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  • · Fachbeitrag · Erhöhung des Kindergelds

    Auswirkungen auf die Zwangsvollstreckung

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Bereits in VE 18, 157 haben wir über die Pfändung von Geldleistungen für Kinder berichtet. Die Bundesregierung hat nun beschlossen, dass das Kindergeld zum 1.1.23 für das erste bis dritte Kind auf insgesamt 237 EUR pro Kind erhöht wird. Ab dem vierten Kind werden 250 EUR monatlich ausgezahlt. Die Neuerungen bringen ‒ nicht immer ‒ Verbesserungen mit sich. |

    1. Anspruchsberechtigte Gläubiger

    Pfändungsgläubiger sind ausschließlich Kinder, die „bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt werden“ (§ 76 Abs. 1 S. 1 EStG, § 54 Abs. 5 S. 1 SGB I). Zu unterscheiden sind Zahlkinder und Zählkinder:

     

    • Zahlkinder sind Kinder, für die die Leistung tatsächlich erbracht wird. Fällt ein Kind aus der Kindergeldzahlung heraus, rücken die jüngeren Kinder auf die freigewordene Position nach.

     

    • Zählkinder: Lebt ein Kind bei einem Ex-Partner, wird es als Zählkind bezeichnet. Folge: Jüngere (Halb-) Geschwister steigen in der Kindergeldhöhe auf, da das Kindergeld nach Zahl und Alter der Kinder gestaffelt ist. Vorteil: Es wird ein höheres Kindergeld ausgezahlt. Dies gilt aber nur bei einer entsprechenden Anzahl von Kindern und beschränkt sich auf höchstens vier Kinder. Hierdurch ergibt sich ein sog. Zählkindvorteil.

     

    • Beispiel 1: Zählkindervorteil ‒ Kindergeldbezug bis zum 31.12.22

    Schuldner S. hat drei minderjährige eheliche Kinder im Alter von eins, vier und neun Jahren. Daneben hat er noch ein nicht eheliches Kind im Alter von 17 Jahren. Dieses lebt bei der Mutter. S. erhält im Jahr 2022 monatlich folgendes Kindergeld ausgezahlt:

    Erstes Kind (17 Jahre):

    keine Auszahlung

    Zweites Kind (9 Jahre):

    219 EUR

    Drittes Kind (4 Jahre):

    225 EUR

    Viertes Kind (1 Jahr):

    250 EUR

    694 EUR

     

    Das nicht eheliche Kind ist ein Zählkind. Die drei Kinder aus der Ehe sind hingegen Zahlkinder. Der Schuldner kann das Zählkind bei der Kindergeldberechnung mitzählen. Die drei jüngeren Kinder werden somit wie die Kinder Nummer zwei, drei und vier gezählt. Ohne diesen Vorteil würde der Schuldner bei drei Zahlkindern erhalten:

    Erstes Kind (9 Jahre):

    219 EUR

    Zweites Kind (4 Jahre):

    225 EUR

    Drittes Kind (1 Jahr):

    225 EUR

    663 EUR

    Der Zählkindvorteil beträgt somit 694 EUR ‒ 663 EUR =

    31 EUR

     
    • Abwandlung: Neuregelung ab 1.1.23

    In Abwandlung zum Beispiel 1 erhält S. ab 1.1.23 monatlich folgendes Kindergeld:

    Erstes Kind (17 Jahre):

    keine Auszahlung

    Zweites Kind (9 Jahre):

    237 EUR

    Drittes Kind (4 Jahre):

    237 EUR

    Viertes Kind (1 Jahr):

    250 EUR

    724 EUR

     

    Ohne den Zählvorteil würde der Schuldner bei drei Zahlkindern erhalten:

    3 x 237 EUR, somit insgesamt

    711 EUR

    Der Zählkindvorteil beträgt somit 724 EUR ‒ 711 EUR =

    13 EUR

     

    2. Pfändungszugriff

    Bei Kindergeld ist zu unterschieden, ob ein Zahlkind vollstreckt und weitere Zählkinder vorhanden sind oder nicht oder ob (nur) ein Zählkind pfändet:

     

    a) Vollstreckung nur durch Zahlkind: Zählkinder sind nicht vorhanden

    Das dem Schuldner insgesamt zustehende Kindergeld wird in diesem Fall gleichmäßig auf alle Zahlkinder verteilt. Hierunter fallen auch Kinder, die nicht unterhaltsberechtigt sind, für die der Schuldner jedoch Kindergeld bezieht, z. B. Stiefkinder und Pflegekinder, die im Haushalt des Schuldners leben (Schlegel/Voelzke/Pflüger, jurisPK-SGB I, § 54 SGB I Rn. 111).

     

    • Beispiel 2: ein Zahlkind vollstreckt, keine weiteren Zahlkinder vorhanden

    Im Haushalt des S. lebt nur sein Ehegatte E. Das nicht eheliche Kind K. vollstreckt wegen titulierter gesetzlicher Unterhaltsansprüche. S. bezieht ab dem 1.1.23 monatlich Kindergeld von 237 EUR. Weitere Kinder existieren nicht.

