· Fachbeitrag · Räumungsvollstreckung
Vollstreckung bei illegaler Hausbesetzung: Schuldner muss im Titel eindeutig bezeichnet sein
| Illegale Hausbesetzungen bei gleichzeitiger Verschleierung der Identität der Besetzer bilden in der Vollstreckung eher die Ausnahme. Dennoch hat sich der BGH jetzt mit einem solchen Fall beschäftigt. Die Entscheidung ist hilfreich, wenn Sie einmal einen vergleichbaren Fall bearbeiten. |
Sachverhalt
Die Gläubigerin betrieb auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung die Räumung eines von den Schuldnern rechtswidrig besetzten Hausgrundstücks. Den Schuldnern zu 1 und 2 wurde unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben, die im Lageplan näher bezeichnete Fläche „mit sofortiger Wirkung zugunsten der Gläubigerin und mit ihr nach § 15 AktG verbundenen Unternehmen jederzeit wieder zugänglich zu machen, auch mit Kraftfahrzeugen“. Den Schuldnern wurde dazu aufgegeben, „jegliche anderen Maßnahmen zu unterlassen, die die Begehbarkeit und Befahrbarkeit der genannten Flächen beeinträchtigen“. Die im Lageplan näher bezeichnete Fläche sollten die Schuldner „unverzüglich räumen und geräumt an die Gläubigerin herausgeben“. Außerdem wurde den Schuldnern untersagt, das Grundstück sowie die darauf befindlichen Gebäude zu betreten und zu befahren.
Im Rubrum der einstweiligen Verfügung ist der Schuldner zu 2 mit seinem Namen und seiner Anschrift aufgeführt. Die Schuldner zu 1 sind wie folgt bezeichnet: „Eine Anzahl von 40 männlichen und weiblichen Personen, die sich als „Kulturkollektiv Arno-Nitzsche“ bezeichnen und sich zum Zeitpunkt der Zustellung auf der im Grundbuch des AG Leipzig eingetragenen Fläche, Gemarkung ..., Blatt ..., Flurstück Nr. ... dauerhaft aufhalten“.
Die Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher, die einstweilige Verfügung an die Schuldner zuzustellen und eine beschränkten Räumung gemäß § 885a ZPO durchzuführen. Der Gerichtsvollzieher lehnte den Auftrag ab. Begründung: Die Schuldner zu 1 seien nicht in Person identifizierbar. Eine Zustellung der einstweiligen Verfügung sei daher ebenfalls nicht möglich. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wies der BGH als unbegründet zurück. In seinen Leitsätzen stellte er klar (13.7.17, I ZB 103/16; Abruf-Nr. 198211):
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Relevanz für die Praxis
Das Problem für den Vollstreckungsgläubiger in derartigen Fällen: Er verhält sich nach subjektivem Maßstab redlich und gesetzestreu, bleibt jedoch ohne rechtlichen Schutz und ohne staatliche Unterstützung durch das Vollstreckungsgericht, wenn es darum geht, seine Rechte gegen illegale Hausbesetzer zu wahren.
Auch wenn ein solches Vorbringen des Gläubigers nachvollziehbar ist, bleibt der BGH hart.
Eine illegale Hausbesetzung darf also nicht dazu führen, dass der beauftragte Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung ohne das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen durchführt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH können die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zum Erfordernis der bestimmten Bezeichnung des Vollstreckungsschuldners nicht durch materiell-rechtliche Erwägungen oder Gesichtspunkte der Billigkeit außer Kraft gesetzt werden (BGH NJW-RR 03, 1450; VE 08, 181).
Für oder gegen andere als in Titel oder Klausel bezeichnete Personen darf nicht vollstreckt werden, selbst wenn zweifelsfrei feststeht, dass sie Gläubiger oder Schuldner sind. Eine Person, gegen die die Zwangsvollstreckung stattfinden soll, beruft sich zudem nicht unter Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben auf eine nur formale Rechtsstellung, wenn sie geltend macht, die Zwangsvollstreckung sei nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO unzulässig, weil sie in dem Titel oder der Klausel namentlich nicht bezeichnet sei.
MERKE | Der BGH betont ausdrücklich, dass die Zulassung eines
mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar ist. Ein lediglich auf die Räumlichkeit bezogener Räumungstitel ist nach dem Willen des Gesetzgebers mit den Grundsätzen des deutschen Vollstreckungsrechts nicht vereinbar. Dies muss ein Gläubiger bereits im Erkenntnisverfahren beachten, andernfalls scheitert die Durchführung der Vollstreckung! |
In derartigen Fällen können Gläubiger aber gegenüber Hausbesetzern nach dem Polizei- und Ordnungsrecht vollstrecken, also räumen. Grund: Das widerrechtliche Eindringen und Verweilen in Wohnungen, Geschäftsräumen oder befriedetem Besitztum ist gemäß § 123 Abs. 1 StGB strafbar; die Verletzung strafrechtlicher Normen stellt stets eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der polizei- und ordnungsrechtlichen Eingriffsermächtigungen der Bundesländer dar (vgl. im vorliegenden Fall § 3 Abs. 1 SächsPolG).
Diese Störung zu beseitigen, fällt in die polizeiliche Aufgabenzuständigkeit; das Polizei- und Ordnungsrecht stellt insoweit auch die zur Durchsetzung erforderlichen Eingriffsbefugnisse zur Verfügung.