· Immobiliarvollstreckung
Stärkung von Gläubigerrechten bei Räumungsvollstreckung durch Zuschlagsbeschluss

von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| In erbrechtlichen Teilungsversteigerungsverfahren kommt es immer wieder zu folgender Situation: Einer der Miterben bewohnt das Versteigerungsobjekt allein. Nach Erteilung des Zuschlags beantragt der Ersteher als neuer Eigentümer die Erteilung einer Vollstreckungsklausel des Zuschlagsbeschlusses, um den ehemaligen Miteigentümer (Antragsgegner) durch den Gerichtvollzieher räumen zu lassen (§ 93 Abs. 1 ZVG). Im Rahmen des Klauselerteilungsverfahrens beruft sich der Bewohner auf sein Besitzrecht und legt hierzu einen mit dem Erblasser zuvor abgeschlossenen Mietvertrag vor. Der BGH hat durch Beschluss vom 18.12.24 (VII ZB 30/23, Abruf-Nr. 246017 ) solchen Machenschaften ein Ende gesetzt. Die Richter entschieden, dass im Klauselerteilungsverfahren nach §§ 724 ff. ZPO für ein gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG zu berücksichtigendes Besitzrecht eines Dritten nur solche Umstände Berücksichtigung finden können, nach denen dieses Besitzrecht für das Klauselerteilungsorgan ohne jeden vernünftigen Zweifel erkennbar, also evident ist. |
Relevanz für die Praxis
Die Erteilung einer Vollstreckungsklausel zur Räumungsvollstreckung nach einer Zuschlagserteilung ist ein wesentliches Instrument zur Durchsetzung von Gläubigerrechten. Ein zentraler Aspekt ist dabei immer wieder die Berücksichtigung eines Besitzrechts eines Dritten nach § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG. Hierbei stellt sich i. d. R. die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solches Besitzrecht die Erteilung einer Vollstreckungsklausel hindert.
Gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 ZVG kann aus einem Zuschlagsbeschluss gegen den Besitzer eines Grundstücks auf Räumung und Herausgabe vollstreckt werden. Allerdings soll die Zwangsvollstreckung nicht erfolgen, wenn der Besitzer aufgrund eines fortbestehenden Besitzrechts handelt (§ 93 Abs. 1 S. 2 ZVG).
Ist dem Besitzer das Grundstück überlassen, ist § 566 BGB i. V. m. § 578 Abs. 1 BGB anzuwenden. Dies setzt allerdings voraus, dass es noch vor der Versteigerung zur Überlassung des Grundstücks durch den Vermieter in Erfüllung seiner Pflichten aus § 535 Abs. 1 BGB gekommen ist. Die Besitzeinräumung muss nämlich gerade im Hinblick auf das Mietverhältnis erfolgt sein.
Beachten Sie | Das Klauselerteilungsverfahren prüft keine materiell-rechtlichen Fragen, sondern beschränkt sich auf eine sog. Evidenzkontrolle. Folge: Der Vollstreckungsschuldner kann nur solche Einwendungen gegen eine dem Gläubiger erteilte Klausel erheben, die Fehler formeller Art zum Gegenstand haben. Deshalb dürfen nur offensichtliche und zweifelsfrei erkennbare Besitzrechte berücksichtigt werden.
Ein Besitzer muss zwar nicht den vollen (materiellen) Beweis für sein Besitzrecht erbringen. Es genügt aber auch nicht, dass er sich nur auf ein solches Recht beruft. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Missbrauch der Schutzvorschriften des ZVG ‒ vor allem des § 57 ZVG ‒ zum Nachteil des Gläubigers gefördert und das vereinfachte Klauselerteilungsverfahren so entwertet würde. Eine detaillierte inhaltliche Prüfung bleibt dem Zivilprozess vorbehalten. Im Zweifel muss der Dritte daher Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) erheben.
Der BGH stellt fest, dass allein die Vorlage eines Mietvertrags für die Annahme eines evidenten Besitzrechts nicht ausreicht. Vielmehr muss der Mieter mit geeigneten Unterlagen, z. B. durch Vorlage von Kontoauszügen über Mietzahlungen, belegen, dass der Vermieter ihm in Erfüllung der hierdurch übernommenen Pflicht nach § 535 Abs. 1 BGB vor Zuschlag den Gebrauch überlassen hat und dieses Mietverhältnis fortbesteht. Eine bloße Glaubhaftmachung eines behaupteten Besitzrechts reicht für die Annahme einer Evidenz nicht aus.
Die Entscheidung führt zu folgenden Vorteilen für Gläubiger:
- Durch die Beschränkung auf evidente Besitzrechte wird eine rasche Durchführung der Zwangsvollstreckung ermöglicht.
- Die Reduzierung auf offensichtliche Besitzrechte verhindert Verzögerungstaktiken durch unbegründete Mietvertragsbehauptungen. Sie schützt Gläubiger somit vor Missbrauch durch fiktive oder unbewiesene Mietverhältnisse.
- Gläubiger können sich auf eine stringente und vorhersehbare Rechtsanwendung verlassen. Der Dritte muss im Zweifel eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben.
Handlungsempfehlungen für Gläubiger:
- Prüfen Sie die Besitzverhältnisse: Bereits im Vorfeld sollten Sie untersuchen, ob der Schuldner, Antragsgegner oder Dritte ein Besitzrecht behaupten könnten. Im Zweifel sollte das Gericht ggf. anwesende Dritte hierzu im Versteigerungstermin befragen. Hierzu kann die 30-minütige Bietstunde genutzt werden.
- Dokumentieren Sie und sichern Sie Beweise: Mögliche Mietzahlungen, Mietverträge und sonstige Besitznachweise des Schuldners oder Dritter sollten Sie prüfen und dokumentieren.
- Reagieren Sie auf Einwendungen: Einwände des Schuldners, Antragsgegners oder eines Dritten können Sie durch Beweissicherung entkräften, um Verzögerungen zu vermeiden.
FAZIT | Die Entscheidung des BGH stellt sicher, dass nur evidente Besitzrechte im Klauselerteilungsverfahren berücksichtigt werden. Dies erleichtert die Räumungsvollstreckung für Gläubiger und schützt sie vor unbegründeten Verzögerungen durch angebliche Mietverträge. Dennoch erfordert die Praxis eine sorgfältige Prüfung und Vorbereitung, um erfolgreich eine Vollstreckungsklausel zu erhalten. |
Weiterführende Hinweise
- Räumung aus dem Zuschlagsbeschluss: Das ist zu beachten, VE 24, 95
- Beschränkte Räumungsvollstreckung aus Zuschlagsbeschluss möglich, VE 17, 133