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  • · Fachbeitrag · Forderungpfändung

    „Sonstige Einkünfte“ sind nur in Höhe des Grundfreibetrags unpfändbar

    | Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Der ledige Schuldner verdient monatlich 1.500 EUR netto. Darüber hinaus erhält er aufgrund eines titulierten Pflichtteilsanspruchs einen einmaligen Betrag in Höhe von 10.000 EUR ausgezahlt. Hierauf greift der Gläubiger mittels Pfändung zu. Ist dieser Betrag nach § 850i ZPO teilweise unpfändbar? Nein, hat jetzt der BGH klargestellt. |

     

    Entscheidungsgründe

    Im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens hat er entschieden, dass sonstige Einkünfte i. S. d. § 850i ZPO, die kein Erwerbseinkommen sind, nur für unpfändbar erklärt werden können, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850c Abs. 1, 2a ZPO bestimmten Grundbeträge verbleibt. Unter den Begriff “Sonstige Einkünfte“ i. S. d. § 850i ZPO fallen aber nur eigenständig erwirtschaftete Einkünfte. Ansprüche aus einem Pflichtteilsanspruch zählen nicht hierzu (BGH 7.4.16, IX ZB 69/15, Abruf-Nr. 185512).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist für Gläubiger im Rahmen des § 850i ZPO bedeutsam. Sie gibt dem Gericht klare Richtlinien vor. Sie gilt sowohl in dem Fall, dass die Forderung direkt an der Quelle (hier: Pfändung beim Erben als Drittschuldner des Pflichtteilsanspruchs) gepfändet wird, als auch in Fällen, in denen der Pflichtteilsbetrag auf das schuldnerische P-Konto überwiesen wird (§ 850k Abs. 4 i. V. m. § 850i ZPO). Schließlich gilt sie ebenso im eröffneten Insolvenzverfahren (§ 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850i ZPO).

     

    Nach § 850i Abs. 1 ZPO muss das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums aus nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütungen „für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder aus sonstigen Einkünften, die kein Arbeitseinkommen sind“, so viel belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Damit nach § 850i Abs. 1 S. 1 Fall 2 ZPO sonstige Einkünfte unpfändbar sind, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

     

    • Handelt es sich bei den sonstigen Einkünften nicht um Erwerbseinkünfte, können diese Einkünfte nur für unpfändbar erklärt werden, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850c Abs. 1, 2a ZPO bestimmten Beträge verbleibt.

     

    • § 850i ZPO bezweckt zum einen, den Pfändungsschutz für nicht abhängig Erwerbstätige zu erweitern (BT-Drucksache 16/7615 S. 9, 11 f, 14). Die Regelung will abhängig beschäftigte und selbstständig tätige Personen gleich behandeln, indem der Pfändungsschutz für Selbstständige dem Pfändungsschutz für Arbeitnehmer angeglichen wird. Beabsichtigt ist nicht, Einkünfte, die nicht auf einer Erwerbstätigkeit beruhen, als Arbeitseinkommen zu behandeln und im gleichen Umfang wie Arbeitseinkommen pfändungsfrei zu stellen. Wenn also ein Arbeitnehmer für bestimmte Einkünfte keinen Pfändungsschutz genießt, kann auch ein selbstständiger Schuldner für entsprechende Einkünfte keinen Pfändungsschutz erhalten. Folge: Es soll also nicht jede Geldforderung eines Schuldners umfassend und uneingeschränkt wie Arbeitseinkommen behandelt werden.

     

    • Die von § 850i ZPO ermöglichte Unpfändbarkeit im Rahmen des Existenzminimums (= Grundfreibetrag) soll zum anderen auch die öffentlichen Haushalte von sonst notwendig werdenden Transferleistungen öffentlicher Kassen entlasten (BT-Drucksache, a.a.O., S. 12, 30). Danach soll sichergestellt werden, dass dem Schuldner die für ein menschenwürdiges Dasein benötigten Mittel zur Verfügung stehen und ihm nicht im Wege der Zwangsvollstreckung entzogen werden. Der Pfändungsschutz soll dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit infolge einer Pfändung entgegenwirken, die Sozialhilfeträger sollen dauerhaft entlastet und der Steuerzahler nicht indirekt für private Verbindlichkeiten aufkommen müssen (BT-Drucksache, a.a.O.).

     

    • § 850i Abs. 1 S. 1 Fall 2 ZPO setzt voraus, dass es sich bei den sonstigen Einkünften um selbst erwirtschaftete Einkünfte handelt (BGH VE 14, 169). Hierzu zählen Einkünfte aus sog. kapitalistischer Tätigkeit etwa aus Kapitalvermögen, aus Vermietung (Untervermietung) und Verpachtung, ebenso Werklohnansprüche und Verkaufserlöse (LG Bonn ZInsO 12, 2056). Ansprüche aus einem Pflichtteilsanspruch zählen jedoch nicht hierzu.

     

    Das Gläubigerrecht auf effektive Befriedigung berechtigter Forderungen tritt danach nur insoweit zurück, wie es erforderlich ist, um das Existenzminimum des Schuldners zu sichern. Sobald dieses gesichert ist, ergibt sich keine weitere Einschränkung für die Pfändbarkeit sonstiger Einkünfte des Schuldners, die kein Erwerbseinkommen darstellen.

     

    Eine Unpfändbarkeit von sonstigen Einkünften, die kein Erwerbseinkommen sind, kann gemäß § 850i Abs. 1 ZPO daher nur erreicht werden, soweit der Schuldner zum Zeitpunkt der Pfändung ein unpfändbares Einkommen in geringerer Höhe als die von § 850c Abs. 1, 2a ZPO bestimmten Beträge (Grundfreibetrag) erzielt.

     

    FAZIT | Sonstige Einkünfte, die kein Erwerbseinkommen darstellen, sind pfändbar, sobald sie Pfändungsfreigrenzen nach § 850c Abs. 1, 2a ZPO übersteigen.

     

    Der Schuldner kann daher nicht verlangen, solche Einkünfte ganz oder teilweise für unpfändbar erklären zu lassen, wenn er aus anderen Quellen über ein pfändungsfreies Einkommen in Höhe der nach § 850c Abs. 1, 2a ZPO unpfändbaren Beträge (Lediger z. Zt. 1.073,88 EUR) verfügt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH VE 14, 169 zum Pfändungsschutz Selbstständiger
    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 102 | ID 44033998