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  • Steuerpfändung

    Pfändung von Steuererstattungsansprüchen: Was Sie zum Jahreswechsel unbedingt beachten müssen

    von RiLG Frank-Michael Goebel, Koblenz/Rhens

    In vielen Fällen zahlt der Steuerschuldner über das Jahr mehr Einkommen- und Lohnsteuer als er tatsächlich dem Staat schuldet. Er hat daher gegenüber dem Fiskus einen Erstattungsanspruch, den der Gläubiger beim Staat oder beim Arbeitgeber pfänden kann. Dabei gilt es einige Besonderheiten des Steuerrechts zu beachten.

    Steuererstattungsansprüche sind grundsätzlich pfändbar

    Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und Steuervergütungen können nach § 46 Abs. 1 AO gepfändet werden. Für den Gläubiger kommt dabei insbesondere die Pfändung des Erstattungsbetrags nach einem Lohnsteuerjahresausgleich oder zu viel gezahlter Einkommensteuer in Betracht.

    Voreilige Gläubiger werden bestraft

    Eine Falle für Gläubiger beinhaltet § 46 Abs. 6 AO. Danach darf ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht erlassen werden, bevor der Anspruch entstanden ist. Entgegen diesem Verbot erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bzw. Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind nichtig.

    Wichtig ist also zu wissen, wann Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen: Dies ist nach § 38 AO der Fall, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Einkommensteuer ist nach § 2 Abs. 7 EStG eine Jahressteuer, die nach § 25 Abs. 1 EStG nach Ablauf des Kalenderjahres veranlagt wird. Die Lohnsteuer ist keine eigene Steuer, sondern bezeichnet nach § 38 Abs. 1 S. 1 EStG lediglich eine besondere Erhebungsart der Einkommensteuer bei Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit. Für die Lohnsteuer und die Einkommensteuer ergibt sich dementsprechend aus § 36 Abs. 1 EStG, dass der Erstattungsanspruch mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht. Dies hat zur Folge, dass

    • der Lohnsteuer- bzw. Einkommensteuererstattungsanspruch für 2003 frühestens am  1.1.04 gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden kann und
    • wegen § 46 Abs. 6 AO eine vor dem 1.1.04 zugestellte Vorpfändung unwirksam ist.

    Sichern Sie sich frühzeitig Ihren Rang

    Der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann allerdings bereits so vorbereitet werden, dass einem Erlass am 2.1.04 nichts mehr entgegensteht. Auf diese Weise sichert sich der gut gerüstete Gläubiger den Rangvorteil nach § 804 Abs. 3 ZPO gegenüber anderen Gläubigern. Auch sollte durch Kontaktaufnahme mit dem örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher sichergestellt werden, dass dem Drittschuldner am 2.1. eine Vorpfändung nach § 845 ZPO zugestellt wird.

    Primärer Drittschuldner ist das Finanzamt

    Die Steuerveranlagung wird vom örtlich zuständigen Finanzamt durchgeführt, so dass es auch über den Erstattungsbetrag entscheidet. Dementsprechend ist es als Drittschuldner im Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu bezeichnen.

    Praxishinweis: Die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts ergibt sich aus §§ 17 ff. AO. Nach § 19 Abs. 1 AO ist das Finanzamt für die Veranlagung der Einkommensteuer und Lohnsteuer einer natürlichen Person zuständig, in dessen Bezirk der Steuerpflichtige, d.h. der Schuldner, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die Besteuerung von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen nach dem Einkommen und Vermögen ist gemäß § 20 AO das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet.

    Achten Sie auf die Bestimmtheit des Pfändungsantrags

    Damit die Pfändung hinreichend bestimmt ist, muss der Gläubiger in seinem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unbedingt die Steuerart und den Erstattungsgrund angeben (BFH NJW 90, 2645). Dabei sollte stets angegeben werden, für welches Steuerjahr die Erstattungsansprüche gepfändet werden, so dass keine zeitraubenden Missverständnisse im Hinblick auf die Pfändung für bereits abgelaufene Veranlagungszeiträume und kein Anlass für Nachfragen besteht.

