Unfallschadensregulierung
Verjährung von Haftpflichtansprüchen: Änderungen durch Schuldrechtsreform
Mit der Schuldrechtsreform wird das gesamte Verjährungsrecht grundlegend neugestaltet. Im Bereich der vertraglichen Haftung sind die Neuerungen zwar einschneidender als im Deliktsrecht. Doch auch auf diesem Sektor kommt es zu zahlreichen Änderungen. Was in der Übergangszeit gilt, ergibt sich aus § 5 zu Art 229 EGBGB.
Nachfolgend stellen wir Ihnen die wichtigsten Rechtsänderungen vor. Eine synoptische Darstellung der wichtigsten Änderungen ist auf Seite 162 abgedruckt.
1. Länge der Verjährungsfrist
Die Regelfrist beträgt ab 1.1.2002 nicht mehr 30, sondern nur noch 3 Jahre (§195 BGB n.F.). Das ist für außervertragliche Schadensersatzansprüche nichts Neues. Die Dreijahresfrist gilt für sämtliche Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§§ 823 ff.) und aus Gefährdungshaftung. Auch der Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer verjährt nach wie vor in 3 Jahren (§ 3 Nr. 3 S. 1 PflVG). Die Obergrenze für diesen Anspruch von 10 Jahren bleibt gleichfalls bestehen (dazu OLG Düsseldorf 17.4.89, NZV 90, 191).
Eine weitere Obergrenze von 10 Jahren, gerechnet ab Fälligkeit, zieht § 199 Abs. 2 BGB n.F. Sie gilt nicht für Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit. Ohne Rücksicht auf die Fälligkeit und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjähren sämtliche Ansprüche aus Delikt und aus Gefährdungshaftung in 30 Jahren ab Schadensereignis (§ 199 Abs. 3 BGB n.F.). Die Dreißigjahresfrist gilt weiterhin für rechtskräftig festgestellte Ansprüche (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F.). Bei möglichen Zukunftsschäden auf Feststellung zu klagen, ist also nach wie vor ein Muss. Die wichtige (wenig bekannte) Sonderregelung für künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen (z.B. Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall) steht demnächst in § 197 Abs. 2 BGB n.F. (heute § 218 Abs. 2 BGB). Statt 4 sind es künftig 3 Jahre.
Merksatz
Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und Gefährdungshaftung verjähren weiterhin in 3 Jahren.
2. Beginn der Verjährungsfrist
Neu ist die Gleichstellung von grob fahrlässiger Unkenntnis mit positiver Kenntnis. Schon bisher konnte genügen, dass der Geschädigte Kenntnis vom amtlichen Kennzeichen des Unfallfahrzeugs hat. Fahrer und/oder Halter sind meist durch die polizeiliche Unfallaufnahme bekannt. Kenntnis vom Namen des Haftpflichtversicherers war und ist weiterhin nicht erforderlich. Unfallgeschehen und Folgen müssen nicht in allen Details bekannt sein (dazu OLG Hamburg 19.5.00, VA 01, 4, Abruf-Nr. 001454). Wer sich der erforderlichen Kenntnisnahme leichtfertig verschließt, z.B. den Zentralanruf der Versicherer (0180/25026) nicht nutzt, setzt sich dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit aus. Die Erkundigungspflicht wird durch die Neuregelung ein Stück weit verschärft.
Merksatz
Grob fahrlässige Unkenntnis steht nach neuem Recht positiver Kenntnis gleich.
Wenn künftig für den Fristanlauf nicht nur Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis, sondern darüber hinaus (statt bloße Entstehung) auch Fälligkeit des Anspruchs verlangt wird, so verschiebt das den Fristbeginn nur vordergründig zu Gunsten des Geschädigten. Sachlich bleibt insoweit alles beim alten. Bei einem Unfall mit mehreren Schadensfolgen beginnt die Verjährung auch für nachträglich auftretende (vorhersehbare) Folgen, sobald ein (Teil-)Anspruch fällig ist (Grundsatz der Schadenseinheit). Nur für unvorhersehbare Unfallfolgen läuft die Verjährungsfrist separat. Sobald derartige (Spät-)Schäden sich dem Geschädigten zeigen, muss schnell gehandelt werden (vgl. BGH 16.11.99, NJW 00, 861).
Merksatz
Ohne Fälligkeit kein Verjährungsbeginn.
3. Hemmung der Verjährung
a) Hemmung durch Anspruchsanmeldung
Nach § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG tritt Hemmung weiterhin mit der Anmeldung des Anspruchs beim Haftpflichtversicherer ein. Der Ausdruck „Schadensanzeige“ ist zu vermeiden. Die Anspruchsanmeldung verlangt keine Schadensspezifikation. Im Zweifel erstreckt sie sich auf sämtliche Unfallfolgen. Nur eine schriftliche Entscheidung des Versicherers kann die Hemmung beenden. Sein Schweigen genügt nicht, auch nicht das „Einschlafen“ von Verhandlungen. Eigene Passivität des Geschädigten ist indes nicht ganz risikolos (§ 242 BGB). Zu den Anforderungen an eine schriftliche Entscheidung, die nicht unbedingt ablehnender Natur sein muss, siehe aktuell OLG Celle 3.5.01, VA 01, 119, Abruf-Nr. 010843. Genügen kann z.B. ein Abrechnungsschreiben mit einer „Schlusszahlung“.
