InsO regelt, dass Insolvenzgläubiger nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen, das heißt nicht befriedigten bzw. teilweise befriedigten Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen können. Insolvenzgläubiger sind alle persönlichen Gläubiger, die einen zurzeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Dies gilt unabhängig davon, ob sie am Verfahren durch Anmeldung ihrer Forderung teilgenommen haben oder nicht.
2. Tabelleneintrag wirkt wie rechtskräftiges Urteil
Die Eintragung der beim Insolvenzverwalter angemeldeten Insolvenzforderung in die Insolvenztabelle wirkt zunächst dem Rang und Betrag nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). Der Eintrag in die Insolvenztabelle hat somit die Wirkung eines vollstreckbaren Titels (§ 201 Abs. 2 InsO), wenn
- der Schuldner der Forderung im Prüfungstermin nicht widersprochen hat,
- der Widerspruch des Schuldners gegen die Forderung vor Aufhebung des Verfahrens zurückgenommen wurde oder
- der Widerspruch des Schuldners gegen die Forderung durch Feststellungsklage beseitigt wurde; hierbei muss allerdings zwischen nicht titulierter und bereits titulierter Forderung unterschieden werden (s.u., S. 139).
3. Vereinfachter Titelerwerb: vollstreckbarer Tabellenauszug
Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können nach Verfahrensaufhebung somit aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 201 Abs. 2 S. 1 InsO). Dasselbe gilt im Falle einer Verfahrenseinstellung nach §§ 207, 211, 212, 213 InsO (vgl. § 215 Abs. 2 InsO).
Wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben und die Erteilung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin angekündigt (§ 291 InsO), kann ebenfalls ein vollstreckbarer Tabellenauszug erteilt werden.
Achtung | Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden (§ 201 Abs. 2 S. 3 InsO). Ein vorher gestellter Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
4. Notwendige Unterscheidung: Forderung tituliert oder nicht?
Hinsichtlich des weiteren Vorgehens eines Gläubigers nach Verfahrensaufhebung muss unterschieden werden, ob der Gläubiger seine Forderung bereits tituliert hatte oder nicht.
a) Forderung war bereits tituliert und Gläubiger meldet Forderung an
Hatte der Insolvenzgläubiger zum Zeitpunkt der Anmeldung seiner Forderung bereits über einen Vollstreckungstitel verfügt, beseitigt die Eintragung der Forderung in die Insolvenztabelle diesen Titel. Dies führt dazu, dass aus diesem bereits vorhandenen Titel nicht mehr vollstreckt werden darf, soweit dieser durch den Tabelleneintrag „aufgezehrt“ wird (BGH NZI 06, 536). Vollstreckt der Gläubiger dennoch aus dem Ursprungstitel, kann der Schuldner hiergegen mittels Erinnerung gemäß § 766 ZPO vorgehen.
Ist zugunsten des Gläubigers die Forderung bereits tituliert und erhebt der Schuldner hiergegen Widerspruch, kann die Zwangsvollstreckung zunächst aus dem bereits vorhandenen Titel ungeachtet des erfolgten Schuldnerwiderspruchs fortgesetzt werden. Grund: Nach § 184 Abs. 2 InsO muss der Schuldner bei einem Widerspruch gegen eine bereits titulierte Forderung diesen Widerspruch selbst durch Feststellungklage beseitigen. Hierzu hat er eine Frist von einem Monat beginnend mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung. Folge: Nach fruchtlosem Fristablauf kann dem Tabellengläubiger ein vollstreckbarer Auszug aus der Insolvenztabelle erteilt werden, was dann wiederum dazu führt, dass der bereits vorhandene Titel in Höhe des festgestellten Betrags „aufgezehrt“ wird (BGH NZI 06, 536).
Der bisherige alte Titel dient auch weiterhin als Grundlage einer Zwangsvollstreckung, soweit dort enthaltene titulierte Ansprüche nicht durch eine Anmeldung zur Insolvenztabelle erfasst werden. In der Praxis werden hiervon regelmäßig die ab Verfahrenseröffnung anfallenden Zinsen erfasst. Diesbezüglich kann also aus dem alten Titel weiter vollstreckt werden.
