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  • · Fachbeitrag · Prozessrecht

    Einsicht in Messunterlagen ‒ es nimmt kein Ende

    | Die mit der Einsicht in Messunterlagen zusammenhängenden Fragen sind der verfahrensrechtliche Dauerbrenner im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Die Rechtsprechung der AG, aber auch der LG und OLG, ist inzwischen sehr uneinheitlich. Daher muss der Verteidiger darauf achten, wo er verteidigt und dann die „richtige“ Rechtsprechung anwenden. Wir stellen Ihnen die Entscheidungen aus der letzten Zeit vor. |

    1. Aktuelle Rechtsprechung

     

    • Übersicht ‒ Einsicht in/Herausgabe von Messdaten im Bußgeldverfahren

    OLG Saarbrücken

    9.11.17,

    Ss RS 39/17 (60/17 OWi),

    Abruf-Nr. 199281

    Das rechtliche Gehör (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) wird nicht versagt, wenn nicht bei der Akte befindende Messunterlagen und Messdaten nicht überlassen werden, sich das Gericht nicht mit allen Argumenten eines entsprechenden Antrags auseinandersetzt und einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Fehlerhaftigkeit der Messung ablehnt, wenn dies nicht objektiv willkürlich ist, weil das Gericht von der Ordnungsmäßigkeit der Messung beim standardisierten Messverfahren nach durchgeführter Beweisaufnahme überzeugt ist.

    LG Würzburg

    2.1.18,

    1 Qs 222/16,

    Abruf-Nr. 199308

    § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG schließt auch eine Beschwerde im gerichtlichen Verfahren gegen eine die Einsicht von Unterlagen ablehnende gerichtliche Entscheidung aus.

    AG Bayreuth

    14.11.17,

    2 OWi 228/17,

    Abruf-Nr. 199261

    Falldatensätze der Messreihe, Token-Datei, Passwort, Statistikdatei, Case-List sowie eine Auflistung der Wartungsarbeiten am Messgerät (Gerätestammkarte) sind an den Verteidiger herauszugeben. Die Entscheidung betrifft eine PoliScan-Speed-Messung.

    AG Bergisch-Gladbach

    29.11.17,

    48 OWi 810/17 [b],

    Abruf-Nr. 199262

    Die Verwaltungsbehörde ist verpflichtet, dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger oder einem von diesem beauftragten Sachverständigen Einsicht in die komplette Messreihe vom Tattag zu gewähren. Die maßgeblichen Daten sind auf einem vom Sachverständigen bzw. der Verteidigung zur Verfügung gestellten Datenträger zu kopieren und an den Betroffenen bzw. seinen Verteidiger zu übersenden. Sollte zur Lesbarkeit der Daten ein „Token“ erforderlich sein, ist auch dieser mit zu versenden. Die Herausgabepflicht ist davon abhängig, dass der Betroffene zuvor ggf. anfallenden Kosten ausgleicht.

    AG Fürth,

    6.10.17,

    461 OWi 430/17,

    Abruf-Nr. 199266

    Außer der Gerätestammkarte (Lebensakte) sind auch die digitalen Messdaten mit Token an den Verteidiger zu übermitteln.

    AG Hannover,

    28.11.17,

    24 OWI 298/17,

    Abruf-Nr. 199267

    Auch im Falle eines sog. standardisierten Messverfahrens kann sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ein Anspruch des Betroffenen auf Einsicht in vorhandene, sich nicht bei den Akten befindliche Messdaten ergeben. Das gilt unabhängig davon, ob konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorliegen oder vorgetragen worden sind.

    AG Stadtroda

    7.8.17,

    7 OWi 1367/17,

    Abruf-Nr. 199269

    Die gesamte Messreihe, der Token, das Passwort, die Statistikdatei und die Lebensakte sind nicht Aktenbestandteil. Sie können daher nicht im Wege der Akteneinsicht zugänglich gemacht werden.

    AG Wuppertal

    9.8.17,

    21 OWi 623 Js 816/17-124/17,

    Abruf-Nr. 199270

    Ist der Betroffene gezwungen, relevante Tatsachen, die die Ordnungsgemäßheit eines im standardisierten Messverfahren gewonnenen Ergebnisses erschüttern können, selbst vorzutragen, muss er in die Lage versetzt werden, an derartige Informationen zu gelangen.

     

    2. Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung des OLG Saarbrücken ist eine weitere aus der Reihe „Teufelskreis“ (dazu OLG Bamberg VA 16, 104; VRR 11/17, 14). Das OLG Saarbrücken betont zwar, dass die Entscheidungen OLG Oldenburg (VA 15, 175) und OLG Jena (VA 16, 88) nicht entgegenstehen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Das OLG Saarbrücken hätte daher gem. § 121 Abs. 2 GVG dem BGH vorlegen müssen.