    Dilemma: Der Gläubiger kann keinen Antrag auf Veranlagung stellen

    Zum Nachteil von Gläubigern hat der BFH festgelegt, dass diese nicht selbst berechtigt sind, den Antrag auf Erstattung der Lohn- bzw. Einkommensteuer zu stellen (VE 00, 167; InVo 00, 277). Nach Pfändung des Erstattungsanspruchs kann also nur gehofft werden, dass der Schuldner auch den Veranlagungsantrag bezüglich der Lohnsteuer stellt.

    Praxishinweis: Aus diesen Entscheidungen wird zugleich hergeleitet, dass Gläubiger keinen Anspruch auf Herausgabe der Lohnsteuerkarte nach § 836 Abs. 3 ZPO haben (LG Münster RPfleger 02, 632; LG Potsdam RPfleger 02, 530; LG Frankenthal RPfleger 00, 462; LG Augsburg RPfleger 00, 341).

    Chance: Drei Wege können zum Erfolg führen

    Da nicht ohne Weiteres zu erwarten ist, dass Schuldner freiwillig die Lohnsteuerkarte aushändigen oder den Erstattungsantrag stellen, können Gläubiger drei Möglichkeiten nutzen, die Vollstreckung erfolgreich zu betreiben:

    • Motivieren Sie den Schuldner: Machen Sie ihm klar die besonderen Vorteile für die Stellung eines solchen Antrags klar. Diese sind:
    • Ohne selbst unmittelbar aus seinem liquiden Vermögen Leistungen erbringen zu müssen, reduziert sich die Vollstreckungsforderung.
    • Wird die Forderung beglichen, bewahrt dies den Schuldner vor zukünftigen Vollstreckungsversuchen.
    • Dem Schuldner kann, soweit rechtlich zulässig, Hilfe bei der Abgabe der Steuererklärung geboten werden.
    • Der Schuldner kann darauf hingewiesen werden, dass die unterlassene Steuererklärung allein zu einem Verbleib der überzahlten Steueranteile beim Staat führt.
    • Der Schuldner erhält die Vollstreckungsforderung übersteigende Beträge.

    Der Steuererstattungsanspruch ist also auf jeden Fall zunächst zu pfänden und dem   zuständigen Finanzamt als Drittschuldner sowie dem Schuldner zuzustellen. Dann   sollte sich der Gläubiger wie folgt an den Schuldner wenden.

        

        

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    Praxishinweis: Besser stehen sich Gläubiger, wenn der Schuldner einkommensteuerpflichtig ist und daher der Pflichtveranlagung unterliegt (§ 25 Abs. 3 S. 1 EStG). Dann muss der Schuldner eine Einkommensteuererklärung abgeben, wenn er Zwangsmaßnahmen des Finanzamts vermeiden will. Hierüber hat das Finanzamt nach der Pfändung im Rahmen der Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO Auskunft zu erteilen.

    • Bewegen Sie den Schuldner zur Abtretung des Steuererstattungsanspruchs: Der Gläubiger kann sich den Erstattungsanspruch auch in der nach § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form abtreten lassen, wenn sich der Schuldner zugleich verpflichtet, einen Veranlagungsantrag beim Finanzamt zu stellen. Stellt der Schuldner den Erstattungsantrag dann nicht, kann der Gläubiger auf Grund des Abtretungsvertrags die Verpflichtung einklagen und nach § 888 ZPO vollstrecken.

    Praxishinweis: § 46 Abs. 3 ZPO verlangt, dass die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen ist. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Der amtliche Vordruck ist bei jedem Finanzamt zu erhalten.

    Leserservice: Diesen amtlichen Vordruck können Sie unter www.iww.de mit der Abruf-Nr. 032424 einsehen.

