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  • · Fachbeitrag · Verbraucherrechtsreform 2014

    Das neue Verbraucherrecht im Verkehrsrecht - die wichtigsten Neuerungen im Überblick

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | Das seit dem 13.6.14 geltende neue Verbraucherrecht hat vielfältige Auswirkungen auf das Verkehrszivilrecht. Vom Anwaltsvertrag bei der Schadensregulierung bis zum Widerruf von Geschäften über Kraftfahrzeuge und verkehrsrechtliche Dienstleistungen - kaum ein Gebiet ist unberührt geblieben. Mit dieser Arbeitshilfe wollen wir eine erste Orientierung im Dickicht der neuen Regelungen geben. |

     

    Arbeitshilfe / Das Wichtigste zum neuen Verbraucherrecht

    Die für den verkehrsrechtlich tätigen Anwalt wichtigsten Änderungen sind - in der Reihenfolge der betroffenen Paragrafen des BGB - die folgenden:

     

    • 1.Präzisierung des Verbraucherbegriffs in § 13 BGB
    • Mit dem neu eingefügten Wort „überwiegend“ will der Gesetzgeber klarstellen, worauf es beim dual use ankommt. Entscheidend ist, welche Zweckbestimmung überwiegt. Verbraucher ist bereits, wer überwiegend ein Rechtsgeschäft zu nicht gewerblichen Zwecken abschließt.
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    • Beispiel | Rechtsanwalt K kauft im Autohaus V einen MB E 500, den er geschäftlich und privat nutzen möchte. Die tatsächliche Nutzung ist später etwa 50:50 (Fall nach OLG Celle VA 07, 154). Das OLG Celle hat den RA als Verbraucher eingestuft, dabei aber nicht auf die tatsächliche Nutzung abgestellt. Maßgeblich sei der Geschäftszweck nach dem erklärten Willen des RA (wie ist er gegenüber V aufgetreten?).
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    • Durch die Neufassung sind die bisherigen Auslegungszweifel nicht beseitigt. Wer beim dual use als Verbraucher behandelt werden möchte, sollte dies von Anfang an klarstellen. Die Beweislast liegt bei ihm.

     

    • 2.Der dauerhafte Datenträger 
    • In § 126b BGB n.F. wird der Begriff des dauerhaften Datenträgers eingeführt und definiert. E-Mails gehören dazu. Näheres hierzu wie allgemein zum neuen Recht bei Wendehorst, NJW 14, 577.

     

    • 3. Änderungen beim Rücktrittsrecht nach § 323 BGB
    • Bei Kauf- und Werkverträgen läuft der Rücktritt bei Mangelhaftigkeit über § 323 BGB, gleich, ob Verbrauchervertrag oder B2B. Wenn der Käufer/Besteller die grundsätzlich erforderliche Frist nicht gesetzt hat, stellt sich die Frage der Entbehrlichkeit. Dafür gab es in § 323 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 BGB a.F. drei Sondertatbestände. Aus Sicht des Gewährleistungsrechts besonders relevant waren die Nr. 1 und Nr. 3. Nr. 1 (ernsthafte und endgültige Verweigerung) ist unverändert geblieben. Nr. 3 (besondere Umstände) hat man neu gefasst, allerdings ohne Auswirkung auf den Rücktritt bei Mangelhaftigkeit. Fazit: Entwarnung für Gewährleistungssachen.

     

    • 4. Neuregelung bei den besonderen Vertriebsformen
    • Kern des neuen Gesetzes sind neben den Änderungen beim Widerrufsrecht (dazu Punkt 5) die Neufassungen im Untertitel 2, jetzt „Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen“. Ins Auge sticht die Ersetzung der „Haustürgeschäfte“ durch die „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge (AGV). Mit der Umbenennung ist es nicht getan. Der Kreis der Geschäfte ist erheblich erweitert worden - auch zulasten der Anwälte.
      • Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (AGV)
    • Gemeint sind die Geschäftsräume des Unternehmers, nicht irgendwelche vier Wände. Den Räumen des Unternehmers gleichgestellt sind Gewerberäume von Personen, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handeln.

