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  • Anwaltsgebühren

    Die Zahlungsaufforderung an den Schuldner kostet eine Vollstreckungsgebühr

    von Bürovorsteher Detlev Schönemann, Würzburg

    Nach Erlangung eines Titels besteht die erste Handlung eines Gläubigervertreters regelmäßig darin, den Schuldner – auftragsgemäß – mittels Zahlungsaufforderung unter Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Zahlung zu bewegen, wenn dieser nicht freiwillig zahlt. In Literatur und Rechtsprechung ist es in diesem Zusammenhang umstritten, ob dem Gläubigeranwalt für sein Tätigwerden eine Vollstreckungsgebühr nach § 57 BRAGO zusteht oder nicht. Der folgende Beitrag zeigt, unter welchen Voraussetzungen diese Gebühr entsteht und wie sie auf den Schuldner abgewälzt werden kann.

    Bereits die Zahlungsaufforderung stellt eine Vollstreckungsmaßnahme dar

    Die anwaltliche Aufforderung an den Schuldner zur Leistung unter Androhung der Zwangsvollstreckung ist nach herrschender Ansicht nicht dem Erkenntnisverfahren zuzurechnen, da so kein Titel mehr geschaffen werden soll. Die Tätigkeit des Anwalts dient eher der Durchsetzung des Titels und steht damit dem Vollstreckungsverfahren näher (ArbG Mannheim, Beschluss, 3.7.80, JurBüro 80, 1684; KG Berlin, Beschluss, 18.6.82, JurBüro 83, 242). Dadurch, dass der Schuldner zur freiwilligen Zahlung vor Einleitung der Vollstreckung angehalten werden soll, hat die Zahlungsaufforderung auch die Funktion einer Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner nicht freiwillig zahlt.

    Hinzu kommt, dass das Gesetz dem Schuldner nach der Verkündung eines vollstreckbaren Urteils keine weitere Zahlungsfrist gewährt. Das Urteil stellt vielmehr die schon länger bestehende Zahlungsverpflichtung des Schuldners fest. Dieser weiß, dass er mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen muss, wenn er nicht bald leistet. Insofern ist es gerechtfertigt, das Entstehen einer 3/10-Gebühr für die Zahlungsaufforderung an den Schuldner zu bejahen, auch wenn er freiwillig leistet (OLG Karlsruhe, Beschluss, 26.6.92, JurBüro 93, 25; OLG Saarbrücken, Beschluss, 6.11.1981, JurBüro 82, 242; KG Berlin, Beschluss, 17.6.97, InVo 97, 340). Dies gilt erst recht, wenn der Schuldner nicht freiwillig zahlt. Hier muss er mit einer Vollstreckung rechnen. Insofern ist es nicht verständlich, weshalb das mildere Mittel der Zahlungsaufforderung für ihn vorteilhafter sein sollte als die eigentliche Zwangsvollstreckung.

    Die Zahlungsaufforderung an Gesamtschuldner löst die Gebühr mehrfach aus

    Erteilt ein Gläubigeranwalt gegen mehrere Gesamtschuldner Vollstreckungsaufträge, entstehen nach herrschender Meinung mehrere Gebühren nach § 57 BRAGO, selbst wenn die Forderung auf einem Titel beruht. Es ist unerheblich, ob die Aufträge in einem oder in mehreren Schriftsätzen gestellt werden. Da die Aufforderung mit Vollstreckungsandrohung bereits eine Vollstreckungsmaßnahme darstellt, löst auch die Aufforderung an mehrere Gesamtschuldner die Vollstreckungsgebühr mehrfach aus (OLG Düsseldorf 1.3.83, Rpfleger 83, 330; OLG Hamm 6.1.86, AnwBl. 88, 357; a.A. OLG Köln, Beschluss, 6.7.92, JurBüro 93, 602). Seit 1. Januar 1999 haften die Gesamtschuldner für diese Gebühren als Kosten der Zwangsvollstreckung gesamtschuldnerisch.

    Hinweis: Muss der Anwalt im Anschluss daran die Zwangsvollstreckung betreiben, ist die für den Vollstreckungsauftrag erneut entstehende 3/10-Gebühr des § 57 BRAGO auf die vorher entstandene Vollstreckungsgebühr anzurechnen (LG Koblenz 15.5.95, DGVZ 96, 12; LG Köln 29.9.94, DGVZ 95, 10; AG Berlin-Charlottenburg 15.5.98, DGVZ 98, 175).

    Hängt Erstattung durch Schuldner von Titelzustellung ab?

    Die Vollstreckungsgebühr für die Zahlungsaufforderung an den Schuldner ist nur dann von diesem zu erstatten, wenn sie notwendig i.S. des § 788 ZPO ist (OLG Düsseldorf, Beschluss, 9.10.90, JurBüro 91, 231 m.w.N.). Viele Gerichte bejahen dies nur dann, wenn im Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens sämtliche Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung – also insbesondere auch die Titelzustellung – vorliegen (z.B. LAG Hamm, Beschluss, 25.8.93, MDR 94, 202; AG Schwäbisch Hall, Beschluss, 18.10.80, DGVZ 81, 91). Daraus wird gefolgert: Fordert der Anwalt des Gläubigers den Schuldner zur „freiwilligen“ Zahlung auf, bevor diesem der Titel zugestellt wurde, so ist die entstandene Vollstreckungsgebühr nicht vom Schuldner zu erstatten.

    Hinweis: Einige Gerichte halten auch die Erteilung der Klausel (ArbG Dortmund 27.7.90, JurBüro 90, 1521) oder sogar die Leistung einer angeordneten Sicherheit (OLG Koblenz 15.2.85, Rpfleger 85, 376) für erforderlich.

