· Fachbeitrag · Vollstreckungspraxis
Vollstreckungs-Tipp des Monats
| Dass Corona die Einkommensverhältnisse vieler Schuldner durcheinanderwirbelte, mussten auch Gläubiger erfahren. Zahlreiche Vollstreckungen sind daher zuletzt erfolglos versandet. Der Fall unserer Leserin Sabine E., Bonn, zeigt aber, dass andererseits Personen auch Jobs annahmen, die durch die Pandemie plötzlich nachgefragt waren. Oft genügt es dann, zu schauen, womit der Schuldner zuvor sein Geld verdiente. |
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Der selbstständige Schuldner S. zahlte zuverlässig seine Raten, bis sein kleines Fahrradgeschäft coronabedingt nicht mehr lief. Zwar boomten die Großhändler mit ihrem Rundum-Service, S. konnte aber nicht mithalten. Zudem hatte noch ein weiterer Großhändler in unmittelbarer Nähe eine Filiale eröffnet. Unsere Leserin legte die Akte daher auf Wiedervorlage. Sie ahnte aber auch: Sein Geschäft hatte der S. seit fast zwanzig Jahren geführt ‒ seine Erfahrungen würde er vermutlich nicht brach liegen lassen. Doch zunächst geschah erst einmal nichts.
Als unsere Leserin eines Tages die Tour de France-Berichterstattung verfolgte, fiel ihr S. wieder ein. Sie recherchierte. Hatte S. im wahrsten Sinne des Wortes „umgesattelt“ und verdiente sich Geld mit mobilen Reparaturarbeiten oder verkaufte er inzwischen Ersatzteile? Know-how und Ausrüstung hatte er schließlich.
Da sie nicht fündig wurde, hielt sie Rücksprache mit ihrem Gläubiger-Mandanten G. Dieser bot sich als „frischgebackener“ Rentner an, den S. zu „observieren“. So entdeckte er, dass S. regelmäßig mit einem Lastenfahrrad loszog, in dessen Anhänger sich einschlägiges Werkzeug befand. G. schnappte sich eines Tages ebenfalls ein Fahrrad und radelte S. hinterher. Er entdeckte, dass S. zu einer nahe gelegenen Garage fuhr. Dort packte er das Werkzeug aus und machte sich kurzerhand an die Arbeit an verschiedenen Rädern.
Unsere Leserin konfrontierte S. mit den Beobachtungen. Dieser gab zu, einen Nebenjob angenommen zu haben. Tatsächlich war die Werkstatt eines Großhändlers derart stark ausgelastet, dass er zahlreiche Aufträge an S. vergab. Unsere Leserin freute sich mit S. darüber, dass er nicht ins Bodenlose gefallen war, beanstandete aber auch deutlich, dass er seine neuen Einkünfte nicht mitgeteilt hatte. S. sah das ein und setzte seine Ratenzahlungen fort. |
Oft sind es ungewöhnliche Vollstreckungsmethoden oder sogar Zufälle, die helfen, dem Schuldner auf die Schliche zu kommen und die Vollstreckung erfolgreich zu beenden. Diese Fälle sammeln wir und veröffentlichen sie an dieser Stelle im Leser-Erfahrungsaustausch. Schildern auch Sie uns Ihren „schönsten Fall“. Wird er veröffentlicht, erhalten Sie ein Einsenderhonorar von 50 EUR. Unsere Anschrift: IWW Institut, Redaktion „Vollstreckung effektiv“, Aspastraße 24, 59394 Nordkirchen, Fax: 02596 922-99, E-Mail: ve@iww.de.
Weiterführende Hinweise
- Vollstreckungs-Tipp des Monats: Altes Logo - neues Geschäft, VE 21, 54
- Vollstreckungs-Tipp des Monats: Der Schuldner im Impfzentrum, VE 21, 144