Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Die wichtigsten Möglichkeiten der Vollstreckung bei angeordneter Sicherheitsleistung

    | Ein Leser schilderte uns den folgenden Fall: Gläubiger G. ist im Besitz eines Urteils folgenden Tenors: „1. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 4.000 EUR nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15.5.14 zu zahlen. 2. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.“ Unser Leser fragt: Was muss G. unternehmen, um vollstrecken zu können? Die drei Handlungsmöglichkeiten für G. sind im Folgenden dargestellt.

    1. Rechtskraft des Urteils abwarten

    G. kann abwarten, bis der Titel formell rechtskräftig ist. Insofern muss die Frist zur Einlegung der Berufung für den Beklagten ungenutzt abgelaufen sein. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat. Sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 517 ZPO). Der Nachweis der Rechtskraft erfolgt durch ein sog. Rechtskraftzeugnis (§ 706 Abs. 1 ZPO), das der Gläubiger beantragen muss.

     

    PRAXISHINWEIS | Diese Möglichkeit ist nicht zu empfehlen, vor allem wenn seitens des Schuldners Vermögenswerte vorhanden sind, auf die sich ein Zugriff lohnt. Zudem kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass Schuldner aus taktischen Gründen Berufung in der Gewissheit einlegen, dass der Gläubiger dann zunächst an einer schnellen Vollstreckung gehindert ist.

     

    2. Erbringung der angeordneten Sicherheitsleistung

    Im vorliegenden Fall wurde durch das Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags zugelassen. In diesem Zusammenhang ist allerdings § 751 Abs. 2 ZPO zu beachten. Danach darf mit der Zwangsvollstreckung nur begonnen oder sie nur fortgesetzt werden, wenn die Sicherheitsleistung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Nachweis der Sicherheitsleistung führt im Ergebnis zu der Fiktion eines rechtskräftigen Urteils. G. kann daraufhin mit voller Härte gegen den Schuldner vollstrecken. Dem Schuldner bleibt nur noch die Möglichkeit, entweder die Vollstreckung zu dulden oder die Forderung zumindest unter Vorbehalt zu zahlen und dadurch einer Vollstreckung zu entgehen.

     

    Für G. stellt sich allerdings die Frage, wie und in welcher Art die Sicherheitsleistung zu erbringen ist. Wird keine Bestimmung getroffen und haben die Parteien auch nichts anderes vereinbart, bestimmt sich die Art der Sicherheitsleistung nach § 108 Abs. 1 ZPO. Hiernach kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:

     

    • Stellen einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und unbefristeten Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts,
    • Hinterlegung von Geld oder
    • Hinterlegung von Wertpapieren, die nach § 234 Abs. 1, 3 BGB zur Sicherheitsleistung geeignet sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Der nach § 751 Abs. 2 ZPO zu erbringende Nachweis ist bei Hinterlegung durch die Bescheinigung der Hinterlegungsstelle über die Annahme und Quittung der Hinterlegungskasse möglich. Die Abschrift der Urkunde, mit der die Sicherheitsleistung nachgewiesen wird, muss durch den Gerichtsvollzieher bereits zugestellt sein oder gleichzeitig zugestellt werden.

     

    Erfolgt der Nachweis durch eine (Bank-)Bürgschaft, genügt es, dass die Bürgschaftsurkunde von Anwalt zu Anwalt zugestellt ist (LG Mannheim WM 09, 1976; OLG Koblenz MDR 93, 470). Die Bürgschaftserklärung einer Bank bedarf weder einer Beglaubigung der Unterschriften noch des Nachweises der Vertretungsbefugnis der Unterzeichner (LG Hannover DGVZ 89, 141). Ausreichend ist auch die Zustellung der Bürgschaftsurkunde durch den Gerichtsvollzieher an den Schuldner selbst. Denn § 751 Abs. 2 ZPO verlangt keinen weiteren Zustellungsnachweis, insbesondere keinen Nachweis der Bürgschaftsbestellung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Schuldners, weshalb die Zustellung an diesen nicht erforderlich ist (BGH VE 09, 42).