    Gegen das Erfordernis der Titelzustellung kann sprechen: Die zeitlich geringfügig vorgezogene anwaltliche Zahlungsaufforderung ist eine Maßnahme, die durchaus auch im Interesse des Schuldners liegt. Denn anstatt den Schuldner bei Zustellung des Titels unter gleichzeitiger Vollstreckungsandrohung zur Zahlung aufzufordern, könnte der Gläubiger sofort den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung und gleichzeitigen Vollstreckung beauftragen. In diesem Fall ist die Erstattungsfähigkeit der Vollstreckungsgebühr nicht zweifelhaft; der Schuldner würde zudem mit weiteren Kosten des Gerichtsvollziehers belastet. Daher stellt sich das anwaltliche Aufforderungsschreiben als schonendere Maßnahme dar, die den Gläubiger(-anwalt) nicht schlechter stellen darf (so auch KG Berlin, Beschluss, 17.6.97, InVo 97, 340; OLG Frankfurt/ Main, Beschluss, 14.12.82, JurBüro 83, 870; LG Berlin, Beschluss, 27.1.87, JurBüro 87, 718; OLG Saarbrücken, Beschluss, 6.11.81, JurBüro 82, 242).

    Tipp: Um einen Streit um die Titelzustellung von vornherein zu vermeiden, sollte der Gläubiger spätestens mit der Zahlungsaufforderung den Titel in abgekürzter Form (§ 750 Abs. 1 ZPO) – durch Gerichtsvollzieher oder von Anwalt zu Anwalt – zustellen.

    14-tägige Wartefrist sollte unbedingt eingehalten werden

    Selbst wenn der Titel schon zugestellt sein sollte, ist zusätzlich eine angemessene Wartefrist einzuhalten. Nur so kann der Gläubiger sicher sein, die entstandene Vollstreckungsgebühr vom Schuldner erstattet und somit nach §§ 788, 103 ff. ZPO festgesetzt zu bekommen. Der Gläubiger muss also darauf achten, dass die Zahlungsaufforderung nicht verfrüht an den Schuldner erfolgt, das heißt: Er muss nach dem Erstreiten des Titels und vor einer Zahlungsaufforderung einen angemessenen Zeitraum abwarten, bevor er Vollstreckungsmaßnahmen einleitet (OLG Koblenz, Beschluss, 9.2.94, JurBüro 95, 208; OLG Düsseldorf, Beschluss, 9.10.90, MDR 91, 162; OLG Hamburg, Beschluss, 8.2.85, MDR 85, 593).

    Diese Frist wird unterschiedlich taxiert. Gerade bei banküblichen Überweisungslaufzeiten von bis zu einer Woche kann mit einem Zahlungseingang erst in der darauf folgenden Woche gerechnet werden (OLG Koblenz, Beschluss, 9.2.94, JurBüro 95, 208). Grundsätzlich gilt aber: Ein Zeitraum von mehr als 14 Tagen nach der Urteilsverkündung oder einem Vergleichsabschluss macht ein Aufforderungsschreiben notwendig und damit erstattungsfähig.

    Aus erstattungsrechtlicher Sicht ist der Gläubiger auch nicht gehalten, dem Schuldner eine darüber hinaus erweiterte Zahlungsfrist einzuräumen (OLG Köln, Beschluss, 6.7.92, JurBüro 93, 602). Die „abschließende“ Wartefrist nach § 798 ZPO hat zwar nur für die Vollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen Bedeutung. Allerdings spricht nichts dagegen, sie nicht auch analog auf andere Zahlungstitel anzuwenden. Für die Praxis bedeutet dies, dass ein Gläubiger nach Ablauf der zweiwöchigen Wartefrist des § 798 ZPO mit der Vollstreckung beginnen darf, ohne hierdurch Nachteile bei der Erstattung der dadurch anfallenden Kosten zu befürchten.

    Hinweis: Hat eine Haftpflichtversicherung des Schuldners dem Gläubiger Zahlung zu leisten, so beträgt die Frist zur freiwilligen Leistung regelmäßig bis zu drei Wochen (OLG Düsseldorf, Beschluss, 9.10.90, JurBüro 91, 231). Begründung: Im Hinblick auf die Schwerfälligkeit der Verwaltungsorganisation ist eine schnellere Leistung ausgeschlossen. Allein durch die Information an die Versicherung entsteht ein Zeitverlust, der eine Leistung binnen 14 Tagen fast unmöglich macht.

    Aus welchem Wert ist die Gebühr zu berechnen?

    Der Gegenstandswert für die entstandene Gebühr zur Zahlungsaufforderung unter Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen bemisst sich grundsätzlich nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO. Danach ist die Hauptforderung zuzüglich der Nebenforderungen – wie z.B. vorgerichtliche Mahnauslagen, verauslagte, titulierte Gebühren für Behördenauskünfte sowie Zinsen bis zum Zeitpunkt der Erteilung der Zahlungsaufforderung – anzusetzen.

    Ergeht die Zahlungsaufforderung wegen einer titulierten Unterhaltsforderung, so berechnet sich der Wert nach § 17 Abs. 1 GKG aus dem Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen. Die Vollstreckungsankündigung bzw. Zahlungsaufforderung richtet sich auch auf die künftigen, monatlich fällig werdenden Unterhaltsansprüche. Eventuelle bis zum Zeitpunkt der Aufforderung bestehende Unterhaltsrückstände sind nach § 17 Abs. 4 GKG hinzuzurechnen.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 06/2000, Seite 76

    Quelle: Ausgabe 06 / 2000 | Seite 76 | ID 107415