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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Urkundenherausgabe gemäß § 836 Abs. 3 ZPO bei Gläubigerkonkurrenz

    | Die Redaktion erreichte folgender interessanter Fall: Im Rahmen einer Kontopfändung wurde durch den Gläubiger G. 1 auch das dem Schuldner S. gegen die Bank zustehende Sparguthaben mitgepfändet. Kurz darauf meldete sich der nachrangige Gläubiger G. 2 und erklärte, dass er das Sparbuch durch den Gerichtsvollzieher X. habe pfänden lassen. Er wäre aber zu einem „Deal“ bereit: Wenn G. 1 das Sparguthaben hälftig mit G. 2 teile, gebe er die Urkunde heraus, sonst würde er sie zu seinen Unterlagen heften. Kann der G.2 veranlasst werden, das Sparbuch herauszugeben? Gibt es nur die Möglichkeit einer Herausgabeklage? Wie sind die Erfolgsaussichten? |

    1. G. 1 benötigt zur Durchsetzung der Pfändung das Sparbuch

    Der Schuldner muss nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO die über die Forderung vorhandenen Urkunden herausgeben. Diese Herausgabepflicht betrifft Urkunden, die den Gläubiger als zur Empfangnahme der Leistung berechtigt legitimieren, sowie solche, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit oder Einredefreiheit dienen (BGH VE 12, 74; VE 07, 41). Der Gläubiger soll hierdurch in die Lage versetzt werden, die Aussichten einer Drittschuldnerklage überprüfen und notfalls eine solche exakt beziffern zu können. Unnötige und risikobehaftete Drittschuldnerklagen sollen dadurch vermieden werden.

     

    Aus diesem Sinn und Zweck folgt, dass die Vorschrift weit auszulegen ist. Die Norm beschränkt die Herausgabepflicht nicht auf Urkunden aus der Zeit nach der Pfändung. Entscheidend ist, ob die Urkunden Beweis- und Überprüfungszwecken im Hinblick auf die gepfändete Forderung dienen. Für das Bestehen dieser Pflicht bezüglich der entsprechenden Urkunden ist ihre Aufführung im Überweisungsbeschluss nicht von Belang. Bedeutung erlangt dies erst bei der möglichen Vollstreckung. Die vom Schuldner herauszugebenden Urkunden sind im PfÜB im Einzelnen zu bezeichnen. Eine besondere Herausgabeanordnung ist grundsätzlich nicht erforderlich (BGH VE 06, 147).

     

    Der Gläubiger kann eine solche Anordnung jedoch verlangen, wenn hierdurch die vom Schuldner herauszugebenden Urkunden näher bezeichnet werden sollen (OLG Zweibrücken JurBüro 95, 660; LG Heidelberg JurBüro 95, 383). Die Aufnahme einer Herausgabeanordnung im PfÜB ist nicht davon abhängig, dass der Gläubiger darlegt, dass er an der Herausgabe der über die Forderung vorhandenen Urkunden im Einzelfall ein besonderes Rechtsschutzinteresse hat (LG Augsburg JurBüro 96, 386; LG Berlin Rpfleger 93, 294; LG Paderborn JurBüro 95, 382; Behr, JurBüro 94, 327; a.A. LG Mainz Rpfleger 94, 309).

     

    Da im vorliegenden Fall der S. das Sparbuch nicht mehr in seinem Besitz hat, kann er es folglich dem G .1 auch nicht herausgeben, sodass § 836 Abs. 3 S 1 ZPO nicht greift.

    2. Darf G. 2 das Sparbuch zurückbehalten?

    Da G. 2 das Sparbuch durch den X. hat pfänden lassen, kann dies nur im Rahmen einer sog. Hilfspfändung erfolgt sein. Nach § 156 GVGA ist der Gerichtsvollzieher im Rahmen eines Sachpfändungsauftrags befugt, Legitimationspapiere zunächst vorläufig an sich zu nehmen. Legitimationspapiere beweisen das Bestehen einer Forderung und die Berechtigung des Papierinhabers. Dazu gehören z.B. Sparkassenbücher, Pfand-, Versicherungs-, Schuld- und Depotscheine, Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefe, Lohnabrechnungen.

     

    Der Gerichtsvollzieher teilt dem Gläubiger die vorläufige Inbesitznahme mit und bezeichnet im Pfändungsprotokoll die Forderungen, auf die sich die 
Legitimationspapiere beziehen. Der Gläubiger ist dann gehalten, binnen 
eines Monats nach der Pfändungsbenachrichtigung die zugrunde liegende Forderung durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu pfänden (§ 829 Abs. 3 ZPO). Hält der Gläubiger die Monatsfrist nicht ein, muss der Gerichtsvollzieher die gepfändeten Papiere dem Schuldner zurückgeben.

     

    PRAXISHINWEIS | Wenn also G. 2 nicht binnen der Monatsfrist den PfÜB gegen S. erwirkt hat, besteht an der zugrunde liegenden Sparbuchforderung kein Pfandrecht. Insofern ist er auch nicht berechtigt, das Sparbuch zurückzubehalten. Er muss dieses daher dem S. wieder aushändigen. G. 1 kann daher den Anspruch des S. auf Herausgabe der Sache gemäß §§ 828, 829, 835 ZPO pfänden und sich überweisen lassen. Ist G. 2 dann immer noch nicht bereit, die Sache freiwillig herauszugeben, ist der G. 1 berechtigt, im eigenen Namen den Anspruch gegen G. 2 einzuklagen (§ 836 ZPO) und gegen ihn aus dem ergangenen Urteil gemäß §§ 883 bis 885 ZPO zu vollstrecken.

     

    Anders ist es jedoch, wenn G. 2 die dem Sparbuch zugrundeliegende Forderung wirksam innerhalb der Monatsfrist nach § 156 GVGA gepfändet hat. Dann besteht zu seinen Gunsten ein wirksames Pfandrecht. Insofern benötigt er die Sparurkunde zur Durchsetzung des gepfändeten Anspruchs (§ 836 Abs. 3 S. 1 ZPO).

     

    Seinem Anspruch geht allerdings das bessere Pfandrecht des G. 1 im Range vor (vgl. § 803 Abs. 1 ZPO). Dieses berechtigt G. 1 das Sparbuch von G. 2 zur Durchsetzung seines Anspruchs herauszuverlangen. Dies muss G. 1 im Zweifel mittels einer Herausgabeklage bewerkstelligen. Anspruchsgrundlage wäre hierbei das bessere Pfandrecht aufgrund des Prioritätsprinzips.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Pflicht zur Herausgabe sämtlicher Kontoauszüge, BGH VE 12, 74
    • BGH erkennt Herausgabeverpflichtung für Lohnabrechnungen an, VE 07, 41
    • Urkundenherausgabe bei Forderungspfändung, VE 06, 147
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 182 | ID 42299741