Auslandsvollstreckung
Erfolgreiche Vollstreckung in der Schweiz
von Bürovorsteherin Carolin Kaiser, München
Die Vollstreckung in der Schweiz gestaltet sich schwierig und sehr unübersichtlich. Dies liegt daran, dass das Zwangsvollstreckungsrecht teils nach Bundesrecht teils nach kantonalem Recht durchzuführen ist. Folge: In der Schweiz gelten 26 kantonale Zivilprozessordnungen und Gerichtsverfassungsgesetze gleichberechtigt nebeneinander. Der folgende Beitrag fasst die bei der Vollstreckung zu erfüllenden Voraussetzungen zusammen. In einer der nächsten Ausgaben von „Vollstreckung effektiv“ werden die einzelnen Vollstreckungs- und Verwertungsmöglichkeiten dargestellt.
I. Verfahrensbesonderheiten
1. Teilweiser Anwaltszwang
Grundsätzlich gilt für die Durchführung der Forderungsvollstreckung kein Anwaltszwang. Dasselbe gilt für die Durchführung des so genannten Schuldbetreibungs- und Konkursverfahrens (s.u.).
Anwaltszwang besteht jedoch bei der Vollstreckung von Geldforderungen. Hinzu kommt, dass in den meisten Kantonen ein so genanntes Anwaltsmonopol besteht. Das heißt, die Parteien müssen sich für bestimmte Verfahren und wenn dies richterlich angeordnet ist, von patentierten Anwälten vertreten lassen.
Vor dem Bundesgericht sind grundsätzlich nur patentierte Anwälte und Rechtslehrer der schweizerischen Hochschulen als Prozessbevollmächtigte zugelassen.
Praxishinweis: Wird ein Anwalt beauftragt, können die hierfür anfallenden Kosten
– anders als in Deutschland – nicht dem Schuldner in Rechnung gestellt werden. Insofern bleibt der Gläubiger hierauf sitzen. Die übrigen Kosten der Zwangsvollstreckung, wie z.B. Gerichtskosten, muss grundsätzlich der Schuldner tragen.
2. Duales Zwangsvollstreckungssystem
Das System der Zwangsvollstreckung in der Schweiz ist zweigeteilt. Folge: Die Zwangsvollstreckung eines Urteils mit Bezug auf eine Geld- oder Sicherheitsleistung ist im Rahmen des bundesrechtlichen Schuldbetreibungs- und Konkursverfahrens durchzusetzen. Ein Anspruch, der nicht auf Geld oder Sicherheitsleistungen lautet, richtet sich nach kantonalem Recht.
II. Die Schuldbetreibung
1. Arten der Schuldbetreibung
Die Vollstreckung von Geldforderungen geschieht ausschließlich durch die so genannte Schuldbetreibung. Das bedeutet, die Vollstreckung richtet sich in das gesamte Vermögen des Schuldners durch Einzel- bzw. Gesamtvollstreckung. Die Schuldbetreibung wird entweder mittels Pfändung, Pfandverwertung oder Konkurs betrieben.
2. Zuständigkeit
Sachlich zuständig ist das so genannte Betreibungsamt als zentrale Verwaltungsbehörde. Es ist in der Regel örtlich zuständig für die politische Gemeinde. Mehrere kleinere Gemeinden können zu einem Betreibungskreis zusammengefasst werden, wobei es in größeren Städten in der Regel mehrere Betreibungsämter gibt.
Daneben gibt es das Konkursamt, das für die Durchführung der Gesamtvollstreckung zuständig ist. Auch hier ist die örtliche Zuständigkeit nach verschiedenen Konkurskreisen, die aus mehreren Betreibungskreisen bestehen, eingeteilt. Das Konkursamt ist eine Verwaltungsbehörde, bei der der Konkursbeamte regelmäßig kein Jurist ist.
Leserservice: Die Adressen der kantonalen Betreibungsämter können Sie im Internet unter www.advokatur.ch/schkg.html, Stichwort „Betreibungs- und Konkursämter“, abrufen.
Daneben gibt es Arrestbehörden, die als mögliche erste Anlaufstelle im Schuldbetreibungsverfahren, wenn und soweit Arreste bewilligt werden sollen, in Betracht kommen.
Als Beschwerdeinstanz gibt es kantonale Aufsichtsbehörden. Diese Aufgaben sind in einzelnen Kantonen oftmals den Gerichten übertragen. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass hiermit weitere Verwaltungsbehörden betraut werden können. Oberste Aufsichtsbehörde und Beschwerdeinstanz ist das schweizerische Bundesgericht in Lausanne.
Das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs sieht die Zuständigkeit der Richter auch für verschiedene vollstreckungsrechtliche Entscheidungen vor, z.B. für die Erteilung der so genannten Rechtsöffnung oder die Konkursöffnung.
