· Fachbeitrag · Vollstreckungspraxis
Vollstreckungs-Tipp des Monats
| Einen nicht alltäglichen Fall schilderte uns unsere Leserin Katy Klöß, Rechtsfachwirtin, Anwaltskanzlei Michael Sadlo, Dresden. Zum einen zog sich die Angelegenheit über 13 Jahre hin. Zum anderen gab die „untergetauchte“ Schuldnerin nach erfolgreichem Zugriff noch selbst einen Tipp, wie sie hätte viel schneller gefunden werden können. |
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Die Mandantin unserer Leserin, M., war Eigentümerin einer Wohnung in Dresden. Im Jahr 2002 hatte M. gegen eine Mieterin, S., rückständige Mieten in Höhe von ca. 3.000 EUR mittels Vollstreckungsbescheid selbst titulieren lassen.
Die S. tauchte jedoch unter. Der Titel „schmorte“ neun Jahre bei der Hausverwaltung der M. 2011 kam der Fall auf den Tisch unserer Leserin. Sie sollte prüfen, ob der Vollstreckungstitel weiter durchgesetzt werden konnte.
Eine Einwohnermeldeamtsanfrage bei der letzten bekannten Anschrift der S. ergab, dass sich diese nach Holland abgemeldet hatte. Unsere Leserin eruierte Anwälte in Holland, die zunächst prüfen sollten, ob S. unter der angegebenen Anschrift tatsächlich gemeldet sei. Es stellte sich jedoch 2013 heraus, dass S. erneut verzogen war, nämlich nach Großbritannien. Das Einwohnermeldeamt in Holland teilte zudem mit, dass S. zwischenzeitlich einen neuen Familiennamen habe, also geheiratet hatte.
In einer Online-Suchmaschine konnte unsere Leserin den neuen Familiennamen der S. recherchieren. Sie war nun als Sekretärin bei einer englischen Firma angestellt. Die Angaben zum Geburtsdatum stimmten. Der Geschäftsführer dieser Firma hieß mit Nachnamen genauso wie die S. mit ihrem neuen Nachnamen. Es lag also nahe, dass S. mit dem Geschäftsführer der Firma verheiratet war. Weitere Recherchen ergaben jedoch, dass die Firma zwischenzeitlich nach einer Insolvenz nicht mehr bestand.
Unsere Leserin tappte also zunächst weiter im Dunklen, zumal es in England kein Einwohnermeldeamt gibt. Sie konnte keine neue Anschrift ermitteln. M. wünschte nicht, ein Detektivbüro einzuschalten, da hierfür Kosten von ca. 2.500 EUR angefallen wären.
Anfang 2015 erhielt unsere Leserin die Akte dann erneut wiedervorgelegt. Sie recherchierte wieder intensiv im Internet, vor allem bei Facebook. Dort konnte sie eine Frau mit dem Namen der S. in Berlin feststellen. Diese Person hatte angegeben, aus Holland zu kommen und jetzt in Berlin zu wohnen.
Unsere Leserin brachte sofort eine Einwohnermeldeamtsanfrage in Berlin mit dem Geburtsdatum der S. aus - und: Volltreffer! Sie hatte S. am neuen Wohnort gefunden. |
Sofort gab unsere Leserin einen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher. Die Forderung hatte sich im Laufe der Zeit auf über 6.000 EUR ausgeweitet, allein ca. 3.000 EUR Zinsen waren angefallen.
Es dauerte nicht einmal zwei Wochen, dann meldete sich S. telefonisch bei unserer Leserin. Sie war überrascht, dass unsere Leserin sie gefunden hatte. Sie konnte sich jetzt erinnern, dass sie Schulden aus einem früheren Mietverhältnis hatte. Durch ihre jahrelangen Auslandsaufenthalte habe sie die Sache jedoch verdrängt.
S. fragte an, ob es möglich sei, sich gütlich zu einigen. Denn andernfalls würde der Gerichtsvollzieher weiter vollstrecken und ihr die Vermögensauskunft abnehmen.
Die S. gab letztlich zu verstehen, dass sie die Sache sofort klären wollte. M. gab der S. daher einen minimalen Erlass auf die Zinsen von 500 EUR. Den Restbetrag von ca. 5.500 EUR zahlte S. innerhalb von drei Tagen. So konnte unsere Leserin die Akte nach 13 Jahren erfolgreich abschließen.
S. gab unserer Leserin abschließend noch einen wichtigen Hinweis: Sie hätte auch über die Botschaft in England gefunden werden können. Sie sei dort registriert gewesen. Diesen Tipp gibt unsere Leserin gern an alle Abonnenten von „Vollstreckung effektiv“ weiter, die ebenfalls mit Schuldnern zu tun haben, die nach England gezogen sind. Die Kontaktdaten: Embassy of the Federal Republic of Germany, 23 Belgrave Square, London, SW1X 8PZ, Großbritannien/Vereinigtes Königreich., Tel: +44 20 78 24 18 00, Fax: +44 20 78 24 14 35.
Auch aus anderen Fällen hat unsere Leserin gelernt, dass Schuldner, die sich ins Ausland absetzen, früher oder später wieder nach Deutschland zurückkehren. |
Oft sind es die ungewöhnlichen Vollstreckungsmethoden oder sogar Zufälle, die helfen, dem Schuldner auf die Schliche zu kommen und die Vollstreckungssache erfolgreich zu beenden. Diese Fälle sammeln wir und veröffentlichen sie an dieser Stelle.
Daher unsere Bitte: Schildern Sie uns Ihren „schönsten Fall“. Bei Veröffentlichung erhalten Sie ein Einsenderhonorar von 50 EUR. Unsere Anschrift: IWW Institut, Redaktion „Vollstreckung effektiv“, Aspastraße 24, 59394 Nordkirchen, Fax: 02596 922-99, E-Mail: ve@iww.de.
Weiterführende Hinweise
- Vollstreckungs-Tipp des Monats: 13 Jahre Schuldnerjagd, VE 16, 19
- So betreiben Sie die Zwangsvollstreckung in Italien aufgrund eines EU-Titels, VE 15, 40
- Schuldnerrecherche im Internet: Google+, VE 12, 30
- Download: Antrag auf Erteilung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel
- Vollstreckung ausländischer Titel in Deutschland, VE 06, 151