· Fachbeitrag · Geschwindigkeitsüberschreitung
Neue Rechtsprechung zur Geschwindigkeitsüberschreitung aus den Jahren 2011 - 2015
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. Münster/Augsburg
| Zu den im Straßenverkehr am häufigsten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten gehört die Geschwindigkeitsüberschreitung (§ 3 StVO). Das zeigt die große Zahl der dazu veröffentlichten Entscheidungen. Wir haben die dazu in den Jahren 2011 bis 2015 ergangene Rechtsprechung für Sie zusammengestellt. Sie knüpft an die Beiträge in VA 09, 50 , VA 09, 69 und VA 11, 142 an. Ausgenommen sind die mit der Akteneinsicht zusammenhängenden Fragen (vgl. dazu u. a. VA 12, 50 ). |
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Umstände des Einzelfalls | Rechtsfolge | Fundstelle |
Die Ordnungsbehörde beauftragt entgegen einem Runderlass des Innenministeriums eine private Firma mit der Auswertung von Messergebnissen. | In der Regel besteht ein Beweisverwertungsverbot (zu Beweisverwertungsverboten im Bußgeldverfahren s. VA 13, 16). | OLG Naumburg AG Parchim AG Kassel VA 15, 100 |
Mit dem Verkehrszeichen 274 (Nr. 49 Anl. 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) mit Zusatzzeichen „Mo-Fr, 6-18 h“ (§ 39 Abs. 2 StVO) wird Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit angeordnet. | Die Beschränkung gilt auch, wenn auf den betreffenden Wochentag ein gesetzlicher Feiertag fällt. | OLG Brandenburg |
Die Geschwindigkeitsbeschränkung ist lediglich für die linke Fahrspur angeordnet. | Es wird nicht die zulässige Geschwindigkeit auf den benachbarten Fahrspuren, für die ein Fahrstreifenbenutzungsverbot im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 2 StVO („rote gekreuzte Schrägbalken“) gilt, angeordnet. | OLG Braunschweig |
Feststellung einer Vielzahl von Leerdatensätzen. | Der Amtsrichter muss nicht unbedingt eine mögliche fehlerhafte Arbeitsweise des Geschwindigkeitsmessgeräts aufklären. | OLG Hamm |
Mit Sommerreifen geeichtes Messsystem ProViDa 2000. | Das System darf ohne Neueichung nach Wechsel von Sommer- auf Winter- und wieder auf Sommerreifen uneingeschränkt zur Geschwindigkeitsmessung genutzt werden. | OLG Hamm VA 11, 156 |
Mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen während derselben, nicht unterbrochenen Fahrt. | Es handelt sich regelmäßig um mehrere Taten sowohl im materiellen als auch im prozessualen Sinne. | OLG Hamm VA 12, 10 |
Geschwindigkeitsüberschreitung, um die durch ein Übergeben eines betrunkenes Fahrgasts befürchtete Verunreinigung des Wageninnenraums eines Taxis zu vermeiden. | Schon mangels Geeignetheit des zur Gefahrenabwehr eingesetzten Mittels keine Rechtfertigung nach § 16 OWiG. | OLG Bamberg VRR 14, 162 |
Geschwindigkeitsüberschreitung nach Fahrerwechsel. | Bei einem Fahrerwechsel muss sich der Betroffene im Regelfall nicht nach einer durch Beschilderung gesetzten Geschwindigkeitsbeschränkung erkundigen. | OLG Hamm |
Geschwindigkeitsüberschreitung nach einem notlagebedingten Überholen, weil Betroffener seine Geschwindigkeit nach Wiedereinscheren nicht wieder reduziert, sondern auf eine Regulierung durch seinen Tempomaten hofft. | Keine Notstandslage oder notstandsähnliche Situation (mehr). Es ist vielmehr wegen vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes zu verurteilen. | AG Lüdinghausen VA 15, 13 |
Geschwindigkeitsbeschränkung mit einem eine Schneeflocke (vgl. § 39 Abs. 7 StVO) darstellenden Zusatzschild zum die Geschwindigkeit begrenzenden Schild. | Diese Regelung enthält bei sinn- und zweckorientierter Betrachtungsweise lediglich einen - entbehrlichen - Hinweis darauf, dass die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Gefahrenabwehr wegen möglicher winterlicher Straßenverhältnisse dient. | OLG Hamm zfs 15, 51 |
