Vollstreckungspraxis
Die Vollstreckung wegen einer unvertretbaren Handlung
von RiLG Frank-Michael Goebel, Koblenz/Rhens
In „Vollstreckung effektiv“ 1/03, Seite 1, wurde über die Zwangsvollstreckung wegen einer vertretbaren Handlung berichtet. Auch die Zwangsvollstreckung wegen einer unvertretbaren Handlung stellt sich in der Praxis als schwierig dar. Der folgende Beitrag erläutert die Einzelheiten und gibt die notwendigen Praxishilfen.
Wann liegt eine unvertretbare Handlung vor?
Eine unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO liegt vor, wenn diese nur höchstpersönlich vom Schuldner oder mit dessen höchstpersönlicher Mitwirkung erbracht werden kann, also allein von seinem Willen abhängt. Würde sie stattdessen vom Gläubiger oder einem Dritten vorgenommen, änderte sich aus Sicht des Gläubigers der wirtschaftliche Erfolg und der Charakter der Handlung. Der Schuldner kann sich daher bei der Vornahme der Handlung nicht vertreten lassen, ohne dass das Erfüllungsinteresse des Gläubigers hiervon berührt wird. Eine unvertretbare Handlung wurde in folgenden Fällen angenommen:
Ausnahmen von der Vollstreckungsmöglichkeit beachten
Ungeachtet der Frage, ob eine unvertretbare Handlung vorliegt, ist die Vollstreckung nach § 888 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen, wenn eine Verpflichtung in die Eingehung einer Ehe, die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft oder die Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag besteht.
Praxishinweis: Hinsichtlich der Verpflichtung zur Leistung von Diensten betrifft dies aber nur die Fälle, in denen der Dienstleistung ein personales Element, z.B. die künstlerische Gestaltung einer Veranstaltung, innewohnt. Einfache Dienste, wie etwa das Anstreichen eines Zimmers, die auch ein Dritter erbringen könnte, werden nach § 887 ZPO im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt.
Unter analoger Anwendung von § 888 Abs. 3 ZPO sind über dessen Wortlaut hinaus alle Verpflichtungen zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung nicht vollstreckbar, die einen Verstoß gegen die Grundrechte darstellen würden, was insbesondere für die Verpflichtung zur Teilnahme an religiösen Handlungen (OLG Köln MDR 73, 768) oder der Verpflichtung zur einseitigen oder zweiseitigen Erbeinsetzung eines Dritten (BVerfGE 67, 341; OLG Frankfurt Rpfleger 80, 117) zutrifft.
Unterschiedliche Prozessgerichte können als Vollstreckungsorgan tätig werden
Nach §§ 888, 802 ZPO entscheidet über den Antrag des Gläubigers auf Vollstreckung ausschließlich das Prozessgericht des ersten Rechtszugs (§ 802 ZPO). Hierbei gilt es wie folgt zu unterscheiden:
- Soll aus einem Urteil oder einem Prozessvergleich vollstreckt werden, ist das Gericht örtlich und sachlich zuständig, das den Titel geschaffen hat.
- Bei einem Anwaltsvergleich (§§ 796a, 796b ZPO), Schiedsspruch, Schiedsvergleich (§§ 1053, 1054, 1060, 1061, 1064 ZPO) oder einem ausländischen Urteil (§§ 722, 723 ZPO), ist das Gericht zuständig, das die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit getroffen hat (Gottwald, Zwangsvollstreckungsrecht, 4. Aufl., § 888 Rn. 13).
Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels ist erforderlich
Für den Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld herrscht nach § 78 ZPO Anwaltszwang, soweit für die Hauptsache Anwaltszwang bestand. Dies gilt für den Gläubiger ebenso wie für den nach § 891 ZPO zu beteiligenden Schuldner. Der Gläubiger muss in seinem Antrag die vom Schuldner vorzunehmende Handlung entsprechend dem der Verpflichtung zu Grunde liegenden Vollstreckungstitel genau bezeichnen. Es ist aber nicht erforderlich, dass er die Höhe des Zwangsgelds oder die Dauer der Zwangshaft benennt.
