· Fachbeitrag · Vermögensverzeichnis
So greifen Sie auf bereits gepfändete Sachen zu
von Rechtsfachwirt Michael Wohlgemuth, MüllerNöthen Rechtsanwälte, Koblenz
| Die Auswertung des Vermögensverzeichnisses kann ergeben, dass Sachen des Schuldners bereits von anderen Gläubigern gepfändet wurden. Der folgende Beitrag zeigt, welche Rechte in einem solchen Fall bestehen. |
1. Angaben zu bereits gepfändeten Sachen
Im Vermögensverzeichnis muss der Schuldner unter Abschnitt A Nr. 10.c) die Sachen angeben, die bereits durch einen anderen Gläubiger gepfändet wurden. Insbesondere muss der Schuldner dabei den Zeitpunkt sowie die der Pfändung zugrunde liegende Forderung bekanntgeben.
Achtung | Hier sind lediglich bereits gepfändete, bewegliche körperliche Gegenstände anzugeben! Etwaige bereits gepfändete Forderungen des Schuldners sind von dieser Frage nicht umfasst. Diese müssen vielmehr unter Abschnitt B Nr. 23 des Vermögensverzeichnisses aufgeführt werden.
2. Zugriff erfolgt nach § 826 ZPO durch Anschlusspfändung
Wurde eine bewegliche körperliche Sache bereits gepfändet, kann auf diese im Wege der Anschlusspfändung (§ 826 ZPO) nochmals zugegriffen werden, und zwar sowohl
- durch denselben Gläubiger wegen einer anderen Vollstreckungsforderung oder
- einen anderen Gläubiger.
In diesen Fällen entfallen dann die Formalitäten der Erstpfändung (Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckungsrecht, 6. Aufl.,§ 826 Rn. 1 m.w.N.).
Checkliste / Voraussetzungen der Anschlusspfändung |
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Wichtig | Ein Verstoß gegen diese Voraussetzungen macht die Pfändung nichtig. Wegen der weiteren vom Gerichtsvollzieher zu beachtenden Einzelheiten wird auf § 167 GVGA verwiesen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, dem anderen Gerichtsvollzieher, der die erste Pfändung bewirkt hat, eine Abschrift des Protokolls zuzustellen (§ 826 Abs. 2 ZPO) bzw. den Schuldner von den weiteren Pfändungen in Kenntnis zu setzen (§ 826 Abs. 3 ZPO) beeinträchtigt hingegen die Wirksamkeit der Pfändung nicht (RGZ 13, 345).
3. Durchführung der Anschlusspfändung
Um die Anschlusspfändung zu bewirken, „genügt“ die Erklärung des Gerichtsvollziehers, dass er die schon gepfändeten Sachen für seinen Auftraggeber gleichfalls pfändet. Die Erklärung ist unter genauer Zeitangabe in das Pfändungsprotokoll (§ 762 ZPO) aufzunehmen. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
- Die Erstpfändung wurde von einem anderen Gerichtsvollzieher bewirkt: In diesem Fall ist dem anderen Gerichtsvollzieher eine Abschrift des Pfändungsprotokolls zuzustellen. Die Anschlusspfändung ist dann mit der sie vollziehenden Erklärung bewirkt.
- Derselbe Gerichtsvollzieher hat die erste Pfändung und die Anschlusspfändung bewirkt: In diesem Fall ist sicherzustellen, dass bei der weiteren Bearbeitung, insbesondere bei der Versteigerung, keine der Pfändungen übersehen werden kann. So muss der Gerichtsvollzieher besonders darauf achten, dass Pfändungspfandrechte ruhender Vollstreckungen nicht gefährdet werden. Er vergewissert sich daher, dass die erste Pfändung eine wirksame Verstrickung herbeigeführt hat und dass diese noch besteht. Dazu muss der Gerichtsvollzieher das Protokoll der Erstpfändung einsehen.
PRAXISHINWEIS | Die Vornahme einer Anschlusspfändung kann auch vor verschlossener Tür erfolgen, wenn weder der Schuldner noch eine Ersatzperson angetroffen wird. Denn gemäß §§ 758, 759 ZPO ist eine Vollstreckungshandlung auch in Abwesenheit des Schuldners ebenso zulässig wie die Öffnung verschlossener Türen (LG Braunschweig DGVZ 62, 139; AG Bremen DGVZ 71, 4; AG Fürth DGVZ 77, 14; a.A. AG Elmshorn DGVZ 92, 46, wenn gepfändete Sachen nicht mehr beim Schuldner vorhanden, sondern bereits in der Pfandkammer sind). Die Pfändung ist darüber hinaus ohne Rücksicht darauf vorzunehmen, ob sich nach Befriedigung der Gläubigeransprüche der Erstpfändung und der Kosten der ersten Vollstreckung noch ein Überschuss erwarten lässt. Dies gilt jedoch nur, wenn die Befriedigung des Gläubigers aus anderen Pfandstücken nicht erlangt werden kann, sie vom Gläubiger ausdrücklich verlangt wird oder die Befriedigung - aus besonderen Gründen - zweckentsprechender erscheint als die Pfändung anderer, noch nicht gepfändeter Sachen (§ 167 Abs. 4 S. 2 GVGA). |
Bestehen bereits Vorpfändungen, die den Wert der gepfändeten Sache nahezu erreichen und ist mit erheblichen Folgekosten (z.B. Verwahrkosten) zu rechnen, muss der Gerichtsvollzieher, welcher die Anschlusspfändung ausbringen will, den Gläubiger informieren
- in welcher konkreten Höhe eine vorgehende Pfändung ausgebracht wurde,
- welche Verwahrkosten evtl. schon entstanden sind und noch entstehen werden und
- welchen Rang die Anschlusspfändung hat.