     

    Lösung

    Das Kindergeld ist in voller Höhe pfändbar.

     
    • Beispiel 3: Altregelung bis zum 31.12.22

    S. hat insgesamt drei Kinder und bezieht für jedes Kindergeld. Ein Kind vollstreckt wegen titulierter gesetzlicher Unterhaltsansprüche.

     

    Lösung

    S. erhält für das erste und zweite Kind Kindergeld von 219 EUR monatlich. Für das dritte Kind erhält er monatlich 225 EUR, insgesamt also 663 EUR. Dieser Betrag ist auf die drei Kinder gleichmäßig zu verteilen. Somit ergibt sich ein Betrag von 221 EUR/Kind. Das vollstreckende Kind darf diesen Betrag pfänden.

     
    • Abwandlung: Neuregelung ab 1.1.23

    Ab dem 1.1.23 folgende Lösung: S. erhält für das erste bis dritte Kind Kindergeld von jeweils 237 EUR monatlich, insgesamt somit 711 EUR monatlich. Dieser Betrag ist auf die drei Kinder gleichmäßig zu verteilen. Somit ergibt sich ein Betrag von 237 EUR/Kind. Das vollstreckende Kind darf somit diesen Betrag pfänden.

     
    • Beispiel 4: Altregelung bis zum 31.12.22

    S. hat insgesamt vier Kinder und bezieht für jedes Kindergeld. Ein Kind vollstreckt wegen titulierter gesetzlicher Unterhaltsansprüche.

     

    Lösung

    S. erhält für das erste und zweite Kind Kindergeld von jeweils 219 EUR monatlich. Für das dritte Kind erhält er monatlich 225 EUR, für das vierte Kind jeweils monatlich 250 EUR, insgesamt somit 913 EUR monatlich. Dieser Betrag ist auf die vier Kinder gleichmäßig zu verteilen. Somit ergibt sich ein Betrag von 228,25 EUR/Kind. Das vollstreckende Kind darf diesen Betrag pfänden.

     
    • Abwandlung: Neuregelung ab 1.1.23

    In Abwandlung zum Beispiel 4 ergibt sich ab 1.1.23 folgende Lösung: S. erhält für das erste bis dritte Kind Kindergeld von jeweils 237 EUR monatlich. Für das vierte Kind erhält er monatlich 250 EUR, insgesamt somit 961 EUR monatlich. Dieser Betrag ist auf die vier Kinder gleichmäßig zu verteilen. Somit ergibt sich ein Betrag von 240,25 EUR/Kind. Das vollstreckende Kind darf diesen Betrag pfänden.

     

    b) Vollstreckung durch Zahlkind ‒ Zählkind(er) vorhanden

    Ist neben den Zahlkindern auch ein Zählkind vorhanden, wird der pfändbare Betrag zunächst ohne Berücksichtigung des Zählkindvorteils festgelegt (§ 54 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 SGB I). Anschließend wird nach § 54 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB I der Zählkindvorteil ermittelt und gleichmäßig auf alle (Zahl- und Zählkinder) verteilt (vgl. Schlegel/Voelzke/Pflüger, jurisPK-SGB I, a. a. O.).

     

    • Beispiel 5: Altregelung bis zum 31.12.22

    S. hat in seinem Haushalt insgesamt drei Kinder und ein weiteres nicht eheliches Kind, das bei der Kindesmutter lebt. Er bezieht für drei Kinder Kindergeld von jeweils 219 EUR monatlich für das erste und zweite Kind und monatlich 225 EUR für das dritte Kind, insgesamt somit 663 EUR. Ein Kind vollstreckt wegen titulierter gesetzlicher Unterhaltsansprüche.

     

    Lösung

     

    Schritt 1: Ermittlung des pfändbaren Betrags ohne Zählkindvorteil

    Der Gesamtbetrag von 663 EUR ist gleichmäßig auf die drei Zahlkinder zu verteilen. Somit ergibt sich ein Betrag von 221 EUR/Kind. Der pfändbare Betrag beträgt somit 221 EUR.

     

    Schritt 2: Ermittlung des Zählkindvorteils

    Erstes Kind (17 Jahre):

    keine Auszahlung

    Zweites Kind (9 Jahre):

    219 EUR

    Drittes Kind (4 Jahre):

    225 EUR

    Viertes Kind (1 Jahr):

    250 EUR

    694 EUR

     

    Der Zählkindvorteil beträgt somit 694 EUR ‒ 663 EUR =

     

    31 EUR

    Dieser Betrag ist auf alle Kinder, also Zahl- und Zählkinder, gleichmäßig zu verteilen: 31 EUR : 4 =

     

    7,75 EUR/Kind

    Der pfändbare Betrag ist somit 221 EUR + 7,75 EUR =

    228,75 EUR

     
    • Abwandlung: Neuregelung ab 1.1.23

    In Abwandlung zum Beispiel 5 ergibt sich ab 1.1.23 folgende Lösung:

     

    Der Kindergeldanspruch für drei Zahlkinder beträgt: 3 x 237 EUR monatlich, somit insgesamt 711 EUR.

