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  • 05.05.2009 | Fehlervermeidung

    Typische „Fallstricke“ in der Zwangsvollstreckung

    Über die in der Zwangsvollstreckung lauernden Tücken und Fehlerquellen haben wir bereits mehrfach berichtet (VE 03, 170; VE 09, 22). Die folgende Checkliste macht auf Fehlerquellen aufmerksam, die im schnellen Tagesgeschäft oft nicht genug Beachtung finden.  

     

    Checkliste: Typische „Fallstricke“ in der Zwangsvollstreckung

    1. Vollmachtsurkunde: Eine fehlende Legitimation kann zur Zurückweisung von Vollstreckungsaufträgen führen und einen erheblichen Zeitverlust bedeuten. Dies betrifft jene Mandate, in denen die Vollstreckungstitel von einer anderen Kanzlei erwirkt worden sind. Ist die eigene Kanzlei nicht als Prozessbevollmächtigte im Rubrum des Titels aufgeführt, ist bei Einleitung der Zwangsvollstreckung eine von dem Gläubiger unterzeichnete Vollmachtsurkunde beizufügen.  

     

    2. Rechtsschutzzusage: Vor oder spätestens mit der Einleitung der Zwangsvollstreckung ist eine gesonderte Rechtsschutzzusage für die Zwangsvollstreckung einzuholen, sofern der Mandant über einen Rechtsschutz verfügt. Eine vorliegende Rechtsschutzzusage, die sich bspw. nur auf eine Beratung oder das Verfahren in erster oder zweiter Instanz bezieht, ist nicht ausreichend. Für die Zwangsvollstreckung muss ergänzend eine besondere Deckungszusage eingeholt werden, die in der Regel Kostenschutz für drei Vollstreckungsmaßnahmen gewährt (VE 09, 63).  

     

    3. Prozesskostenhilfe: Häufig wird nicht nur vergessen, dass PKH auch in der Zwangsvollstreckung beantragt werden kann, sondern der Antrag wird auch oft zu spät gestellt. PKH-Anträge in der Zwangsvollstreckung sollten daher stets gleichzeitig mit dem Vollstreckungsantrag gestellt werden.  

     

    Dem Vollstreckungsantrag beizufügen sind dann die notwendigen ergänzenden Dokumente: Kopien von Einkommensnachweisen (Lohnbescheinigungen, ALG-Bescheid etc.), Kopie Mietvertrag/Nebenkosten, ausgefüllte Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse.  

     

    Wichtig: Vollständige PKH für alle Kosten gilt als bewilligt, wenn der Beschluss den Tenor enthält: „... wird dem Gläubiger Prozesskostenhilfe für das Vollstreckungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt“.  

     

    4. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss: Es ist nicht notwendig, vor der Vollstreckung eine zeitintensive Suche nach besonderen Giro- oder Sparvertragskonten des Schuldners einzuleiten. Im Antrag auf Erlass eines PfÜB genügt es, das Kreditinstitut des Schuldners als Drittschuldner einzusetzen, ohne dass die Angabe spezieller Kontennummern erforderlich ist. Der Drittschuldner (Bank) prüft, ob eine Vertragsbeziehung zwischen ihm und dem Schuldner besteht und bezieht dann die jeweiligen geführten Konten in die Pfändung mit ein (egal, welche und wie viele Konten das sein mögen).  

     

    5. Vollstreckung Bruttosummen: Sind im Titel Bruttosummen genannt, müssen die Nettosummen ermittelt werden. Nachfolgend drei Varianten, wie dies geschehen kann:  

    • Der Gläubiger kann den Gerichtsvollzieher bitten, direkt beim Schuldner den Nettobetrag berechnen zu lassen und überzählige Beträge an die Empfänger auszukehren (Finanzamt, Krankenkasse). Sie als Gläubigervertreter erhalten den Nettobetrag, den Sie an Ihren Mandanten auszahlen.

     

    • Die Krankenkasse Ihres Mandanten (Gläubigers) wird Ihnen auf Anfrage helfen, den Nettobetrag zu ermitteln. Sie können dann direkt diese Nettosumme pfänden und müssen für die Abführung der anderen Beträge aus der Bruttosumme nicht Sorge tragen.

     

    • Sie können natürlich auch direkt die im Titel bezeichneten Bruttosummen pfänden (vgl. Wohlgemuth, VE 09, 59). Dann aber sind Sie gehalten, die den jeweiligen anderen Empfängern zustehenden Summen (Finanzamt, Krankenkasse), die in diesem Bruttobetrag enthalten sind, herauszurechnen und an die jeweiligen Stellen abzuführen. Auch diese Berechnung können Sie auf der Grundlage einer Krankenkassenauskunft durchführen.

     

    6. Führen der Handakte: Besonders ungeübte Neulinge in der Sachbearbeitung beachten oft nicht, dass nicht jeder Titel oder jedes Dokument mehrmals für die Handakte kopiert werden muss. Wurden z.B. in einem Mandat drei Vollstreckungsanträge ausgebracht, kann es geschehen, dass sowohl der Vollstreckungstitel als auch die Anlagen dreifach kopiert in der Handakte auftauchen und diese dadurch unnötig „in die Breite“ geht und unübersichtlich wird. Ist ein Titel einmal vollständig für die Akte kopiert, genügt dies, auch wenn sich weitere Vollstreckungsversuche anschließen. Achtung: Achten Sie stets auf das vollständige Kopieren von Vor- und Rückseiten von Urteilen oder Beschlüssen. Auf diesen Rückseiten finden sich oft noch die Vollstreckungsklauseln versteckt!  

     

    7. Festgesetzte Zwangsgelder: Unvertretbare Handlungen sind nach § 888 ZPO zu vollstrecken. Da diese Handlungen durch keinerlei Dritte vorgenommen werden können, werden vom Gericht Zwangsgelder verhängt. Diese Zwangsgelder stehen nicht dem Schuldner, sondern der Staatskasse zu. Das heißt: Beigetriebene Zwangsgelder müssen, sofern sie nicht direkt von dem Vollstreckungsorgan dorthin weitergeleitet werden, direkt an die Staatskasse gezahlt werden unter Angabe des notwendigen Aktenzeichens. Die Gelder dürfen daher keinesfalls auf dem Kanzleikonto verbleiben!  

     

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2009 | Seite 90 | ID 126481