     

    Achtung | Das Vollstreckungsorgan muss von Amts wegen überprüfen, ob die vom Gläubiger geleistete Sicherheit ausreicht (BGH VE 15, 23). Der Gläubiger muss daher bei seinem Vollstreckungsantrag die konkrete zu diesem Zeitpunkt vollstreckbare Gesamtsumme einschließlich etwaiger bis hierhin aufgelaufener titulierter Zinsen aus dem Urteil (gegebenenfalls i.V.m. einem Kostenfestsetzungsbeschluss) errechnen und die von ihm zu leistende Sicherheit damit genau bestimmen.

     

    Auf das Eingangsbeispiel bezogen müsste G. bei Stellung eines Vollstreckungsantrags z.B. am 29.5.15 Sicherheitsleistung aus folgendem zu vollstreckenden Betrag erbringen:

     

    • Diese Sicherheitsleistung müsste G. erbringen

    Hauptforderung

    4.000,00 EUR

    Zinsen vom 15.5.14 bis 29.5.15

    176,70 EUR

    4.176,00 EUR

    Hiervon 110 Prozent als zu erbringende Sicherheitsleistung

    4.593,60 EUR

     

    3. Betreiben der Sicherungsvollstreckung

    Im betreffenden Fall bietet sich für G. aber auch eine Sicherungsvollstreckung gemäß § 720a ZPO an, um Verzögerungen bei der Vollstreckung zu vermeiden und vor allem, um gegebenenfalls anderen Gläubigern zuvorzukommen. Hierfür muss G. keine Sicherheitsleistung erbringen. Durch den raschen Vollstreckungszugriff des G. auf das schuldnerische Vermögen ohne Sicherheitsleistung und vor Rechtskrafteintritt wird zudem das Risiko minimiert, dass Wertgegenstände des Schuldners schnell noch beseitigt werden.

     

    PRAXISHINWEIS | § 720a ZPO ist insoweit eine Ausnahmevorschrift, als die Gläubigersicherheit nicht erbracht zu sein braucht, wobei der Gläubiger aber zunächst keine Befriedigung, sondern nur eine Sicherung erreicht. Zu beachten ist, dass der Titel dem Schuldner mindestens zwei Wochen vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt werden muss (§ 750 Abs. 3 ZPO). Eine Zustellung auch der Vollstreckungsklausel ist nur erforderlich, wenn eine titelergänzende oder titelumschreibende Klausel (§ 726 Abs. 1, §§ 727 ff. ZPO) besonderer Prüfung bedarf und als qualifizierte Klausel nicht vom Urkundsbeamten, sondern vom Rechtspfleger gemäß den in § 750 Abs. 2 ZPO im Einzelnen angeführten Vorschriften erteilt wird. Bei der Sicherungsvollstreckung ist deshalb die Zustellung (auch) der einfachen Klausel nicht Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung (BGH VE 06, 186). Im Eingangsfall musste daher G. nicht die Vollstreckungsklausel zwei Wochen vorher zustellen, sondern nur das Urteil.

     

    Durch die Sicherungsvollstreckung darf der Gläubiger - ohne Sicherheitsleistung - keine vollendeten Tatsachen schaffen, indem er den gepfändeten Gegenstand verwertet und sich aus dem Erlös befriedigt. Es sind nur einige gesetzlich klar definierte Maßnahmen möglich:

     

    • Pfändung von beweglichem Vermögen (§ 720a Abs. 1 Buchst. a ZPO): Hiernach kann der Gerichtsvollzieher bewegliche Sachen nach §§ 808 ff. ZPO pfänden. Zum beweglichen Vermögen zählen auch Forderungen und andere Vermögensrechte. Hier können Gläubiger ihre Ansprüche durch eine Forderungspfändung - ohne Überweisung - sichern. In diesem Fall erlässt das Vollstreckungsgericht einen Pfändungsbeschluss. Insofern ist bei den amtlichen Formularen die entsprechende Ankreuzmöglichkeit auf Seite 1 und 2 zu beachten. Sollten Gläubiger die Sicherheitsleistung erbringen oder der Titel rechtskräftig werden, muss bei der sich anschließenden zu beantragenden Überweisung das amtliche Formular nicht verwendet werden (§ 2 S. 2 ZVFV)!

