01.10.2005 | Insolvenz
Steuererstattungsanspruch ist während der Insolvenz pfändbar
1. Die Abtretung der Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis an einen vom Insolvenzgericht bestimmten Treuhänder erfasst nicht den Anspruch auf Erstattung von Lohn- und Einkommensteuerzahlungen. |
2. In der Wohlverhaltensperiode besteht kein allgemeines Aufrechnungsverbot für die Insolvenzgläubiger. |
(BGH 21.7.05, IX ZR 115/04, n.v., Abruf-Nr. 052436) |
Sachverhalt/Praxishinweis
Die Klägerin befand sich seit 2001 in der so genannten Wohlverhaltensperiode nach vorangegangenem, im Jahr 2000 eröffnetem Verbraucherinsolvenzverfahren. Mit zwei Einkommensteuerbescheiden setzte das dem beklagten Land angehörige Finanzamt Steuererstattungsansprüche für den Veranlagungszeitraum 2000 und für das Jahr 2001 fest, zahlte diese jedoch nicht an die Klägerin aus. Es rechnete vielmehr mit rückständigen, noch vor Insolvenzeröffnung begründeten Steuerforderungen auf. Das AG wies die Klage auf Zahlung der Steuererstattungsforderung ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte das Berufungsgericht zurückgewiesen und dies damit begründet, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO stehe der von dem Beklagten erklärten Aufrechnung nicht entgegen. Mit ihrer zugelassenen Revision beantragte die Klägerin, nach ihren Schlussanträgen aus der Berufungsinstanz zu erkennen, die jedoch zurückgewiesen wurden.
Soweit – wie hier – nicht gegen Forderungen aufgerechnet wird, deren Erlös der Schuldner nach § 295 Abs. 1 InsO an den Treuhänder auskehren muss, werden die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger durch die Aufrechnung nicht geschmälert. Die Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger ist nur beeinträchtigt, soweit dem aufrechnenden Gläubiger eine bessere Befriedigungsmöglichkeit gewährt wird. Diese sich aus dem Gesetz ergebende Privilegierung ist durch andere Gläubiger hinzunehmen, da der Gesetzgeber über § 294 Abs. 3 InsO hinaus keine Norm geschaffen hat, die die Aufrechnung während der Wohlverhaltensperiode einschränkt.
Gleiches gilt, soweit gegen die Aufrechnungsmöglichkeit eingewandt wird, sie laufe wegen der entstehenden Vermögenseinbußen dem Ziel des Gesetzes zuwider, dem Schuldner mit Erteilung der Restschuldbefreiung einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen. Auch dies rechtfertigt nicht ohne Weiteres ein umfassendes Aufrechnungsverbot. Das verdeutlicht der vorliegende Fall, in dem die Steuererstattungsforderung der Klägerin sich zum Teil auf in die Zeit des Insolvenzverfahrens fallende Veranlagungszeiträume bezieht, so dass dieser Anspruch jedenfalls nicht im vollen Umfang als beschlagnahmefreier Neuerwerb zu werten ist.
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