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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    BGH: Ersatz von Mietwagenkosten trotz geringer Fahrleistung ist möglich

    • 1.Zwar kann sich daraus, dass ein angemietetes Ersatzfahrzeug nur für geringe Fahrleistungen benötigt wird, die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung ergeben. Doch kann im Einzelfall die Erforderlichkeit der Anmietung deshalb zu bejahen sein, weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist.
    • 2.Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann demjenigen Geschädigten zustehen, der Ersatz der Kosten für einen Mietwagen nicht beanspruchen kann. Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann im Rechtsstreit (konkludent) hilfsweise geltend gemacht werden, ist aber auf Zahlung an den Geschädigten, nicht auf Freistellung von den Kosten des Vermieters gerichtet. Das Gericht hat insoweit auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken.

    (BGH 5.2.13, VI ZR 290/11, Abruf-Nr. 130926)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach einem Unfall mit voller Einstandspflicht der Bekl. mietete die Kl. v. 9.4. bis 11.7.08 ein Ersatzfahrzeug. Damit fuhr sie nur 553 km (ca. 6 km pro Tag). Als Grund für die geringe Benutzung gab sie Schwierigkeiten bei der Bedienung des Mietfahrzeugs an. Auf die Rechnung über 5.390,95 EUR zahlte die Bekl. 1.395 EUR, wobei sie von fiktiven Taxikosten von 15 EUR täglich ausging. Mit ihrer Klage verlangte die Kl., von der Rechnung des Autovermieters in Höhe des Restbetrages (3.995,95 EUR) freigestellt zu werden. Das AG hat dem Freistellungsantrag nur im Umfang von 1.860 EUR stattgegeben und insoweit einen Anspruch auf (pauschale) Nutzungsausfallentschädigung anerkannt. Das LG (ER) hat die Klage auf die Berufung der Bekl. vollständig abgewiesen und die Anschlussberufung zurückgewiesen. Der BGH hat das Urteil aufgehoben.

     

    Nach Ansicht des BGH hat das LG die Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten zu Unrecht verneint. Zwar könne sich daraus, dass ein Fahrzeug nur für geringe Fahrleistungen benötigt werde, die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs ergeben. Bei gewissen Sachverhalten könne aber allein die Notwendigkeit der ständigen Verfügbarkeit eines Kfz. die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs rechtfertigen, ohne dass es auf die gefahrene Strecke ankomme. Dazu habe der Geschädigte konkret vorzutragen. Im weiteren Verfahren müsse das LG ggf. auch prüfen, ob die Kl. den Mietvertrag habe aufrechterhalten dürfen, als sie ihre Probleme beim Fahren mit dem Mietwagen feststellte. Einiges spreche für die Richtigkeit des (Hilfs-)Arguments des LG, die Kl. habe auf eine Fortsetzung des Mietvertrags verzichten müssen.

     

    Abschließend geht der BGH auf die Frage ein, ob einem Geschädigten, der Ersatz von Mietwagenkosten nicht beanspruchen könne, zumindest eine pauschale Nutzungsentschädigung zugesprochen werden könne. Das LG hat das mit einer Begründung verneint, die der BGH in mehrfacher Hinsicht für fehlerhaft hält. Die Ansicht des BGH ergibt sich aus dem Leitsatz 2.

     

    Praxishinweis

    Der Fall zeigt einmal mehr, dass nichtspezialisierte Berufungskammern schon in relativ einfachen Unfallsachen häufig überfordert sind. Dann auch noch durch den Einzelrichter zu entscheiden, macht die Sache nicht besser, im Gegenteil. Schonungslos deckt der BGH Fehler für Fehler auf. Für den Anwalt des Geschädigten bleibt als Fazit: Wenn der Mandant noch keinen Mietwagen genommen hat, muss das Thema „Fahrbedarf“ angesprochen werden, zumal bei längeren Ausfallzeiten (Reparaturzeit hier: 93 Tage) und/oder bei hochpreisigen Fahrzeugen. Bei weniger als 20 km pro Tag kann ein Verzicht auf einen Mietwagen ratsam sein, U 20 ist aber kein zwingendes Ko-Kriterium. Nur: Zur Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Mietwagens (ständige Verfügbarkeit) muss so konkret wie möglich vorgetragen werden. Dem Gericht muss klar gemacht werden, dass ÖPNV bzw. Taxis in der konkreten Situation des Mandanten keine zumutbaren Alternativen waren. Merkformel: K - K - K (Küche/Einkaufen - Kinder - Krankenhaus).

     

    Erfährt der Anwalt während der laufenden Mietzeit, dass sein Mandant wider Erwarten nur sehr wenig mit dem Mietwagen fährt, muss ein Verzicht oder ein Wechsel auf einen billigeren Ersatzwagen ernsthaft in Betracht gezogen werden, siehe Rn. 17 des BGH-Urteils.

     

    Was der BGH abschließend zum Verhältnis von Mietwagenkostenersatz und pauschaler Nutzungsausfallentschädigung sagt, geht in erster Linie an die Adresse der Gerichte. Für den Anwalt auf der Geschädigtenseite sollte es sich von selbst verstehen, dass er bei dem Grunde nach „wackeligen“ Mietwagenkosten hilfsweise die Tabellenentschädigung geltend macht (insoweit Zahlung an den Mandanten, keine Rechnungsfreistellung).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Siehe auch die Praxishinweise zu AG Bremen VA 13, 40 („Mietwagen auch für Rentner“) und LG Wuppertal VA 12, 127 (statt Porsche Taxi), ferner AG Rendsburg 19.2.13, 3 C 569/12, Abruf-Nr. 131512 (22 km reichen, wenn Kinder zu fahren sind).
    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 91 | ID 39545280