Das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht ist geprägt von kurzen, nicht verlängerbaren Fristen, deren Nichteinhaltung regelmäßig Rechtsverluste zur Folge hat. Wichtig ist, dass die gesetzlichen Fristen nach den im Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz aufgestellten Regeln (www.advokatur.ch/schkg.html, Stichwort „Erlasse und Materialien“) zu berechnen sind. Hierbei ist zu beachten, dass die in den verschiedenen Kantonen erlassenen allgemeinen Regeln über die Bestimmung der Fristen im Rahmen des Zivilrechts bzw. des Zivilprozessrechts auf das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs nicht anwendbar sind. Folge: Es gilt Bundesrecht.
3. Kosten der Schuldbetreibung
Die amtlichen Gebühren für Betreibungs- und Konkursämter sind im Gebührentarif zum Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz geregelt (www.advokatur.ch/schkg.html). Sie werden ähnlich dem deutschen Vollstreckungsrecht der zu vollstreckenden Forderung zugeschlagen und sind – im Gegensatz zu den Parteikosten – vom Schuldner zu tragen.
III. Durchführung der Vollstreckung
1. Betreibungsbegehren
Die Schuldbetreibung beginnt in allen Fällen mit der Einreichung eines so genannten Betreibungsbegehrens beim zuständigen Betreibungsamt. Für das Betreibungsbegehren gibt es amtliche Formulare, deren Verwendung jedoch nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Leserservice: Muster hierzu finden sich unter www.advokatur.ch/schkg.html, Stichwort „Formulare“.
Das Betreibungsbegehren muss folgende Angaben enthalten:
- Name und Wohnort des Gläubigers und seines Bevollmächtigten sowie, wenn der Gläubiger im Ausland wohnt, das von ihm in der Schweiz gewählte Domizil ( = Adresse unter der der Gläubiger in der Schweiz zu erreichen ist); im Fall mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokal (ähnlich einer Geschäftsstelle) des Betreibungsamts;
- Name und Wohnort des Schuldners und gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters; bei Betreibungsbegehren gegen eine Erbschaft ist anzugeben, an welche Erben die Zustellung erfolgen muss;
- Forderungssumme oder die Summe, für die Sicherheit in gesetzlicher Schweizer Währung verlangt wird; bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuß und der Tag, seit dem der Zins gefordert wird;
- Forderungsurkunde und deren Datum; fehlt diese, der Grund der Forderung.
Praxishinweis: Die Betreibung hat stets in Schweizer Franken zu erfolgen, auch wenn die Forderung auf Zahlung eines Betrags in anderer Währung lautet. Eine Forderungsaufstellung kann, muss jedoch nicht beigelegt werden.
2. Zahlungsbefehl nach Empfang des Betreibungsbegehrens
Nach Eingang des Betreibungsbegehrens fertigt der Betreibungsbeamte den so
genannten Zahlungsbefehl aus. Dieser wird an den Schuldner durch den Betreibungsbeamten selbst, durch einen Angestellten oder durch die Post zugestellt. Ist der Wohnort des Schuldners unbekannt oder entzieht er sich beharrlich der Zustellung, wird die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt.
Der Zahlungsbefehl enthält folgende Angaben:
- Angaben des Betreibungsbegehrens;
- Aufforderung, binnen 20 Tagen den Gläubiger zu befriedigen oder, falls die Betreibung auf Sicherheitsleistung geht, die Forderung sicherzustellen;
- Mitteilung, dass der Schuldner, der die gesamte Forderung oder einen Teil oder das Recht, sie auf dem Betreibungsweg geltend zu machen, bestreiten will, innerhalb zehn Tagen nach Zustellung des Zahlungsbefehls dem Betreibungsbeamten dies zu erklären (Rechtsvorschlag zu erheben) hat;
- Androhung, dass die Betreibung fortgesetzt wird, wenn der Schuldner weder dem Zahlungsbefehl nachkommt, noch Rechtsvorschlag erhebt.
3. Recht des Schuldners auf Einfordern von Beweismitteln
Auf Verlangen des Schuldners wird der Gläubiger aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist die Beweismittel für seine Forderung beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Kommt er dem nicht nach, wird der Ablauf der Bestreitungsfrist dadurch zwar nicht gehemmt. In einem nachfolgenden Rechtsstreit berücksichtigt der Richter dies aber bei den Prozesskosten. Insofern können den Gläubiger die Kosten treffen.