Praxishinweis: Gibt der Gläubiger eine Obergrenze für die Höhe des Zwangsgelds oder der Zwangshaft an, ist das Prozessgericht nach § 308 ZPO daran gebunden. Deshalb sollte hierauf grundsätzlich verzichtet werden. Ansonsten könnte das Prozessgericht aus anderen Verfahren – das gleiche Prozessgericht ist regelmäßig für einen Endbuchstaben zuständig – über Erkenntnisse verfügen, die ein höheres Zwangsgeld oder eine höhere Zwangshaft rechtfertigen. Der Gläubiger würde dem Prozessgericht die Nutzung dieser Erkenntnisse zu seinem Vorteil abschneiden. Eine Untergrenze kann im Hinblick auf darzulegende besondere Vermögensverhältnisse allerdings angeregt werden, damit der Beugeeffekt tatsächlich erreicht werden kann.
Gerichtliche Androhung des Zwangsmittels ist unzulässig
Eine gerichtliche Androhung des Zwangsmittels ist nach § 888 Abs. 2 ZPO unzulässig und würde die Vollstreckung nur verzögern. Hierauf sollte der Gläubiger in seinem Antrag vorsichtshalber ausdrücklich hinweisen. Der Schuldner erfährt über die nach § 891 ZPO erforderliche Anhörung von der beginnenden Zwangsvollstreckung und hat ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, durch die unverzügliche Vornahme der geschuldeten Handlung der Festsetzung des Zwangsmittels zu entgehen.
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Antrag auf Zwangsmittelfestsetzung kann mehrfach wiederholt werden
Kommt der Schuldner trotz des festgesetzten Zwangsgelds seiner Verpflichtung zur Vornahme der unvertretbaren Handlung nicht nach, kann der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels mehrfach wiederholt werden. Das Gericht kann so die Zwangsmaßnahme über sich steigernde Zwangsgelder bis zur Zwangshaft als ultima ratio verschärfen.
Praxishinweis: Für einen erneuten Antrag auf Festsetzung eines gesteigerten Zwangsgelds oder der Zwangshaft fehlt allerdings das Rechtsschutzbedürfnis, solange das bereits festgesetzte Zwangsgeld nicht beigetrieben oder aber die ersatzweise angeordnete Zwangshaft vollstreckt wurde. Das bereits festgesetzte Zwangsmittel muss also zunächst mit seiner Beugewirkung verbraucht sein, bevor die nächste Stufe eines gesteigerten Zwangsmittels beschritten werden kann. Für die Festsetzung des Zwangsgelds besteht im Einzelfall eine Obergrenze von 25.000 EUR. Eine Gesamtgrenze für die Summe aller festgesetzten Zwangsgelder existiert dagegen nicht. Demgegenüber darf bei der Festsetzung der Zwangshaft der Höchstrahmen von sechs Monaten in der Gesamtsumme nicht überschritten werden (§ 888 Abs. 1 S. 3, § 913 ZPO).
Auch unmittelbare Zwangshaft kommt in Betracht
Zu beachten ist, dass in Ausnahmefällen die unmittelbare Festsetzung von Zwangshaft in Betracht kommt. Steht schon bei Beginn der Zwangsvollstreckung fest, dass der Schuldner sich von der Festsetzung eines Zwangsgelds nicht wird beeindrucken lassen und auch deren mehrfache Festsetzung mit dem Höchstbetrag von 25.000 EUR nicht ausreicht, ihn nachhaltig wirtschaftlich zu beeindrucken, kann das Prozessgericht unmittelbar Zwangshaft festsetzen. Dies gilt in gleicher Weise, wenn akute Fluchtgefahr besteht. In diesen Fällen obliegt es dem Gläubiger die tatsächlichen Grundlagen für die unmittelbare Anordnung der Zwangshaft darzulegen.
Praxishinweis: Diesen Nachweis kann der Gläubiger etwa mit Strafakten führen, die eine Fluchtgefahr des Schuldners wegen einer Strafverfolgung in gleicher oder anderer Sache begründen.
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Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 02/2003, Seite 18