     

    • Was heißt das für Verträge, die der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall in den Räumen einer Werkstatt durch deren Vermittlung bzw. Empfehlung mit einem Anwalt oder einem Sachverständigen abschließt? Ein AGV? Prüfmaßstab ist § 312b Abs. 1 BGB n.F. Vermutlich wird man einen AGV bejahen, wenn der Anwaltsvertrag so zustande kommt wie im Fall LG Oldenburg VA 11, 148: Der Geschädigte unterzeichnet eine im Autohaus bereitliegende Vollmacht, die vom Autohaus an den Anwalt weitergeleitet wird. Der Anwalt tritt in die Regulierung ein, ohne den Mandanten jemals gesehen zu haben. Bisher war das standes-, zivil- und wettbewerbsrechtlich sauber, wenngleich manche Haftpflichtversicherer dies anders sehen. Mit der AGV-Problematik kommt jetzt ein Gesichtspunkt ins Spiel, der bei Kooperationen von Anwälten und auch von Sachverständigen mit Autohäusern und Werkstätten zu berücksichtigen ist. Zur Situation speziell für Kfz-Sachverständige s. E. Fuchs, Der Kfz-Anwalt, 5/2014.

     

    • Ein klarer Fall von AGV ist der Vertrag mit dem Abschleppunternehmen an der Unfallstelle. Gleiches gilt für den Reparaturvertrag, wenn er dort zustande kommt.

     

    • Für den Kfz-Handel wichtig ist die Konstellation, die in § 312b Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F. geregelt ist.

     

    • Beispiel | Verbraucher V schaut sich auf dem Ausstellungsgelände eines Autohauses die Gebrauchtwagenangebote an. Er wird von einem Autohausmitarbeiter angesprochen. Anschließend begibt man sich in das Büro, wo V das übliche Formular „verbindliche Bestellung eines Gebrauchtfahrzeugs“ unterzeichnet. Nach dem Gesetzeswortlaut handelt es sich um ein AGV. Das hat zur Folge, dass V ein Widerrufsrecht auch dann hat, wenn der Kauf nicht finanziert ist. Näheres zum Widerrufsrecht unter Punkt 5.

     

    • Eine vergleichbare outdoor-indoor-Situation liegt vor, wenn die Werkstatt den Unfallwagen an der Unfallstelle abholt und man auf dem Weg zur Werkstatt über eine Reparatur spricht, der Reparatur-Auftragsschein aber erst in den Werkstatträumen unterzeichnet wird.
      • Fernabsatzverträge und Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr 
    • Die Definition der Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr ist unverändert geblieben. Was den Anwendungsbereich der Fernabsatzverträge angeht, sind die Änderungen marginal. In die Aufzählung der Fernkommunikationsmittel (FKM) hat man die SMS aufgenommen (§ 312c Abs. 2 BGB n.F.). Kein Fernabsatzvertrag liegt vor, wenn die Vertragsverhandlungen im Geschäft des Unternehmers geführt wurden und der Vertragsabschluss danach unter Einsatz von FKM erfolgt. Die Verhandlungen müssen sich auf das konkrete Geschäft beziehen. Ein Besuch im Geschäft des Unternehmers nur zum Zwecke der Information steht der Annahme eines Fernabsatzvertrags nicht entgegen. Die bisherigen Abgrenzungsprobleme bleiben.

     

      • Bereichsausnahmen
    • Bei AGV wie bei Fernabsatzverträgen hat ein Verbraucher in einer Reihe von Fällen ausnahmsweise kein Widerrufsrecht. Aus Sicht des Verkehrsrechts interessieren an dieser Stelle § 312g Abs. 1 Nr. 9 BGB n.F. (Kraftfahrzeugvermietung) und Nr. 11 (dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten nach Aufforderung durch den Verbraucher). Eine analoge Anwendung einer der zahlreichen Ausnahmeregelungen auf Anwalts- und Sachverständigenverträge wird zwar diskutiert, erscheint aber rechtlich kaum vertretbar.