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Gläubiger G. hat eine mit Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung nebst 10 Prozent Zinsen seit dem 15.4.08. Am 17.3.11 wird über das Vermögen des Schuldners S. das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Forderung nebst Zinsen wurde in die Insolvenztabelle eingetragen. Das Verfahren wird am 21.7.12 mangels Masse aufgehoben. Lösung: Hinsichtlich der Hauptforderung und der titulierten Zinsen bis zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung (17.3.11) dient als weitere Vollstreckungsgrundlage der vollstreckbare Auszug aus der Insolvenztabelle (§ 201 Abs. 2 InsO). Hinsichtlich der Zinsen nach Verfahrenseröffnung, das heißt ab dem 18.3.11, dient als Vollstreckungsgrundlage weiterhin der Vollstreckungsbescheid. |
PRAXISHINWEIS | Der Gläubiger muss also tunlichst darauf achten, dass der durch ihn der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts vorzulegende Originaltitel (vgl. § 178 Abs. 2 S. 3 InsO) nur in dem Umfang zu entwerten ist, als die Forderung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgt ist. |
b) Forderung war bereits tituliert, Gläubiger meldet Forderung nicht an
Ist der Gläubiger Insolvenzgläubiger und hat er es versäumt, seine Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden, kann mangels Eintragung in die Insolvenztabelle der alte Titel nicht „aufgezehrt“ werden. Insofern bleibt ihm der alte Titel als Vollstreckungsgrundlage erhalten.
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Gläubiger G. hat eine durch Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung in Höhe von 2.000 EUR nebst 10 Prozent Zinsen seit dem 15.4.08. Am 17.3.11 wird über das Vermögen des Schuldners S. das Insolvenzverfahren eröffnet. G. meldet seine Forderung nicht zum Insolvenzverfahren an. Das Verfahren wird am 21.7.12 mangels Masse aufgehoben. Lösung: Hinsichtlich der Hauptforderung und der titulierten Zinsen dient als Grundlage der Zwangsvollstreckung weiterhin der Vollstreckungsbescheid. |
c) Gläubiger hat keine titulierte Forderung
Ist die Forderung des Gläubigers nicht tituliert, bildet nur der vollstreckbare Auszug aus der Insolvenztabelle für den Gläubiger die weitere Vollstreckungsgrundlage.
Achtung | Erhebt der Schuldner gegen die angemeldete Forderung Widerspruch, tritt die o.g. Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags zunächst solange nicht ein, bis der Gläubiger Klage auf Feststellung erhoben hat (Mock, VE 10, 191). Der Gläubiger muss somit auf jeden Fall vor einer weiteren Zwangsvollstreckung eine Feststellungsklage siegreich bestreiten (§ 184 Abs. 1 InsO).
5. Widerspruch gegen Deliktsforderung
Liegt der Forderung des Gläubigers (auch) eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde, darf dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Insolvenztabelle nur erteilt werden, wenn die Insolvenztabelle einen weiteren Rechtsgrund, z.B. Forderung aus Darlehen, Kaufvertrag etc. ausweist und der Widerspruch sich gegen den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung richtet und aus der Tabelle ersichtlich ist.
Achtung |Entscheidend ist, ob die Deliktsforderung durch Urteil tituliert ist. Bei einer Titulierung gilt der Widerspruch als nicht erhoben, wenn der Schuldner nicht rechtszeitig binnen Monatsfrist Feststellungsklage erhebt (§ 184 Abs. 2 InsO). Ist der Deliktsanspruch nicht tituliert, obliegt es dem Gläubiger den Widerspruch durch Feststellungsklage zu beseitigen (§ 184 Abs. 1 InsO).
6. Verfahren zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung
Den Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle muss der Gläubiger nach Verfahrensaufhebung beim Insolvenzgericht stellen (§ 201 Abs. 2 S. 3 InsO).
PRAXISHINWEIS | Auch während der Wohlverhaltensperiode ist dem Gläubiger auf Antrag ein vollstreckbarer Tabellenauszug zu erteilen. Das Vollstreckungsverbot in § 294 Abs. 1 InsO steht dem nicht entgegen (LG Leipzig NZI 06, 603). Grund: Der Gläubiger ist nicht gehindert, vorbereitende Maßnahmen einzuleiten, um die Zwangsvollstreckung durchzuführen, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird. Zum einen tritt die Restschuldbefreiung erst durch die Entscheidung des Insolvenzgerichts nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärungen ein, zum anderen kann sie unter den Voraussetzungen des § 303 InsO widerrufen werden. In diesen Fällen bleiben die im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten bestehen und der Gläubiger soll in einem solchen Fall die Möglichkeit haben, sofort mittels Einzelzwangsvollstreckung gegen den Schuldner vorzugehen. |
Befindet sich der Gläubiger bereits im Besitz eines vollstreckbaren Titels, muss er diesem seinem Antrag beifügen. Grund: Die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts muss nach § 178 Abs. 2 S. 3 InsO auf dem bisherigen Titel die Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren vermerken. In der Praxis wird allerdings die vollstreckbare Ausfertigung mit dem Tabellenblatt fest verbunden. So soll verhindert werden, dass über ein und dieselbe Forderung mehrere Vollstreckungstitel vorliegen. Die Geschäftsstelle (Urkundsbeamter der Geschäftsstelle) bringt sodann auf dem Tabellenblatt die Vollstreckungsklausel an (§ 725 ZPO). Hierbei wird der vollstreckbare Betrag entweder in der Klausel bezeichnet oder aber auf die Insolvenztabelle Bezug genommen. Im Rahmen einer Insolvenzquote erfolgte Zahlungen werden dabei in Abzug gebracht. Auf der Urschrift des jeweiligen Tabellenblattes muss dann die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung vermerkt werden.
