· Fachbeitrag · Gebührenmanagement
Fallstricke bei der Forderung eines Vorschusses
von RA Norbert Schneider, Neunkirchen
| Während nach dem BGB eine Forderung sofort fällig wird (§ 271 BGB), wird die Vergütung des Anwalts erst fällig, wenn die Angelegenheit erledigt oder beendet ist (§ 8 Abs. 1 S. 1 RVG). Der Anwalt ist also vorleistungspflichtig. Damit er nicht das Risiko tragen muss, vorzuleisten, ohne später seine Vergütung zu erhalten, steht ihm nach § 9 RVG das Recht auf einen Vorschuss zu. Die folgende Rechtsprechungsübersicht stellt klar, worauf Sie achten müssen, um bei der Vorschussforderung keine Vergütung zu verlieren. |
1. Unterscheiden Sie formal Vorschuss und Schlussrechnung
Dass der Anwalt vorleistungspflichtig ist, folgt schon aus § 10 RVG, wonach eine Berechnung - ohne die eine Vergütung nicht einforderbar ist - erst nach Fälligkeit erstellt werden darf. In gerichtlichen Verfahren können zusätzlich besondere Fälligkeiten bei Abschluss der Instanz, Erlass einer Kostenentscheidung oder wenn das Verfahren seit mehr als drei Monaten ruht, zu beachten sein, § 8 Abs. 1 S. 2 RVG.
Im Gegensatz zu der (Schluss-) Rechnung bedarf der Vorschuss keiner besonderen Form (AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl., § 9 Rn. 74). Zweckmäßig ist es allerdings, den Vorschuss in der äußeren Form einer Rechnung anzufordern, da dies zum einen Transparenz schafft und der Mandant nach bürgerlichem Recht einen Anspruch auf einen ordnungsgemäßen Beleg hat. Ist der Mandant zum Vorsteuerabzug berechtigt, benötigt er eine Berechnung des Vorschusses, die ihm den Vorsteuerabzug ermöglicht. Insbesondere ist auch die Angabe einer laufenden Rechnungsnummer nötig, da auch ein Vorschuss eine Rechnung im Sinne des UStG darstellt.
Wichtig | Es ist unbedingt darauf zu achten, dass ein Vorschuss niemals als „Rechnung“ bezeichnet wird. Nach der Rechtsprechung verliert der Anwalt andernfalls damit sein Bestimmungsrecht nach § 14 Abs. 1 RVG, sofern Rahmengebühren abzurechnen sind. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass bereits der äußere Schein einer Schlussrechnung ausreiche, also der Schein, das Bestimmungsrecht ausgeübt zu haben, um den Anwalt an die abgerechnete Höhe der Gebühr oder des Gebührensatzes zu binden.
|
Wenn ein Rechtsanwalt vor der Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs (bei der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten in einer Arzthaftungssache) eine Rahmengebühr (hier: 1,3-Geschäftsgebühr) anfordert, ohne dabei kenntlich zu machen, dass es sich nur um einen Honorarvorschuss handelt, bleibt er bei seiner Schlussrechnung an den abgerechneten Gebührensatz gebunden. |
2. Fehlende Vorschusszahlung: Wie Sie richtig reagieren
Zahlt der Mandant den Vorschuss nicht, steht dem Anwalt ein Zurückbehaltungsrecht an seiner weiteren Tätigkeit zu (AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 82). Er kann die Nichtzahlung - nach weiterer Mahnung - auch als Anlass nehmen, wegen vertragswidrigen Verhaltens des Auftraggebers das Mandat zu kündigen (AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 85). Die bereits verdienten Gebühren bleiben erhalten (§ 628 Abs. 1 S. 1 BGB).
a) Vergütung nicht während laufenden Mandats einklagen
Nach allgemeiner Meinung ist es berufswidrig, einen Vorschuss während des laufenden Mandats gerichtlich geltend zu machen (AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 77). Die Berufsrechtler gehen davon aus, dass ein Anwalt zunächst das Mandat niederlegen muss, bevor er seine Vergütung einklagt.
Hat der Anwalt das Mandat wegen der Nichtzahlung des Vorschusses gekündigt, kann er aber nicht ohne Weiteres aufgrund der bisherigen Vorschussnote seine Vergütung einklagen. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 RVG ist die Vergütung nur einklagbar, wenn der Anwalt dem Auftraggeber zuvor eine ordnungsgemäße Berechnung seiner Vergütung mitgeteilt hat. Die Mitteilung eines Vorschusses genügt diesen Anforderungen nicht. Erst mit der Schlussrechnung übernimmt der Anwalt die berufs- und strafrechtliche Verantwortung für seine Rechnung, nicht schon mit einer (vorläufigen) Vorschussrechnung. Abgesehen davon ist es dem Anwalt in einer Vorschussrechnung noch gar nicht möglich, bei Rahmengebühren die abschließende Bestimmung zu treffen. Die Bestimmung in einer Vorschussnote ist immer nur eine vorläufige.