     

    • Ausnahmsweise sind Verwertungsmaßnahmen möglich, wenn die Gefahr einer beträchtlichen Wertverringerung - z.B. bei Wertpapieren - oder unverhältnismäßig hoher Kosten bei Aufbewahrung einer Sache besteht. Auf Antrag kann das Vollstreckungsgericht dann anordnen, dass die Sache versteigert und der Erlös hinterlegt wird (§ 720a Abs. 2, § 930 Abs. 3 ZPO).

     

    • Pfändung von unbeweglichem Vermögen (§ 720a Abs. 1 Buchst. b ZPO):Bei Pfändung von unbeweglichem Vermögen ist der Gläubiger berechtigt, ein Pfandrecht im Rahmen einer Sicherungshypothek zu erwirken. Das Verfahren richtet sich nach § 866 Abs. 3, §§ 867, 870a ZPO.

     

    • Vorpfändung: Ohne Sicherheitsleistung zulässig ist auch eine Vorpfändung (OLG Rostock JurBüro 06, 382), da sich die Pfändung bei der Sicherungsvollstreckung nach den allgemeinen Regeln richtet und auch die gleichen Wirkungen entfaltet wie jede Pfändung sonst (Verstrickung, Entstehung eines Pfändungspfandrechts). Der Gläubiger muss auch für die Vorpfändung die im Urteil als Voraussetzung der vorläufigen Vollstreckbarkeit bestimmte Sicherheit nicht leisten (Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, 7. Aufl., § 720a Rn. 8 m.w.N.).

     

    • Abgabe der Vermögensauskunft: Die erfolglose Sicherungsvollstreckung genügt schließlich, um den Schuldner nach §§ 802c, 807 ZPO zur Vermögensauskunft laden zu lassen, da diese Bestimmung nur an eine ordnungsgemäße Pfändung oder den Nachweis anknüpft, dass eine solche Pfändung nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen werde (BGH VE 07, 83).

     

    Der Schuldner ist befugt, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer (Gegen-)Sicherheit in Höhe des Hauptanspruchs abzuwenden, wegen dessen der Gläubiger vollstrecken kann, wenn nicht der Gläubiger vorher die ihm obliegende Sicherheit geleistet hat (§ 720a Abs. 3 ZPO). Die Höhe der Sicherheitsleistung des Schuldners bestimmt sich in diesem Fall allein nach der des titulierten Hauptanspruchs ohne Kosten und Zinsen. Leistet der Schuldner die Sicherheit, der Gläubiger aber nicht, gilt § 775 Nr. 3 i.V.m. § 776 ZPO bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Abwendungsbefugnis des Schuldners beseitigt lediglich die Möglichkeit der Sicherungsvollstreckung des Gläubigers. Dieser wird nun gezwungen, die ihm obliegende Sicherheit zu erbringen, um vollstrecken zu können. Erbringt er sie, kann er dann allerdings uneingeschränkt vollstrecken. Eine Sicherheitsleistung des Schuldners ist daher sinnlos, wenn der Gläubiger seine Sicherheitsleistung bereits geleistet hat. Der Gläubiger kann also mit der ihm nach der Urteilsformel obliegenden Sicherheitsleistung die Vollstreckbarkeit des Titels nach seinem Belieben herbeiführen. Hat zunächst der Schuldner Sicherheit geleistet, entfällt mit der Leistung der Gläubigersicherheit ihr Anlass und die Sicherheit des Schuldners ist nach § 109 ZPO zurückzugeben (OLG München DGVZ 90, 185).

     

    Es gilt also: Immer, wenn der Gläubiger gleich vor der Zwangsvollstreckung die ihm auferlegte Sicherheit leistet, ist § 720a Abs. 3 ZPO bedeutungslos. Eine Sicherheitsleistung des Schuldners zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ist nicht mehr möglich, weil der Gläubiger uneingeschränkt vollstrecken kann.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Sicherheitsleistung in der Zwangsvollstreckung, VE 15, 23
    • Zahlungsaufforderung bei Sicherungsvollstreckung: Vollstreckungsgebühr ist nicht zu erstatten, VE 12, 214
    • Erbringung der Sicherheitsleistung und deren Rückgabe: So rechnen Sie richtig ab, VE 13, 68
    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 122 | ID 43432524