7. Besonderheit: Rechtsnachfolgeklausel
Antragsberechtigt zur Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs ist auch ein Rechtsnachfolger des eingetragenen Gläubigers (§§ 727, 750 ZPO). In diesem Fall muss der Gläubiger unbedingt darauf achten, dass die vollstreckbare Ausfertigung durch den Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RpflG) erteilt wird. Sonst kann ein formelles Verfahrenshindernis durch den Schuldner geltend gemacht werden, das die Vollstreckung zumindest anfechtbar macht. Der Rechtspfleger erteilt bei Vorliegen der Voraussetzungen die vollstreckbare Ausfertigung des Tabellenblattes. Hierbei muss er angeben, mittels welcher öffentlichen bzw. öffentlich beglaubigten Urkunden die Rechtsnachfolge nachgewiesen wurde. Eine Ausnahme besteht im Falle einer Offenkundigkeit.
8. Zustellung
Da durch die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle für den Gläubiger ein Titel geschaffen wird, ist darauf zu achten, dass dieser auch gemäß § 750 ZPO an den Schuldner im Parteibetrieb, also durch den Gerichtsvollzieher (§ 192 Abs. 1 ZPO) zugestellt werden muss. Im Fall einer Rechtsnachfolgeklausel muss, sofern die Vollstreckungsklausel aufgrund öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt sein oder gleichzeitig mit ihrem Beginn zugestellt werden (§ 750 Abs. 2 ZPO).
Musterformulierung / Antrag auf Erteilung eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle |
An das AG - Insolvenzgericht - ... In Sachen: ..., Az. ..., überreiche ich in der Anlage Vollmacht vom ... und (alternativ: Originaltitel - genaue Bezeichnung) und beantrage: die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Insolvenztabelle für die zugunsten des … als Gläubiger eingetragene und festgestellte Forderung. Gründe Durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom … wurde das Verfahren (Zutreffendes auswählen) aufgehoben/eingestellt/die Restschuldbefreiung angekündigt. Gemäß § 201 Abs. 1 InsO ist der Antragsteller als Insolvenzgläubiger nach der Aufhebung bzw. Einstellung des Insolvenzverfahrens berechtigt, seine restlichen, das heißt nicht befriedigten bzw. teilweise befriedigten Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend zu machen. Insofern ist dem zulässigen Antrag stattzugeben. Es wird gebeten darauf zu achten, dass der beigefügte Originaltitel nur in dem Umfang zu entwerten ist, als die Forderung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgt und dort festgestellt ist (vgl. § 178 Abs. 2 S. 3 InsO). Rechtsanwalt |
Musterformulierung / Antrag auf Erteilung eines vollstreckbaren Auszugs bei Rechtsnachfolge |
An das AG - Insolvenzgericht - ... In Sachen: ..., Az. ..., überreiche ich in der Anlage Vollmacht vom ... und (alternativ: Originaltitel - genaue Bezeichnung) und beantrage: die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Insolvenztabelle (Zutreffendes auswählen)
Gründe Durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom … wurde das Verfahren (Zutreffendes auswählen) aufgehoben/eingestellt/die Restschuldbefreiung angekündigt. Gemäß § 201 Abs. 1 InsO ist der Antragsteller als Insolvenzgläubiger nach der Aufhebung bzw. Einstellung des Insolvenzverfahrens berechtigt, seine restlichen, das heißt, nicht befriedigten, bzw. teilweise befriedigten Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend zu machen. Insofern ist dem zulässigen Antrag stattzugeben. Zum Nachweis der Erbfolge füge ich den durch das AG ... erteilten Erbschein des AG ... vom ..., Az: … bei. Es wird gebeten darauf zu achten, dass
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