· Fachbeitrag · Gesamtschuldnerhaftung
Mehrere vollstreckbare Ausfertigungen: Gläubiger kann sich Schuldner aussuchen
| In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob man aus einem Titel gegen zwei Schuldner gleichzeitig gegen beide Schuldner in voller Höhe vollstrecken kann und ob man gegen einen der Schuldner die Zwangsvollstreckung betreiben kann, wenn aus der Vollstreckung (PfÜB) gegen den anderen Schuldner bereits Teilzahlungen fließen. |
1. Grundsätze der Gesamtschuldnerhaftung
Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet (§ 421 BGB).
Dem Gläubiger steht also ein Wahlrecht zu, welchen oder welche Schuldner er in welcher Höhe in Anspruch nimmt. Die erfolgreiche Inanspruchnahme eines bestimmten Schuldners hat nach § 422 Abs. 1 S. 1 BGB zur Folge, dass die anderen insoweit von der Schuld befreit werden.
Dies bewirkt, dass bei einer zulässigen erfolgreichen (Teil-)Vollstreckung eines Schuldners die Schuld des anderen nichtzahlenden Schuldners gegenüber dem Gläubiger erlischt.
2. Beschleunigung der Vollstreckung bei mehreren Schuldnern
Was viele nicht wissen: Vollstreckungsverfahren gegen mehrere Schuldner können beschleunigt werden. Eine einfache Möglichkeit liegt in der Beantragung mehrerer vollstreckbarer Ausfertigungen eines Titels (§ 733 ZPO), da so eine Parallelvollstreckung möglich ist, die die Erfolgschancen erhöht.
Eine Möglichkeit der Beantragung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung besteht, wenn der Gläubiger eine Forderung gegen Gesamtschuldner besitzt (OLG Koblenz 7.8.86, JurBüro 87, 1228; AG Groß-Gerau, Rpfleger 81, 151 m.w.N.). Dies gilt vor allem, wenn die Schuldner an verschiedenen Orten wohnen.
Gerade die beabsichtigte Durchführung der kombinierten Sachpfändung aufgrund nur einer - regelmäßig erteilten - Ausfertigung bei einem Schuldner kann aufgrund der offenkundigen Dauerüberlastungen der Gerichtsvollzieher zum Vermögensverfall der übrigen Schuldner und damit zu einer Benachteiligung des Gläubigers führen. Es ist deshalb unzumutbar, aufgrund nur einer Ausfertigung quasi nacheinander zu vollstrecken und deshalb monatelang auf die Befriedigung zu warten.
Aber auch die Tatsache, dass mehrere Gesamtschuldner nach Kenntnis des Gläubigers mehrere unterschiedliche Vermögenswerte besitzen, kann einen Antrag auf weitere vollstreckbare Ausfertigungen rechtfertigen. Der Gläubiger darf also z.B. neben einer Sach- bzw. Forderungsvollstreckung auch die Immobiliarvollstreckung betreiben. Hierfür benötigt er mehrere vollstreckbare Ausfertigungen.
3. Zuständigkeiten
Bei Prozessvergleichen und Urteilen ist für die Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung der Rechtspfleger des für die erste Klauselerteilung zuständigen Gerichts (§ 20 Nr. 12 RpflG) zuständig. Bei einem Vollstreckungsbescheid ist der Rechtspfleger zuständig, der diesen erlassen hat. Für notarielle Urkunden (z.B. notarielles Schuldanerkenntnis mit persönlicher Zwangsvollstreckungsunterwerfung) ist der Notar zuständig (§ 797 Abs. 3 ZPO).
Die gesamte Problematik lässt sich allerdings dadurch umgehen, dass gegen jeden Drittschuldner direkt eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden kann (Musielak/Lackmann, ZPO, § 724 Rn. 8, § 733 Rn. 4).