· Fachbeitrag · Vollstreckungspraxis
Vollstreckungs-Tipp des Monats
| Das ist ärgerlich: Man vermutet, dass der Schuldner als Händler aktiv ist oder einen schwunghaften Verkauf von kleinen Artikeln betreibt, kommt aber bei der Recherche nicht weiter. Unsere Leserin Michaela Zander, Hamburg, hat eine besondere Strategie der „Drittrecherche“ entwickelt: Sie befragt Paketauslieferer und „schaut“ sich Pakete an. |
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Der Onlinehandel floriert. 2018 wurden in Deutschland 3,52 Mrd. Sendungen befördert. Im Jahr 2023 sollen es 4,4 Milliarden sein, wie das Statistikportal Statista berichtet (www.iww.de/s3274). Doch was nützen diese Zahlen in der Vollstreckung? Unsere Leserin hat es uns erklärt:
Sie hatte Schuldner S. schon länger in „Verdacht“, einen Handel mit Tonträgern, Büromaterial und Spielzeug zu betreiben. Es lohnte sich also, genauer hinzuschauen. Aber unsere Leserin fand keine Indizien: weder Onlineshop noch Präsenzen auf Amazon, eBay oder eBay-Kleinanzeigen. Aber: Gläubiger G., der im Nachbarhaus des S. wohnte, wusste, dass dieser regelmäßig Pakete bekam. Denn Nachbar N., ein Rentner, mit dem G. befreundet war und der im selben Haus wie S. wohnte, hatte G. berichtet, dass er regelmäßig Pakete für S. annehme, da dieser tagsüber nicht daheim sei. S. habe nie Zeit, nicht einmal für eine Tasse Kaffee.
Als unsere Leserin das hörte, hatte sie eine Idee: Sie bat N., eine Woche lang die groben Zustellzeiten zu notieren und auf Absender oder besondere Aufkleber zu schauen. So erfuhr sie, dass mehrere Pakete mit einem „Retouraufkleber“ versehen waren. Und auf einem dieser Pakete hatte S. als Absender einen Adress-Stempel benutzt, auf dem auch der Hinweis „Kleinwaren für den Schreibtisch“ vermerkt war. Eigentlich genügte das schon, da gab es einen unerwarteten „Bonus-Tipp“. Als sie nach dem Gespräch mit N. das Haus verließ, begegnete sie einem Auslieferungsfahrer, der gerade Pakete zustellte. Ungezwungen begann sie eine Unterhaltung und lenkte sie auf die Zustellungen an S., für den „man ja immer einiges annehmen“ müsse. Der Zusteller war ‒ trotz Zeitnot ‒ in Plauderlaune und erzählte beiläufig, dass S. schon seit Langem viele Pakete bekäme, dies aber seit ca. einem halben Jahr noch einmal zugenommen habe.
Das genügte. Unsere Leserin ging konsequent vor: Sie konfrontierte S. mit seinem Handel und erläuterte, dass es Weiterungen geben könne, da er ja falsche Angaben in der Drittschuldnerauskunft gemacht habe. S. reagierte noch am nächsten Tag und zahlte die Forderung in zwei Raten. |
Oft sind es ungewöhnliche Vollstreckungsmethoden oder sogar Zufälle, die helfen, dem Schuldner auf die Schliche zu kommen und die Vollstreckung erfolgreich zu beenden. Diese Fälle sammeln wir und veröffentlichen sie an dieser Stelle im Leser-Erfahrungsaustausch. Schildern auch Sie uns Ihren „schönsten Fall“. Wird er veröffentlicht, erhalten Sie ein Einsenderhonorar von 50 EUR. Unsere Anschrift: IWW Institut, Redaktion „Vollstreckung effektiv“, Aspastraße 24, 59394 Nordkirchen, Fax: 02596 922-99, E-Mail: ve@iww.de.