     

    • Wichtig | Bei der Autovermietung entfällt das Widerrufsrecht nur, wenn die Mietzeit konkret bestimmt ist. Es genügt ein bestimmbarer Zeitraum wie „bis Reparaturende“. Unter die sog. Rohrbruchklausel in Nr. 11 fällt z.B. ein Pannendiensteinsatz, dem Wortlaut nach aber nicht das Abschleppen des Unfallfahrzeugs.
    • 5.Das Widerrufsrecht - schon wieder neu
    • Gerade erst geändert, wird das Widerrufsrecht abermals umgekrempelt. Grundnorm ist § 355 BGB n.F. mit allgemeinen Bestimmungen, von denen die folgenden die bedeutsamsten sind:

     

      • Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 355 Abs. 2 BGB n.F.). Für eine Vielzahl von Fallgestaltungen ist etwas anderes mit der Folge bestimmt, dass die Widerrufsfrist erst nach Vertragsschluss unter zusätzlichen Voraussetzungen zu laufen beginnt. Näheres unter 5 a).

     

      • Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Textform ist nicht vorgesehen, ein Telefonanruf genügt also. Da der Verbraucher die Erklärung wie deren Rechtzeitigkeit nachweisen muss, empfiehlt sich Textform mit Verwendung des Begriffs „Widerruf“.

     

      • Im Fall des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren (§ 355 Abs. 3 S. 1 BGB n.F.). Näheres unter 5 c) und 5 d).

     

      • a)Einzelheiten zum Beginn der Widerrufsfrist
    • Der Grundsatz „Beginn mit Vertragsschluss“ kennt zahlreiche Ausnahmen, z.B.

     

      • bei einem Verbrauchsgüterkauf im Fernabsatz oder im AGV-Direktvertrieb beginnt die Frist erst mit Erhalt der Ware (§ 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB n.F.).

     

      • nach § 356 Abs. 3 S. 1 BGB n.F. beginnt die Frist in AGV-Fällen und beim Fernabsatz nicht, bevor der Unternehmer die ihm in punkto Widerrufsrecht obliegenden Informationspflichten erfüllt hat. Im Klartext: Nicht jeder Informationsfehler schiebt den Fristbeginn hinaus, aber ohne Widerrufsbelehrung oder bei falscher Belehrung kein Fristbeginn. Für die Widerrufsbelehrung gibt es ein neues Muster, das der Unternehmer im eigenen Interesse verwenden sollte.

     

      • bei Verbraucherdarlehensverträgen ist § 356b BGB n.F. zu beachten (Besonderheiten beim Fristbeginn).
      • b)Erlöschen des Widerrufsrechts - kein „ewiges“ Widerrufsrecht mehr
    • Bei unterbliebener wie bei fehlerhafter Belehrung gibt es kein unbefristetes („ewiges“) Widerrufsrecht mehr. Es erlischt spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss (§ 356 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. - AGV und Fernabsatz). Bei einem Vertrag „zur Erbringung von Dienstleistungen“ (Anwaltsvertrag, Sachverständigenauftrag), abgeschlossen per AGV oder unter Fernabsatzbedingungen, ist als zusätzlicher Tatbestand für das Erlöschen des Widerrufsrechts § 356 Abs. 4 S. 1 BGB n.F. zu berücksichtigen. Ergänzt wird diese Honorar-Sicherungsregelung durch § 357 Abs. 8 BGB n.F. (Wertersatz für bis zum Widerruf erbrachte Leistungen).

     

    • Verstöße gegen Form- und Informationsvorschriften beim Verbraucherdarlehensvertrag haben besondere Auswirkungen. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierungen der §§ 495, 355, 356b BGB n.F.

     