     

    Schritt 1: Ermittlung des pfändbaren Betrags ohne Zählkindvorteil

    Der Gesamtbetrag von 711 EUR ist gleichmäßig auf die drei Zahlkinder zu verteilen. Somit ergibt sich ein Betrag von 237 EUR/Kind. Der pfändbare Betrag beträgt somit 237 EUR.

     

    Schritt 2: Ermittlung des Zählkindvorteils

    Erstes Kind (17 Jahre):

    keine Auszahlung

    Zweites Kind (9 Jahre):

    237 EUR

    Drittes Kind (4 Jahre):

    237 EUR

    Viertes Kind (1 Jahr):

    250 EUR

     

    724 EUR

    Der Zählkindvorteil beträgt somit 724 EUR ‒ 711 EUR =

    13 EUR

    Dieser Betrag ist auf alle Kinder, also Zahl- und Zählkinder, gleichmäßig zu verteilen: 13 EUR : 4 =

    3,25 EUR/Kind

    Der pfändbare Betrag ist somit 237 EUR + 3,25 EUR =

    240,25 EUR

     

    3. Vollstreckung durch Zählkind

    Ein Zählkind hat nur die Möglichkeit, den Anteil am Zählkindvorteil zu pfänden (§ 54 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 SGB I). Der Erhöhungsbetrag (§ 54 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 S. 1) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergelds berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder ergibt, die bei der Festsetzung des Kindergelds zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden.

     

    • Beispiel 6: Altregelung bis zum 31.12.22

    S. hat in seinem Haushalt insgesamt drei Kinder und ein weiteres nicht eheliches Kind, das bei der Kindesmutter lebt. Er bezieht für drei Kinder Kindergeld von jeweils 219 EUR monatlich für das erste und zweite Kind und monatlich 225 EUR für das dritte Kind, insgesamt somit 663 EUR. Das nicht eheliche Kind vollstreckt wegen titulierter gesetzlicher Unterhaltsansprüche.

     

    Lösung

     

    Schritt 1: Ermittlung des pfändbaren Betrags ohne Zählkindvorteil

    Die 663 EUR sind gleichmäßig auf die drei Zahlkinder zu verteilen. Somit ergibt sich ein Betrag von 221 EUR/Kind. Der pfändbare Betrag beträgt somit 221 EUR.

     

    Schritt 2: Ermittlung des Zählkindvorteils

    Erstes Kind (17 Jahre):

    keine Auszahlung

    Zweites Kind (9 Jahre):

    219 EUR

    Drittes Kind (4 Jahre):

    225 EUR

    Viertes Kind (1 Jahr):

    250 EUR

    694 EUR

    Der Zählkindvorteil beträgt somit 694 EUR ‒ 663 EUR =

    31 EUR

    Dieser Betrag ist gleichmäßig auf alle Kinder, also Zahl- und Zählkinder, zu verteilen:

    31 EUR : 4 =

     

    7,75 EUR/Kind

     

    Nur dieser Betrag ist somit für das Zählkind pfändbar.

     
    • Abwandlung: Neuregelung ab 1.1.23

    In Abwandlung zu Beispiel 6 ergibt sich ab 1.1.23 folgende Lösung: Der Kindergeldanspruch für drei Zahlkinder beträgt: 3 x 237 EUR monatlich, somit insgesamt 711 EUR.

     

    Schritt 1: Ermittlung des pfändbaren Betrags ohne Zählkindvorteil

    Der Gesamtbetrag von 711 EUR ist gleichmäßig auf die drei Zahlkinder zu verteilen. Somit ergibt sich ein Betrag von 237 EUR/Kind. Der pfändbare Betrag beträgt somit 237 EUR.

     

    Schritt 2: Ermittlung des Zählkindvorteils

    Erstes Kind (17 Jahre):

    keine Auszahlung

    Zweites Kind (9 Jahre):

    237 EUR

    Drittes Kind (4 Jahre):

    237 EUR

    Viertes Kind (1 Jahr):

    250 EUR

    724 EUR

     

    Der Zählkindvorteil beträgt somit 724 EUR ‒ 711 EUR =

     

    13 EUR

    Dieser Betrag ist auf alle Kinder, also Zahl- und Zählkinder, gleichmäßig zu verteilen:

    13 EUR : 4 =

     

    3,25 EUR/Kind

    Der pfändbare Betrag beträgt somit

    3,25 EUR

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Pfändung von Geldleistungen für Kinder: Das müssen Gläubiger beachten, VE 18, 157
    Quelle: Ausgabe 12 / 2022 | Seite 223 | ID 48613146