    • Nehmen Sie im Vollstreckungsvergleich die Verpflichtung zur Antragstellung auf: Ergibt sich im Laufe der Vollstreckung, dass zwischen Gläubiger und Schuldner ein Vollstreckungsvertrag geschlossen wird, sollte hierin aufgenommen werden, dass sich der Schuldner verpflichtet, für den Fall, dass die Forderung nicht i.S. des Vollstreckungsvertrags erfüllt wird, jeweils binnen einer zu bestimmenden Frist nach Ablauf des Veranlagungsjahres einen Antrag auf Lohnsteuerjahresausgleich zu stellen oder eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Kommt der Schuldner dieser Verpflichtung nicht nach, kann diese klageweise tituliert und sodann nach § 888 ZPO vollstreckt werden.

    Praxishinweis: Solche Erklärungen und Mitwirkungspflichten können auch schon in einem Prozessvergleich oder einer notariellen Urkunde mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung aufgenommen werden. Auch hieran zeigt sich, dass die Zwangsvollstreckung schon vor der Titulierung beginnt.

    Die Pfändung des Erstattungsanspruchs kann auch beim Arbeitgeber erfolgen

    Nach § 42b EStG ist auch der Arbeitgeber berechtigt, seinen unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmern, die während des abgelaufenen Kalenderjahres (Ausgleichsjahr) ständig in einem Dienstverhältnis gestanden haben, die für das Ausgleichsjahr einbehaltene Lohnsteuer insoweit zu erstatten, als sie die auf den Jahresarbeitslohn entfallende Jahreslohnsteuer übersteigt (Lohnsteuer-Jahresausgleich).

    Praxishinweis: Der Vorteil liegt für Gläubiger darin, dass dieser Anspruch nicht § 46 AO unterliegt, d.h. bereits vor dem 1.1.04 gepfändet werden kann (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rn. 383; LG Bielefeld JurBüro 90, 1361; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 829 Rn. 9; a.A. LG Aachen RPfleger 88, 418; LG Hagen JurBüro 94, 371).

    Arbeitgeber kann zum Lohnsteuerjahresausgleich verpflichtet sein

    Nach § 42b Abs. 1 S. 2 EStG ist der Arbeitgeber zur Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs verpflichtet, wenn er am 31.12. des Ausgleichsjahres mindestens zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Voraussetzung für den Lohnsteuer-Jahresausgleich ist, dass dem Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers mit den Lohnsteuerbescheinigungen aus etwaigen vorangegangenen Dienstverhältnissen vorliegt.

    Daher erscheint es vertretbar, dass der Schuldner nach §§ 836 Abs. 3, 846 ZPO verpflichtet ist, die bereits erhaltene Lohnsteuerkarte zur Rückgabe an den Arbeitgeber herauszugeben, da dieser unter den Voraussetzungen des § 42b EStG berechtigt ist, den Veranlagungsantrag zu stellen und damit die o.g. BFH-Entscheidungen auf diesen Sachverhalt keine Anwendung finden können. In bestimmten Fällen, u.a. auf Antrag des Arbeitnehmers, entfällt diese Möglichkeit nach § 42b Abs. 1 S. 4 EStG allerdings wieder.

    Praxishinweis: Da dem Gläubiger oft weder bekannt ist, wie viele Mitarbeiter der Arbeitgeber hat, noch ob einer der Ausnahmetatbestände vorliegt, empfiehlt es sich bei abhängig beschäftigten Schuldnern die „angeblichen“ Ansprüche sowohl beim örtlich zuständigen Finanzamt als auch beim Arbeitgeber zu pfänden. Da der Gläubiger regelmäßig keine Kenntnis hat, ob der Schuldner lediglich Lohnsteuer zahlt oder einkommensteuerpflichtig ist, ist zu empfehlen, zwei Pfändungs- und Überweisungsanträge zu stellen.

    Leserservice: Diesen Musterantrag können Sie unter www.iww.de mit der Abruf-Nr. 032362 herunterladen.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 11/2003, Seite 159

    Quelle: Ausgabe 11 / 2003 | Seite 159 | ID 107670