· Fachbeitrag · Prozessrecht
Einiges zur Zustellungsproblematik
| In der Praxis haben die Fragen, die mit der wirksamen Zustellung einer Entscheidung zusammenhängen, erhebliche Bedeutung. Das gilt vor allem, wenn es um die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels geht und um die Frage der Wiedereinsetzung bei einer (vermeintlichen) Fristversäumung. Denn Voraussetzung für den Lauf einer Rechtsmittelfrist ist, dass die Entscheidung, die angegriffen werden soll, wirksam zugestellt wurde. Wir stellen Ihnen dazu heute einige Entscheidungen aus der Praxis vor: |
- KG 12.12.23, 2 Ws 139/23, Abruf-Nr. 240268
- Die Heilung eines Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 189 ZPO i. V. m. § 37 Abs. 1 StPO setzt voraus, dass eine Zustellung vom Gericht beabsichtigt war. Diese muss folglich angeordnet worden sein.
- LG Kempten 20.12.22, 2 Qs 194/22, Abruf-Nr. 242800
- Gemäß den EuGH-Entscheidungen vom 22.4.17, C-124/16, C-188/16 und C-213/16 sind die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des Art. 6 der Richtlinie 2012/13 richtlinienkonform auszulegen. Danach muss ein Beschuldigter ohne festen Wohnsitz, der einen Zustellungsbevollmächtigten benannt hat, an den zugestellt wurde, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in dem Moment über die volle Einspruchsfrist verfügen können, in dem er von dem Strafbefehl tatsächlich Kenntnis erlangt.
- LG Mannheim 7.5.24, 4 Qs 26/24, Abruf-Nr. 242801
- Die nach § 43 StPO zu berechnende, zweiwöchige Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl beginnt ausweislich des § 410 Abs. 1 S. 1 StPO mit dessen Zustellung. Für die Ausführung der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gelten nach § 37 Abs. 1 StPO Vorschriften der ZPO entsprechend.
- Der Zusteller muss bei Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 S. 3 ZPO das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks vermerken. Dies ist eine zwingende Zustellungsvorschrift im Sinne des § 189 ZPO. Wird diese Vorschrift verletzt, gilt das Schriftstück erst mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt.
- LG Nürnberg-Fürth 2.7.24, 18 Qs 22/24, Abruf-Nr. 242802
- Die Zustellung an den Wahlverteidiger ist unwirksam, wenn dessen Bevollmächtigung nicht gemäß § 145a Abs. 1 StPO nachgewiesen ist. Die anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung reicht hierfür nicht aus.
Weiterführender Hinweis
- Zur Zustellungsproblematik siehe auch Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., 2024, Rn. 4284; Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 3. Aufl. 2024, Rn. 1849, und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl. 2024, Rn. 4402.
Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 197 | ID 50108474