· Fachbeitrag · Fahrverbot
Begründung beim Absehen vom Fahrverbot
Das Absehen vom Regelfahrverbot wegen beruflicher oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten erfordert eine eingehende Begründung anhand der zugrundeliegenden Tatsachen und Abwendungsmöglichkeiten, wobei eine unkritische Übernahme der Angaben des Betroffenen nicht ausreicht (OLG Hamm 28.3.12, III-3 RBs 19/12, Abruf-Nr. 121963). |
Gegenüber einem selbstständigen Fliesenleger kann von der Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots abzusehen sein (AG Strausberg 30.5.12, 14 OWi 282 Js-OWi 3933/11 (113/11), Abruf-Nr. 121956). |
Praxishinweis
Im ersten Fall hatte der Amtsrichter in der Vorinstanz vom Regelfahrverbot abgesehen, weil der 65 Jahre alte Betroffene zwar Rentner, aber noch in erheblichem Umfang freiberuflich als Architekt tätig sei. So sei er an der Realisierung von fünf großen Bauprojekten beteiligt. Deren sachgerechte Betreuung erfordere die Benutzung eines Pkw, eine Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht möglich. Der Betroffene wohne in einem ländlichen Umfeld. Er könne seine Ehefrau nicht als Fahrerin einsetzen, da sie schwerbehindert sei. Vielmehr müsse er sogar Fahrten für seine Ehefrau durchführen. Die Kosten für die Anstellung eines Fahrers stünden in keinem angemessenen Verhältnis mehr zur Bedeutung des Tatvorwurfs. Dieses „Umständebündel“ hat dem OLG nicht ausgereicht. Es hat insbesondere eine eingehende mit ausreichenden Tatsachen belegte Begründung vermisst. Auch habe das AG nicht dargelegt, dass der Betroffene nicht verschiedene Maßnahmen kombinieren könne, um die durch das Fahrverbot eintretenden Erschwernisse abzumildern. Die Entscheidung des OLG liegt damit auf der Linie der h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt die Zusammenstellung in VA 12, 15 m.w.N.). Der Verteidiger ist an dieser Stelle gefordert und muss zu allen Fragen vortragen.
Das AG Strausberg war großzügiger. Es hat seine Absehensentscheidung damit begründet, dass bei dem Betroffenen eine Existenzgefährdung durch das Fahrverbot nicht auszuschließen sei. Er müsse ständig und durchgehend bereit sein, Aufträge im gesamten Bundesgebiet anzunehmen. Urlaub komme für ihn nicht in Betracht. Auch eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ausgeschlossen, da er Arbeits- und Baumaterial transportieren müsse.
Das AG hat sich allerdings nicht damit auseinandergesetzt, dass der Betroffene wegen einer Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG verurteilt worden ist. In den Fällen ist aber nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ein Absehen von einem Fahrverbot nur bei außergewöhnlichen Tatumständen oder Härten möglich/zulässig (vgl. u.a. OLG Hamm NZV 95, 496; DAR 99, 84; zuletzt VA 08, 156). Das wird mit der Formulierung in § 25 Abs. 1 S. 2 StVG begründet, wonach ein Fahrverbot „in der Regel anzuordnen ist“. In § 25 Abs. 1 S. 1 StVG ist für die Fälle des Fahrverbotes nach § 24 StVG nur formuliert, dass ein Fahrverbot angeordnet werden kann. Daher ist die Entscheidung des AG sehr großzügig. Denn „außergewöhnlich“ i.S. der obergerichtlichen Rechtsprechung sind/waren die vom AG dargelegten Umstände nicht.