4. Einstweilige Unterbrechung der Betreibung durch Rechtsvorschlag
Der Rechtsvorschlag ist eine einseitige, bedingungsfeindliche Erklärung, die der Schuldner gegenüber dem Betreibungsbeamten abgibt. Eine Begründung ist nicht nötig. Der Rechtsvorschlag wird meist nur erhoben, um Zeit zu gewinnen. Er muss innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung des Zahlungsbefehls mündlich oder schriftlich erfolgen, kann aber auch mündlich gegenüber dem Betreibungsbeamten geschehen. Dieser teilt es dem Gläubiger mit.
Mit Erhebung des Rechtsvorschlags ist das Betreibungsverfahren vorerst unterbrochen. Es schließt sich das richterliche Verfahren auf Beseitigung des Rechtsvorschlags an, das durch einen ordentlichen Prozess oder im Verwaltungsverfahren geschieht. Dabei ist zwischen der definitiven und der provisorischen Rechtsöffnung zu unterscheiden:
- Bei der definitiven Rechtsöffnung handelt es sich um ein summarisches Verfahren mit beschränkten Abwehrmöglichkeiten des Schuldners. Er ist darauf beschränkt, Urkunden vorzulegen, mit denen er nachweisen muss, dass die Forderung getilgt ist oder gestundet wurde. Sie wird erlassen, wenn der Gläubiger ein vollstreckbares gerichtliches Urteil bzw. gerichtliche Vergleiche oder Schuldanerkenntnisse vorlegen kann. Dieses Verfahren erlaubt dem Gläubiger die sofortige Fortsetzung der Vollstreckung.
- Im Rahmen des provisorischen Rechtsöffnungsverfahrens hat der Schuldner die Möglichkeit, innerhalb von 20 Tagen die so genannte Aberkennungsklage auf Feststellung des Nichtbestehens der Forderung zu erheben. Es wird durchgeführt, wenn der Gläubiger eine Forderung aus einer öffentlichen Urkunde oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung vollstrecken möchte. Im Verfahren über die Aberkennungsklage muss der Gläubiger den Bestand der Forderung beweisen.
5. Rückforderungsklage
Hat es der Schuldner unterlassen, einen Rechtsvorschlag zu erheben oder unterliegt er im Rechtseröffnungsverfahren, kann er eine Rückforderungsklage binnen einer Frist von einem Jahr ab Durchführung der Zwangsvollstreckung erheben. Sie ist begründet, wenn er meint, eine materiellrechtlich nicht begründete Schuld beglichen zu haben und dies nachweisen kann. Die Klage ist am Betreibungsort oder am Wohnsitz des Gläubigers zu erheben. Das Verfahren richtet sich nach dem jeweiligen kantonalen Zivilprozessrecht.
6. Anerkennungsklage
Kann sich der Gläubiger weder auf ein Gerichtsurteil noch auf ein Schuldanerkenntnis berufen oder obsiegt der Schuldner im Rechtsöffnungsverfahren, muss er die so genannte Anerkennungsklage im ordentlichen Prozessweg erheben. Hierfür gelten ebenfalls die entsprechenden kantonalen Regelungen aus dem Zivilverfahrensrecht.
Die Anerkennungsklage muss auf die laufende Betreibung Bezug nehmen und den Antrag enthalten, dass in jede Betreibung der Rechtsvorschlag aufzuheben ist. Soll die Forderung in einer Fremdwährung geltend gemacht werden, muss das Klagebegehren auf Zusprechung des Forderungsbetrags in der Währung lauten, in der die Forderung begründet wurde, auch wenn das Betreibungsbegehren in Schweizer Franken zu stellen ist.
7. Fortsetzung der Zwangsvollstreckung
Die Betreibung kann durch den Gläubiger fortgesetzt werden, wenn
- kein Rechtsvorschlag durch den Schuldner erhoben wurde oder
- dieser im Rechtsöffnungsverfahren beseitigt wurde. Dann ist dem Begehren der mit einer Rechtskraftbescheinigung versehene Entscheid beizufügen, durch den der Rechtsvorschlag beseitigt worden ist, nebst einem Ausweis über die Kosten des Rechtseröffnungsverfahrens, falls der Gläubiger hierfür Ersatz beanspruchen kann. Bei provisorischer Rechtsöffnung muss des weiteren nachgewiesen werden, dass eine Aberkennungsklage nicht erhoben, zurückgezogen oder rechtskräftig abgewiesen wurde.
Der Antrag auf Fortsetzung muss innerhalb von 20 Tagen gestellt werden. Hierfür kann das amtliche Formular verwendet werden. Das Fortsetzungsbegehren kann die Pfändung (Spezialexekution) oder den Konkurs (Generalexekution) einleiten. Der Betreibungsbeamte bestimmt von Amts wegen, welche der beiden Betreibungsarten anwendbar sind.
Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 12/2003, Seite 181