      • c)Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrags
    • Grundnorm ist § 355 Abs. 3 S. 1 BGB, wonach die empfangenen Leistungen im Fall des wirksamen Widerrufs unverzüglich zurückzugewähren sind. Je nach Vertragstyp gibt es Sonderregelungen, so
      • für AGV und Fernabsatzverträge in § 357 BGB n.F.,
      • für Verträge über Finanzdienstleistungen in § 357a BGB n.F. und
      • für verbundene Verträge wie den verbundfinanzierten Fahrzeugkauf in § 358 Abs. 4 BGB n.F.
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    • Die Anwendung des Rücktrittsfolgenrechts ist für alle Geschäftstypen ausgeschlossen (§ 361 Abs. 1 BGB n.F.) - eine wichtige Neuerung.
    • Wertersatz bei AGV und Fernabsatz: Sofern der Verbraucher die empfangene Ware bzw. Leistung nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgeben kann, bestimmt sich der Wertersatz für einen Wertverlust in Fällen des AGV und des Fernabsatzes (Finanzdienstleistungen ausgenommen) abschließend nach den Abs. 7 und 8 des § 357 BGB n.F. (Abs. 9 interessiert hier nicht). Für eine Nutzung, die zu keinem Wertverlust geführt hat, ist kein Wertersatz zu leisten. M.a.W.: wertminderungsfreies Fahren muss nicht vergütet werden, eine Besserstellung des Verbrauchers gegenüber dem alten Recht.

     

    • Eine von der Prüferlaubnis nach § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB n.F. gedeckte Nutzung ist selbst bei Eintritt eines Wertverlustes vom Händler entschädigungslos hinzunehmen.

     

      • d)Rückabwicklung beim finanzierten Kauf im stationären Handel 
    • Durch die Erklärung des Widerrufs wird gem. § 355 Abs. 3 S. 1 BGB n.F. ein Rückabwicklungsschuldverhältnis ausgelöst, wonach die empfangenen Leistungen an den Kreditgeber bzw. den Verbraucher zurückzugewähren sind. Für die Abwicklung des widerrufenen (Darlehens-)Vertrages gelten keine Besonderheiten; maßgeblich sind also die §§ 355 Abs. 3, 357a BGB n.F. Für den nicht widerruflichen, sondern nur vom Widerruf erfassten Kaufvertrag richtet sich die Abwicklung nach § 357 BGB. Für den Wertersatz gilt damit - wie beim AGV und Fernabsatz - § 357 Abs. 7 BGB n.F. (s. o. Buchst. c).
    • 6.Neue Informationspflichten
    • Für praktisch alle Verbraucherverträge bestehen umfangreiche Informationspflichten. Neu ist vor allem, dass davon auch im stationären Handel geschlossene Verträge betroffen sind, z.B. Fahrzeugkäufe. Unter die Neuregelung fallen auch Reparaturverträge.

     

    • Zu unterscheiden ist zwischen den allgemeinen Informationspflichten im stationären Bereich (vgl. § 312a Abs. 2 BGB n.F. i.V.m. Art. 246 EGBGB) und den besonderen Informationspflichten bei AGV und Fernabsatz (§ 312d Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. Art. 246a EGBGB). Pflichtangaben bei AGV und Fernabsatz (z.B. „wesentliche Eigenschaften“ des Autos, der Liefertermin u.a.) werden Vertragsinhalt, sofern nicht etwas anderes ausdrücklich vereinbart worden ist (§ 312d Abs. 1 S. 2 BGB n.F.).

     

    • Verstöße gegen die extrem weitgehenden Informationspflichten (man lese die Art. 246/246a EGBGB) haben vielfältige Rechtsfolgen: bei fehlender oder unzureichender Widerrufsbelehrung (aber auch nur dann) kein Beginn der Widerrufsfrist, Schadenersatz aus c.i.c., Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG, eventuell auch Anfechtbarkeit nach § 119 Abs. 2 BGB und Rücktritt.

     

    • Von den rechtlichen Problemen abgesehen: Es stellt sich die Frage, wie die Betriebe die ihnen auferlegten Informationspflichten rein praktisch-technisch erfüllen sollen. Sie haben insoweit die Beweislast (§ 312k Abs. 2 BGB n.F.). Der Gesetzgeber hat das Problem mit Erleichterungen für AGV und Fernabsatz zu lösen versucht (Art. 246a § 4 EGBGB).

     

    • 7.Änderung des § 443 BGB - Garantie
    • Die Vorschrift wurde an die Definition in Art. 2 Nr. 14 der maßgeblichen EU-Richtlinie angepasst. Wesentliche inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden.
     

    Weiterführender Hinweis

    • Brönneke/Tonner, Das neue Schuldrecht, Verbraucherrechtsreform 2014, Internthandel | Widerrufsrecht | Informationspflichten, Nomos 2014

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 114 | ID 42733780