Geschwindigkeitsüberschreitung auf der zuvor auf dem Hinweg in entgegengesetzter Richtung befahrenen und nur in der Gegenrichtung mit Schildern zur Geschwindigkeitsbegrenzung ausgeschilderten Straße. | Allein damit lässt sich Geschwindigkeitsüberschreitung nicht begründen. | OLG Bamberg 17.7.13, 3 Ss OWi 944/13 (schon OLG Celle DAR 09, 578) |
Zeichen 330.2 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO am „Ende der Autobahn“. | Dieses Zeichen enthält keine Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung. Es zeigt lediglich an, dass die besonderen Regelungen für die Autobahn fortan nicht mehr gelten, sodass es auf die örtliche Bebauung ankommt. | OLG Hamm 24.11.15, 5 RBs 34/15,Abruf-Nr. 146162 |
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Umstände des Einzelfalls | Rechtsfolge | Fundstelle |
Das Messverfahren wird im Urteil mit „Starenkasten“ bezeichnet. | Ist auch bei einem standardisierten Messverfahren nicht ausreichend. | OLG Celle VA 11, 207 |
Das angewandte Messverfahren und der berücksichtigte Toleranzwert werden nicht mitgeteilt. | Unzureichend. | OLG Bamberg 20.10.15, 3 Ss OWi 1220/15; OLG Braunschweig VA 12, 174; OLG Celle VA 13, 173; OLG Koblenz VA 13, 67 |
Die Feststellung des Geschwindigkeitsverstoßes beruht auf einem standardisierten Messverfahren. | Auch dann muss sich aus den Urteilsgründen regelmäßig ergeben, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob der Tatrichter der Einlassung gefolgt ist oder ob und inwieweit er sie für widerlegt angesehen hat. | OLG Bamberg |
Das Amtsgericht hat einen Sachverständigen beauftragt, um sich der Korrektheit der Messung im konkreten Einzelfall zu versichern, und sich dessen Gutachten angeschlossen. | In den Urteilsgründen müssen die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wiedergegeben werden, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Nachprüfung zu ermöglichen. | OLG Bamberg 20.10.15, 3 Ss OWi 1220/15; OLG Brandenburg VA 15, 211; OLG Hamm 18.12.12, 1 RBs 166/12 |
In den Urteilsgründen wird auf das Datenfeld des Lichtbilds verwiesen, das bei der Geschwindigkeitsmessung aufgenommen wurde. | Unzulässig. Schriftliche Aufzeichnungen über das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung (Datum, Uhrzeit, gemessene Geschwindigkeit) sind keine Abbildungen im Sinn des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 46 OWiG. | OLG Hamm OLG Düsseldorf DAR 13, 92 m. Anm. Staub |
Verurteilung aufgrund eines glaubhaften Geständnisses des Betroffenen. | Zulässig, aber die Einlassung muss mitgeteilt werden. Zudem ist erforderlich, dass der Betroffene eine bestimmte (Mindest-)Geschwindigkeit nicht nur tatsächlich eingeräumt hat, sondern zusätzlich auch die konkreten Umstände aus originärer Wahrnehmung benennen konnte, aus denen sich für ihn ergab, dass er die vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren ist. | OLG Bamberg 20.10.15, 3 Ss OWi 1220/15; OLG Braunschweig VA 12, 174 |
Messung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Hinterherfahren zur Nachtzeit. | Aus den Feststellungen muss sich ergeben, an welchen äußeren Anzeichen die Messbeamten die Einhaltung des gleichbleibenden Abstands zum gemessenen Fahrzeug erkannt haben.
Praxishinweis | Solche Feststellungen sind nicht nötig, wenn sich das gemessene Fahrzeug ständig im Lichtkegel des folgenden Polizeifahrzeugs befand (OLG Celle a.a.O.). | KG OLG Celle OLG Düsseldorf VA 14, 47; OLG Hamm |
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