Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mietprozess

    Richtig klagen in Mietstreitigkeiten: Besondere Verfahrensarten und Vollstreckung

    von RA Axel Wetekamp, RiAG a.D., München

    | Der Mietprozess stellt besondere Anforderungen an die Bestimmung des Verfahrensgegenstands und die Voraussetzungen einer Klage. Der folgende Beitrag zeigt das richtige Vorgehen bei besonderen Verfahrensarten und in der Zwangsvollstreckung. |

    1. Besondere Verfahrensarten

    Bezogen auf mietrechtliche Streitigkeiten sind hier der Urkundenprozess und das selbstständige Beweisverfahren zu nennen.

     

    a) Urkundenprozess

    Im Urkundenprozess wird ein Anspruch auf Geldzahlung in der Weise geltend gemacht, dass die zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen nur durch Urkunden bewiesen werden (§ 592 ZPO). Im Mietprozess ist der Vorteil für den Vermieter, dass Einwendungen gegen den in dieser Weise geltend gemachten Anspruch ebenfalls nur durch Urkunden erhoben werden können (§ 598 ZPO) und eine Widerklage nicht statthaft ist. So erlangt der Vermieter auf einfache Weise einen vollstreckbaren Titel in Form des Vorbehaltsurteils nach § 599 ZPO. Nach BGH WuM 05, 526 ist der Urkundsprozess auch im Wohnraummietrecht zulässig.

     

    • Beispiel

    Wohnungsmieter M schuldet seinem Vermieter V einige Monatsmieten. Diese klagt V im Urkundsverfahren ein. Zum Beweis legt er den Mietvertrag vor, aus dem sich seine Vermieterstellung und die monatlich geschuldete Miete ergeben. Ist über die im Vertrag vereinbarte Miete hinaus mittlerweile eine Anpassung, z.B. in Form einer Mieterhöhung, erfolgt, muss V auch diese Mieterhöhung durch Urkunden belegen, also gegebenenfalls das Mieterhöhungsverlangen und das Zustimmungsschreiben des M vorlegen. Ergibt sich die Mietereigenschaft des M nicht aus dem Vertrag, muss auch insoweit der Beweis durch Urkunden geführt werden. Falls z.B. der gegenwärtige Mieter Erbe des verstorbenen M ist, der noch im Vertrag steht, muss gegebenenfalls der Erbschein vorgelegt werden. Alle Urkunden müssen im Original vorgelegt werden.

     

    Das im Urkundenprozess ergehende Urteil ist zwar ein vorläufig vollstreckbarer Titel, es handelt sich aber nur um ein Vorbehaltsurteil. Dies bedeutet, dass in dem Urteil dem Mieter die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten wird. Nachdem das Vorbehaltsurteil verkündet worden ist, wird das Verfahren deshalb von Amts wegen fortgesetzt und der Mieter kann sich mit allen Einwendungen und Beweismitteln des ordentlichen Verfahrens verteidigen. Die Beschränkung von Urkunden als Beweismittel gilt nicht mehr.

     

    b) Selbstständiges Beweisverfahren

    Das selbstständige Beweisverfahren soll eine - vorgezogene - Beweisaufnahme ermöglichen. Ist noch kein Prozess anhängig, dient es dazu, die Begutachtung durch einen Sachverständigen außerhalb eines Streitverfahrens zu ermöglichen (§ 485 Abs. 1, 2 ZPO). Während eines Streitverfahrens ist Voraussetzung der selbstständigen Beweisaufnahme, dass entweder der Gegner des Antragstellers der Beweisaufnahme zustimmt oder die Gefahr besteht, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

    • Beispiel

    Ein Zeuge ist schwer erkrankt und droht zu versterben. Seine Vernehmung kann nach § 485 Abs. 1 ZPO auf Antrag des Beweisführers angeordnet werden.

     

    Außerhalb eines Prozesses ist Voraussetzung, dass ein rechtliches Interesse an der Begutachtung durch einen Sachverständigen besteht. Dies liegt vor allem vor, wenn die Beweiserhebung der Vermeidung eines Rechtsstreits dient (§ 485 Abs. 2 S. 2 ZPO). Nach § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO können nur die im Gesetz genannten Feststellungen begutachtet werden. Die Beweiserhebung steht einer solchen vor dem Prozessgericht gleich (§ 493 ZPO). Der Gegner kann nach § 494a ZPO den Antragsteller - wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist - durch Antrag bei Gericht zwingen, entweder binnen bestimmter Frist Klage zu erheben oder die ihm entstandenen Kosten zu tragen.