§ 3 Nr. 3 S. 3 PflVG ist gegenüber § 203 BGB n.F. (§ 852 Abs. 2 a.F.) lex specialis. Eine durch eine schriftliche Entscheidung beendete Hemmung kann nicht durch eine erneute (einseitige) Anspruchsanmeldung, wohl aber durch (Weiter-)Verhandlungen wieder in Kraft treten. Diese zweite Hemmung wirkt nur zurück auf den Beginn der Verhandlungen, nicht auf die erste Anmeldung (zw.). Auch zur Beendigung der weiteren Hemmung verlangt die h.M. eine schriftliche Entscheidung des Versicherers (OLG München 14.7.92, OLGR 93, 69).
b) Hemmung bei Verhandlungen
Die praktisch außerordentlich wichtige Regelung in § 852 Abs. 2 BGB a.F. wird
– nur sprachlich geändert – von § 203 BGB übernommen. Novum: Die Verjährung tritt frühestens 2 Monate nach dem Ende der Hemmung ein. Aktuell zum Begriff „Verhandlungen“ siehe BGH 8.5.01, MDR 01, 936.
c) Hemmung durch Rechtsverfolgung
Durch Klageerhebung und gleichgestellte Maßnahmen der Rechtsverfolgung wird die Verjährung künftig nicht mehr unterbrochen, sondern gehemmt (§ 204 n.F.) Neuling im Katalog ist der PKH-Antrag (Nr. 14). Entscheidend ist die Bekanntgabe des Antrags, nicht dessen Einreichung. Doch auch hier kommt es zur Rückwirkung bei demnächstiger Bekanntgabe. Die §§ 270 Abs. 3, 693 Abs. 2 ZPO („Zustellung demnächst“) bleiben inhaltlich bestehen.
Merksätze
- Klageerhebung ist künftig Hemmungstatbestand.
- Die Klage auf Sachschadensersatz hemmt nicht die Verjährung des Anspruchs auf Schmerzensgeld und umgekehrt.
4. Neubeginn der Verjährung
Statt von Unterbrechung ist künftig von „Neubeginn der Verjährung“ die Rede. Wichtigster Anwendungsfall ist § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Hiernach beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung oder in anderer Weise anerkennt. Für die Schadensregulierung besonders relevant sind vorgerichtliche Zahlungen (instruktiv Jahnke, VersR 98, 1347 mit Rspr.).
5. Vereinbarungen über die Verjährung
Vereinbarungen über die Verjährung sind künftig grundsätzlich (formlos) zulässig. Zur Verlängerung der Dreijahresfrist auf 30 Jahre stehen den Parteien derzeit das konstitutive Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) und die ein Feststellungsurteil ersetzende Vereinbarung zur Verfügung. Nur Letzteres bleibt sinnvoll. Regressanfällig sind insbesondere Abfindungsvergleiche mit Vorbehalten. Ein auf Zukunftsschäden gerichteter Vorbehalt in einer Abfindungsvereinbarung bedeutet in der Regel keine „konstitutive“ Befreiung von der Verjährungseinrede, sichert nicht einmal die Fortdauer der Hemmung. Diese endet vielmehr gem. § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG. Ein Zukunftsschadenvorbehalt ist lediglich ein deklaratorisches Anerkenntnis mit der Folge des Neubeginns der dreijährigen Verjährung. Sie tritt demnach ein, wenn in den folgenden drei Jahren mit Blick auf die Verjährung nichts unternommen wird (BGH 26.5.92, DAR 92, 375; OLG Hamm 9.11.94, r+s 95, 459 m. Anm. Lemcke).
Tipp: Einem Zukunftsschadensvorbehalt sollte stets folgendes hinzugefügt werden:
“... mit der Wirkung eines gerichtlichen Feststellungsurteils“.
Generell gilt: Bevor das Ende der Frist erreicht ist, innerhalb derer der Versicherer sich auf Verjährung nicht berufen will, muss eine Fristverlängerung ausgehandelt werden. Gelingt das nicht, bleibt nur die Anrufung des Gerichts. Spätestens 4 Wochen nach Fristablauf sollte das Erforderliche getan sein (s. auch OLG Düsseldorf 9.2.01, NJW 01, 2265).
6. Leser-Service
- Auf weitere Einzelheiten der Schuldrechtsreform werden wir demnächst eingehen.
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Haben Sie Fragen zur Schuldrechtsreform? Dann schreiben Sie uns: Redaktion IWW-Institut, Redaktion „Verkehrsrecht aktuell“, Bergstraße 18, 59394 Nordkirchen, Fax: 02596/92299, e-mail: leissing@iww.de
Quelle: Verkehrsrecht aktuell - Ausgabe 11/2001, Seite 159