Wichtig | Diese Informationen sollte der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger möglichst vor der Ausführung der Anschlusspfändung, spätestens jedoch mit der Übersendung des Pfändungsprotokolls zukommen lassen. Andernfalls liegt eine unrichtige Sachbehandlung seitens des Gerichtsvollziehers i.S.d. § 7 GvKostG vor, was wiederum zur Folge hat, dass die entstandenen Verfahrenskosten nicht in Ansatz gebracht werden können (Gottwald/Mock, a.a.O., Rn. 3; LG Frankfurt am Main 21.2.1989, 2/9 T 917/88).
4. Das bewirkt die Anschlusspfändung
Für Neugläubiger wird durch die Anschlusspfändung ein selbstständiges Pfändungspfandrecht gemäß § 804 Abs. 1 ZPO begründet (§ 804 Abs. 3 ZPO). Hieraus ergibt sich für nachrangige Gläubiger ein Anspruch auf Befriedigung aus einer vorgenommenen Verwertung. Eine Zuteilung aus dem Erlös erfolgt jedoch nur aus dem Teil, der nach Deckung des Anspruchs aus dem vorgehenden Recht verbleibt (§ 167 Abs. 6 S. 2 GVGA). Stellt sich heraus, dass die vorrangige erste Pfändung unwirksam ist, erhält die Anschlusspfändung den Rang der Erstpfändung (Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 826 Rn. 4; a.A. Musielak/ Becker, ZPO, 10. Aufl., § 826 Rn. 2).
Achtung | Vorsichtshalber sollten Gläubiger stets beantragen, auch eine Erst- bzw. Neupfändung für den Fall durchzuführen, dass sich die vorausgegangene Erstpfändung als unwirksam herausstellt.
Die Stundung seitens eines Gläubigers oder die Einstellung des Verfahrens gegenüber einem Gläubiger hat auf die Fortsetzung der Vollstreckung für die anderen Gläubiger keinen Einfluss (§ 167 Abs. 7 GVGA). Jeder Gläubiger einer Anschlusspfändung ist berechtigt, die Vollstreckung selbstständig weiter zu betreiben. Werden gepfändete Gegenstände auf Betreiben eines Anschlussgläubigers versteigert, während die Vollstreckung des vorgehenden Gläubigers ruht, steht der Erlös nach Abzug der Versteigerungsgebühren (§ 15 Abs. 1 GvKostG) dem im Rang vorgehenden Gläubiger zu. Die Auslagen der Versteigerung muss der Anschlussgläubiger als Antragsteller tragen (AG Aschaffenburg DGVZ 77, 142).
Wird die Vollstreckung fortgesetzt, ist der Gläubiger, der gestundet hat oder demgegenüber die Vollstreckung eingestellt ist, zur Wahrung seiner Interessen ohne Verzug zu benachrichtigen. Der auf diesen Gläubiger entfallende Betrag ist zu hinterlegen.
- Im Fall der Einstellung unter Vorbehalt einer anderweitigen Überweisung, falls der Anspruch des Gläubigers ganz oder teilweise wegfallen sollte.
- Im Fall der Stundung bedarf es beim Einverständnis des Schuldners mit der Zahlung nicht der Hinterlegung, sofern sie nicht aus anderen Gründen erfolgen muss.
Stellt sich heraus, dass bei der Erlösverteilung die erste Pfändung übergangen wurde, besteht gegen den Gläubiger der Anschlusspfändung ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB, gegebenenfalls bestehen auch Amtshaftungsansprüche gegen den Staat.
Ist derselbe Gegenstand im Verwaltungsvollstreckungsverfahren oder zur Beitreibung von Abgaben oder durch den Gerichtsvollzieher für andere Auftraggeber gepfändet, sind die besonderen Bestimmungen zu beachten, die hierfür in Betracht kommen (§ 6 JBeitrO, noch anzuwendende landesrechtliche Vorschriften, §§ 307, 308 AO). Ist die erste Pfändung mittels Verwaltungsvollstreckung erfolgt, muss der Gerichtsvollzieher bei einer folgenden Vollstreckung nach der ZPO die Form der Erstpfändung (§ 808 ZPO; § 167 Abs. 9 S. 2 GVGA) wählen.
5. Vollstreckungserinnerung als Rechtsbehelf
Der Anschlusspfändende kann mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO Mängel der Erstpfändung geltend machen, nicht jedoch umgekehrt, weil der Erstpfändende von Mängeln der Anschlusspfändung nicht betroffen ist. Hat ein Dritter nach einer Erstpfändung beim Schuldner gegenüber dem Gerichtsvollzieher an einem Gegenstand ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend gemacht, muss ihn der Gerichtsvollzieher über eine Anschlusspfändung desselben Gegenstands unterrichten, damit er Gelegenheit erhält, von dem Gläubiger eine Freigabe zu erwirken oder gegen ihn nach § 771 ZPO vorzugehen (BGH NJW-RR 08, 338; Gottwald/Mock, a.a.O., Rn. 5). Diese Rechte kann der Dritte nur wahrnehmen, wenn ihm die eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen bekannt sind, er also hierüber unterrichtet worden ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Dritte durch Pfändungsmaßnahmen beeinträchtigt wird.
6. Kosten des Gerichtsvollziehers
Für die Bewirkung der Anschlusspfändung stehen dem Gerichtsvollzieher 20 EUR zu (KV Nr. 205 als Anlage zu § 9 GvKostG). Darüber hinaus kann der Gerichtsvollzieher gegebenenfalls einen Zeitzuschlag nach KV Nr. 500 als Anlage zu § 9 GvKostG erheben.