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  • · Fachbeitrag · Mindestlohn

    Hoffnung für Gläubiger bei Lohnverschleierung

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD steht die Vereinbarung eines Mindestlohnmodells im Mittelpunkt. Kommt der flächendeckende Mindestlohn, profitieren davon auch Gläubiger. |

    1. Lohnverschleierungstaktiken

    Oft gibt der Schuldner im Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft an, dass er im Betrieb seines Ehegatten oder seiner Eltern arbeitet und ein Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze bezieht oder dass er von seiner Lebensgefährtin mitversorgt wird. Hier liegt es nahe, dass er versucht, sein wahres (höheres) Einkommen zu verschweigen. Man spricht von Lohnverschleierung, weil der Schuldner dauerhaft - durchaus auch als Teilzeitbeschäftigter (LAG Hamm NZA 88, 657) - für einen Dritten arbeitet, wobei eine unverhältnismäßig geringe oder keine Vergütung gezahlt wird. In diesen Fällen gilt zwischen Drittschuldner und Schuldner eine angemessene Vergütung als geschuldet, die gepfändet werden kann (§ 850h Abs. 2 ZPO; Goebel VE 00, 136).

     

    Der Wert der erbrachten Arbeitsleistung bemisst sich regelmäßig an den 
tariflichen Mindestlöhnen oder an der üblichen Vergütung im Sinne von § 612 BGB (OLG Oldenburg JurBüro 95, 104; LAG Hamm JurBüro 97, 273). Liegt es nach den Gesamtumständen nicht völlig fern, dass im Verhältnis zwischen dem Schuldner und seinem Arbeitgeber ein Teil des Einkommens des Schuldners verschleiert werden könnte, muss der Schuldner im Rahmen seiner Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 ZPO auch Angaben darüber machen, welche Tätigkeiten er für seinen Arbeitgeber ausführt und wie viele Wochenstunden er pro Woche für diesen tätig ist. Der Gläubiger kann hiernach auch verlangen, dass der Schuldner ihm die von seinem Arbeitgeber für die letzten drei 
Monate erteilten Gehaltsabrechnungen herausgibt (LG Köln DGVZ 02, 186).

    2. Problem: Nachweis der Lohnverschleierung

    Geschuldet wird eine angemessene Vergütung. Angemessen ist eine Vergütung, die der Drittschuldner einem fremden Arbeitnehmer für eine entsprechende Dienstleistung üblicherweise gewähren müsste. Praktisch ist danach zu fragen, ob der Drittschuldner durch die Beschäftigung des Schuldners 
eine Arbeitskraft einspart und was diese regelmäßig für die vom Schuldner geleistete Tätigkeit verdienen würde (Goebel, a.a.O.).

     

    Achtung | Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine angemessene Vergütung gemäß § 850h Abs. 2 ZPO zusteht, ist gegebenenfalls vom Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten Einziehungserkenntnisverfahren zu entscheiden (BGH, VE 13, 213). Zuständiges Gericht ist das für die Leistungsklage des Schuldners auf Zahlung des Arbeitslohns zuständige 
Gericht, in der Regel also das Arbeitsgericht2 ArbGG). Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich dieser Voraussetzungen obliegt der klagenden Partei (BAG InVo 06, 199; MDR 96, 1155; OLGR Bremen 01, 144). Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Sachvortrag zur Begründung des Klageanspruchs schlüssig, wenn Tatsachen seitens des Klägers vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend 
gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen (BGH NJW 91, 2707). Dabei ist die Klagepartei nicht verpflichtet, den streitigen Lebenssachverhalt in allen Einzelheiten darzustellen. Vielmehr genügt eine Prozesspartei ihrer Darlegungspflicht bereits dadurch, dass sie die 
Umstände vorträgt, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der 
begehrten Rechtsfolge ergeben (BGH NJW-RR 02, 1433). Bezogen auf die vom Gläubiger darzulegenden Tatbestandsmerkmale der regelmäßigen Arbeit für den Drittschuldner und der Unangemessenheit der Vergütung gemäß § 850h Abs. 2 ZPO folgt daraus die Verpflichtung der Klagepartei, Art und zeitlichen Umfang der Arbeitsleistungen des Schuldners darzulegen. Der Gläubiger muss ferner mit seinem Sachvortrag dem Gericht einen Vergleich zwischen der für die behauptete Arbeitsleistung angemessenen Vergütung und der tatsächlich gezahlten Vergütung ermöglichen, um das Merkmal der Unangemessenheit des vom Drittschuldner geleisteten Entgelts zu überprüfen.

     

    Eine Beweisaufnahme zu einer erheblichen Tatsache kann nur abgelehnt werden, wenn ihre Erheblichkeit mangels näherer Bezeichnung der unter Beweis gestellten Tatsachen nicht zu beurteilen ist oder wenn sie lediglich in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, tatsächlich aber erkennbar aus der Luft gegriffen, also ohne jeden Anhaltspunkt ins Blaue hinein aufgestellt ist und sich dieser Vortrag deshalb als Rechtsmissbrauch darstellt. Dabei ist hinsichtlich einer solchen Annahme Zurückhaltung geboten (BGH NJW 92, 1967). Darlegungs- und Beweiserleichterungen sind nur anzunehmen, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben des Streitverkündeten bzw. des Drittschuldners ungenügend oder fehlerhaft sind.

     

    Legt der Schuldner einen schriftlichen Dienstvertrag vor, der eine bestimmte Arbeitszeit ausweist, die wesentlich unterhalb der regelmäßigen Wochenarbeitszeit (40 Stunden) liegt, genügt der Gläubiger seiner Darlegungslast, wenn er Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass der Schuldner die von ihm erbrachte Leistung nach der Lebenserfahrung nicht innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit (hier: 8 Wochenstunden) erbringen kann (OLGR Bremen 01, 144).

    3. Fazit

    Kommt der Mindestlohn von 8,50 EUR, haben es Gläubiger im Drittschuldnerprozess wesentlich einfacher eine angemessene Vergütung durch das Gericht festlegen zu lassen. Denn dann ist bundesweit dieser Stundenlohn anzusetzen. Hierdurch bestehen deutlich bessere Chancen zur Befriedigung der vollstreckbaren Forderung. Dabei sind allerdings auch die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (§ 850h Abs. 2 S. 2 ZPO), sodass durchaus bei bestimmten branchenspezifischen Berufen auch ein über dem Mindestlohn geschuldeter Betrag anzusetzen ist.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 217 | ID 42396440