b) Keine Vorschussforderung mehr nach Abrechnungsreife
Nach Abrechnungsreife können keine Vorauszahlungen mehr verlangt werden, sondern der Vertragspartner schuldet die Schlussabrechnung und muss daraus vorgehen. Letztere ist auch aus steuerlichen Gründen erforderlich. So ist es denkbar, dass zum Zeitpunkt der Vorschussanforderung ein anderer Steuersatz galt als zum Zeitpunkt der Schlussrechnung. Ebenso ist es möglich, dass der Mandant zum Zeitpunkt der Vorschussrechnung vorsteuerabzugsberechtigt war, zum Zeitpunkt der Schlussrechnung jedoch nicht oder umgekehrt. Die Steuerpflicht sowie die Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestimmen sich nach dem Fälligkeitstag der endgültigen Vergütung und nicht nach dem Datum einer Vorschussnote, da diese auch steuerrechtlich faktisch nur eine vorläufige Rechnung darstellt (AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., Nr. 7008 VV RVG Rn. 68).
Wichtig |Legt ein Anwalt das Mandat nieder und will er anschließend seine Vergütung außergerichtlich oder gar gerichtlich geltend machen, muss er unbedingt zuvor eine Schlussrechnung erstellen, die nach dem Datum der Mandatsniederlegung datiert. Unterlässt er dies, riskiert er, dass schon allein aus diesem Grund sein Vergütungsanspruch mangels ordnungsgemäßer Berechnung zurückgewiesen wird.
|
Anwalt A hat drei Tage nach Mandatsübernahme eine „Rechnung“ über eine 1,3-Geschäftsgebühr erstellt. Das Mandat ist drei Wochen danach beendet worden, ohne dass die „Rechnung“ bezahlt worden ist. A hat die Zahlung daher gerichtlich eingeklagt.
Das Gericht hat - nach vorherigem Hinweis - in die Urteilsgründe geschrieben, dass es sich bei der nach drei Tagen erteilten „Rechnung“ faktisch um einen Vorschuss handele, da mangels Fälligkeit noch keine Rechnung hätte erstellt werden dürfen. Eine vor Fälligkeit erstellte Rechnung sei als Vorschuss zu behandeln (so auch Hartmann, KostG, 43. Aufl., Rn. 7). Nach Abrechnungsreife könne ein Vorschuss jedoch nicht mehr eingeklagt werden. Da andererseits eine Schlussrechnung nicht vorliege und damit die Voraussetzungen des § 10 RVG nicht gegeben seien, stehe A die geltend gemachte Vergütung jedenfalls derzeit mangels ordnungsgemäßer Berechnung nach § 10 RVG nicht zu. |
MERKE | Mit Fälligkeit der Vergütung des Rechtsanwalts gemäß § 8 Abs. 1 RVG kann ein Vorschuss nach § 9 RVG nicht mehr verlangt werden. Vielmehr muss der Rechtsanwalt nach § 10 RVG abrechnen. Wenn nach dem Abschluss eines Mandats nur eine Vorschussrechnung vorliegt, genügt es für die Begründetheit einer Vergütungsklage des Rechtsanwalts nicht, diese im Prozess zur Berechnung nach § 10 RVG zu erklären. |
PRAXISHINWEIS | Um den genannten Fallstricken zu entgehen, sollte der Anwalt unbedingt darauf achten, dass bis zum Eintritt der jeweiligen Fälligkeit nur Vorschüsse angefordert werden und die zugrunde liegenden Berechnungen auch ausdrücklich als „Vorschuss“ bezeichnet werden. Ist die Vergütung nach der Beendigung oder Erledigung der jeweiligen Angelegenheit fällig geworden, ist eine entsprechende Schlussrechnung zu erstellen. Streng genommen muss diese Schlussrechnung selbst erteilt werden, wenn sich der Betrag der Schlussrechnung mit dem Vorschuss völlig deckt, wenn also nur eine „Null-Rechnung“ erteilt werden muss. Aus steuerrechtlichen Gründen ist dies an sich vorgeschrieben, weil sich erst durch die Schlussrechnung die endgültige Umsatzsteuerpflicht und -last ergeben. |
Weiterführende Hinweise
- RVG prof. 13, 117: Nach Fälligkeit - keine Klage ohne Rechnung, AG Berlin-Lichtenberg 1.3.13, 114 C 138/11, Abruf-Nr. 131328
- RVG prof. 13, 102: Zwangsvollstreckung - keine Vorschusspflicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 788 ZPO
- RVG prof. 12, 209: PKH-Verfahren - so wird der Vorschuss des Mandanten richtig erhoben und verrechnet
- Näheres zum Vorschuss auch in den folgenden Ausgaben.