01.01.2007 | Vollstreckungspraxis
Kein Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger
Spart der Schuldner als Hartz-IV-Empfänger aus seinen laufenden Sozialleistungen Beträge für Einmalbeschaffungen an, kann der Gläubiger hierauf im Wege der Zwangsvollstreckung in vollem Umfang zugreifen, wenn die Sparbeträge nicht mehr der laufenden Zahlungsperiode zuzuordnen sind. Ein gesetzliches Schonvermögen ist im Zwangsvollstreckungsrecht nicht vorgesehen. Auch aus § 765a ZPO kann ein solches Schonvermögen nicht hergeleitet werden (LG Kassel 4.4.06, 3 T 94/06, Abruf-Nr. 063716). |
Sachverhalt/Entscheidungsgründe
Schuldner S. hat als Hartz-IV-Empfänger monatlich 25 EUR auf einem Sparbuch der Drittschuldnerin D. gespart, so dass sich dort zuletzt ca. 400 EUR befunden haben. Gläubiger G. hat die Ansprüche aus diesem Sparbuch gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. S. hat die Freigabe des Sparbuchs mit der Begründung beantragt, er beziehe pauschalierte Sozialhilfe bzw. Leistungen nach § 28 SGB XII. Einen Teil des jeweils empfangenen Betrags habe er auf Anweisung des Sozialamts zurückgelegt, um ggf. Neuanschaffungen tätigen zu können. Er habe aufgrund seiner Schwerbehinderung nun konkreten Bedarf an einer neuen Waschmaschine. Das AG hat den PfÜB daraufhin teilweise aufgehoben und den Betrag freigegeben. Das LG hat den PfÜB in der ursprünglichen Form wieder hergestellt, so dass G. auf den gesamten Betrag zugreifen konnte.
Das LG stellt fest, dass der Pfändungsschutz für Sozialleistungen abschließend in §§ 54, 55 SGB IV geregelt ist. Leistungen nach den Hartz-IV-Gesetzen können gemäß § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, wobei der Pfändungsschutz eigenständig geregelt ist (BGH NJW 88, 2670). Wird eine solche Leistung auf das laufende Konto des Schuldners überwiesen, hat er nach § 55 Abs. 1 SGB I das Recht, innerhalb von sieben Tagen nach Gutschrift frei über seine Bezüge zu verfügen, und zwar in voller Höhe des jeweils überwiesenen Betrags, unabhängig von den Pfändungsgrenzen der §§ 850c, 850d ZPO. Dazu muss der Schuldner gemäß § 55 Abs. 3 SGB I nur nachweisen, dass das in Rede stehende Guthaben auf einer Sozialleistung beruht. Der verlängerte Pfändungsschutz nach Maßgabe von § 55 Abs. 4 SGB I greift ein, wenn der Schuldner sein Geld länger als sieben Tage auf dem Konto belassen hat und das Guthaben dann gepfändet wird. Dann kann der Schuldner mit der Erinnerung die Freigabe eines individuell zu bestimmenden Teilbetrags (LG Braunschweig Rpfleger 98, 297; LG Koblenz FamRZ 98, 691) insoweit verlangen, als dieser dem unpfändbaren Teil der Leistungen für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht. Weitergehender Schutz von gespartem Bargeld oder daraus anderweitig gebildeten Rücklagen ergibt sich aus dem Gesetz dagegen nicht.
Gepfändete Geldbeträge, die nicht mehr der laufenden Zahlungsperiode zugeordnet werden können, sind selbst dann dem Zugriff der Gläubiger ausgesetzt, wenn sie aus zunächst geschützten Leistungen angesammelt wurden (LG Bremen JurBüro 90, 836; LG Siegen JurBüro 90, 786; Musielak/Becker, ZPO, 5. Aufl., § 850i Rn. 28; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn. 1439a). Ein „Schonvermögen“ i.S.v. § 90 SGB XII, § 115 ZPO oder § 1836c BGB kennt das Vollstreckungsrecht nicht. Zwar ist es wegen des Sozialstaatsprinzips, Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG, geboten, die Lebensgrundlage des Schuldners durch angemessene Pfändungsfreibeträge zu sichern (BGH NJW-RR 04, 1439); wegen des mit Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Rechts des Gläubigers auf effektive Befriedigung durch Zwangsvollstreckung (BGH NJW 05, 1859; NJW 04, 2096) ist den Gerichten die Gewährung darüber hinausgehenden Schutzes aber grundsätzlich verwehrt. Die Beschränkung des grundgesetzlich geschützten Befriedigungsrechts der Gläubiger ist nämlich allenfalls zulässig, soweit gewichtige Gründe dies zwingend erfordern. Als Inhaber des Zwangsvollstreckungsmonopols darf der Rechtsstaat den davon betroffenen Gläubigern das Vermögen bestimmter Schuldnerkreise nicht generell als Haftungsgrundlage entziehen (BGH NJW 99, 1544).
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