    2. Zwangsvollstreckung

    Die Zwangsvollstreckung setzt zunächst einen Antrag voraus. Falls der Gerichtsvollzieher vollstreckt, wird der Antrag hier Vollstreckungsauftrag genannt. Ob der Gläubiger einen Vollstreckungsauftrag erteilt, steht in seinem Belieben. Von der Form her kann der Vollstreckungsauftrag

    • schriftlich,
    • in elektronischer Form oder
    • mündlich erteilt werden.

     

    Gleichzeitig ist die vollstreckbare Ausfertigung dem Gerichtsvollzieher zu übermitteln. In dessen Beauftragung liegt gleichzeitig der Auftrag, Zahlungen oder sonstige Leistungen in Empfang zu nehmen (§ 754 ZPO). Vollstreckt werden darf grundsätzlich nur in das Vermögen des Schuldners, nicht Dritter.

     

    a) Räumungstitel

    Voraussetzung für einen Räumungsauftrag an den Gerichtsvollzieher ist ein Räumungstitel. Dieser muss die Personen, gegenüber denen vollstreckt werden soll und die Mieträume genau bezeichnen.

    • Beispiel

    Die Beklagten M und F werden verurteilt, die Wohnung in München, Hauptstraße Nr. 1, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad, WC, mit Kellerraum Nr. 5 und Tiefgaragenstellplatz Nr. 5 zu räumen und an V herauszugeben.

     

    Grundsätzlich ist ein Räumungstitel gegen alle Mitbesitzer erforderlich. Werden die Mieträume von mehreren Personen bewohnt, ist zu differenzieren.

     

    • Die Räumungsklage muss von allen Vermietern gegenüber allen Mietern und zusätzlich gegenüber allen volljährigen Personen in den Mieträumen, auch wenn sie nicht Mieter sind, erhoben werden (BGH NZM 08, 400; OLG Schleswig WuM 92, 674), damit auch der Räumungstitel entsprechend lautet.

     

    • Gegenüber minderjährigen Kindern des Mieters besteht für die Erhebung der Räumungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis (LG Lüneburg NZM 98, 232). Gegen erwachsene Kinder, die die Wohnung bereits als Minderjährige bewohnt haben, ist kein Titel erforderlich.

     

    • Sind die Mieträume im Besitz eines Dritten, gegen den kein Titel vorliegt, ist gegen ihn die Zwangsräumung nicht zulässig. Dies gilt auch, wenn der Verdacht besteht, dass ihm der Besitz eingeräumt wurde, um die Zwangsräumung zu vereiteln (BGH NZM 08, 805). Nach § 940a Abs. 2 ZPO n.F. ist jetzt eine Räumung durch einstweilige Verfügung möglich, wenn der Vermieter erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung von dem Dritten erfährt.

     

    b) Räumungsfristen

    Das Gericht kann nach § 721 ZPO dem Wohnraummieter auf Antrag oder von Amts wegen eine angemessene Räumungsfrist gewähren und gegebenenfalls verlängern. Die Räumungsfrist darf auch bei Verlängerung ein Jahr ab Rechtskraft des Urteils nicht übersteigen. Eine Räumungsfrist kommt bei Mietverhältnissen nach § 549 Abs. 2, Nr. 3 BGB sowie bei Zeitmietverträgen nach § 575 BGB nicht in Betracht. Endet ein Zeitmietvertrag durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden (§ 721 Abs. 7 S. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Gewährung von Räumungsfrist sind die Interessen von Mieter und Vermieter gegeneinander abzuwägen. Beim Mieter kommt es u.a. auf das Bereitstehen von Ersatzwohnraum an (Unzumutbarkeit eines Zwischenumzugs). Dem Vermieter ist die Gewährung von Räumungsfrist nicht zumutbar, wenn die Zahlung der laufenden Mieten für die Dauer einer beantragten Räumungsfrist nicht gesichert ist (OLG Stuttgart NZM 06, 880).

     

    Für den Mieter ist wichtig, dass er nach Schluss der mündlichen Verhandlung keinen Antrag auf Räumungsfrist mehr stellen kann, da ein Fall des § 721 Abs. 2 ZPO in der Regel nicht gegeben ist. Möglich ist lediglich die sofortige Beschwerde gegen die Versagung einer Räumungsfrist im Urteil, die jedoch zeitgerecht innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Urteils eingelegt werden muss oder ein Räumungsschutzantrag im Vollstreckungsverfahren nach § 765a ZPO, für den das Vollstreckungsgericht zuständig ist. Bei einem Räumungsvergleich gilt § 794a ZPO. Die Räumungsfrist kann gemäß § 721 Abs. 3 ZPO auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Liegt ein Räumungsvergleich zugrunde, kann die Räumungsfrist nur aufgrund von nach Vergleichsabschluss entstandenen neuen Gründen verlängert werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 174 | ID 39688270