· Fachbeitrag · Lohnpfändung
Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung ist als unselbstständiger Nebenanspruchmitpfändbar
(BGH 9.12.12, VII ZB 50/11, Abruf-Nr. 130394) |
Sachverhalt
Der Gläubiger G. betreibt gegen den Schuldner S. die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Geldforderung. Das AG - Vollstreckungsgericht - hat auf Antrag des G. einen PfüB erlassen. Dieser bezieht sich auf angebliche Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin D. auf rückständige, gegenwärtige und künftige Lohnzahlungen, Prämien, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Abfindungen, Betriebsrenten, soweit nach §§ 850 ff. ZPO pfändbar, sowie einen vom Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleich. Das Vollstreckungsgericht hat in diesem Beschluss des Weiteren angeordnet, dass der S. im Rahmen seiner Herausgabeverpflichtung nach § 836 Abs. 3 ZPO für die Dauer der Pfändung die Lohn- und Gehaltsabrechnungen an den G. herausgeben muss. Dem weitergehenden Antrag des G. auf Pfändung der angeblichen Forderungen des S. gegen D. „auf monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen (Fax genügt)“ hat das Vollstreckungsgericht nicht entsprochen. Die gegen die teilweise Antragszurückweisung gerichtete sofortige Beschwerde des G. ist vor dem Beschwerdegericht ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt G. den Antrag weiter. Der BGH hält die Rechtsbeschwerde für begründet und ändert den PfÜB zugunsten des G ab.
Entscheidungsgründe
Die angeblichen Forderungen des S. gegen die D. auf monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen sind zusammen mit den angeblichen Forderungen auf Lohnzahlung als Nebenrechte mitgepfändet. Grund: Die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstreckt sich nämlich ohne Weiteres auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung nach §§ 412, 401 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen. Folge: Einer gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedarf es dazu nicht (BGH VE 12, 79; BGH VE 04, 91).
Achtung | Neben den in § 401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird diese Vorschrift unter anderem auf solche Hilfsrechte entsprechend angewandt, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind. Solche Nebenrechte sind insbesondere Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, die darauf abzielen, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln (BGH VE 04, 91; BGH VE 06, 25). Bei der Lohnpfändung stellt der Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung einen solchen unselbstständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem S. gegen die D. derartige Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen. Nach allgemeinen Grundsätzen kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Auskunft über die Grundlagen seines Vergütungsanspruchs verlangen, wenn der Arbeitnehmer hierüber unverschuldet keine Kenntnis hat (BAGE 119, 62). Das schließt den Anspruch auf eine Abrechnung mit ein, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf die Zahlung konkret verfolgen zu können.
Ob Ansprüche des S. auf Lohnabrechnung gegen die D. tatsächlich gegeben sind, ist vorliegend unerheblich. Denn das Vollstreckungsgericht prüft nicht, ob eine zu pfändende Forderung besteht (BGH VE 04, 93). Bezüglich der Mitpfändung gilt dies ebenfalls. Vielmehr muss die Pfändung immer dann erfolgen, wenn dem Schuldner die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann (BGH NJW-RR 08, 733).
Achtung | Ein Pfändungsantrag darf nur ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem Schuldner der Anspruch offenbar nicht zustehen kann oder wenn dieser ersichtlich unpfändbar ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Insbesondere steht nicht fest, dass die Erfüllung der genannten Ansprüche auf Lohnabrechnung gegenüber dem Gläubiger in unzulässiger Weise in ein Recht des Schuldners auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung eingreifen würde, weil in den Abrechnungen schuldnerbezogene Daten enthalten sind, die sich nicht nur auf das pfändbare Arbeitseinkommen beziehen. Das Interesse des Schuldners, die in Lohnabrechnungen enthaltenen, sein Arbeitsverhältnis betreffenden persönlichen Daten gegenüber Dritten nicht zu offenbaren, überwiegt grundsätzlich nicht das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (BGH VE 06, 147), zumal hier der S. dazu nichts vorgetragen hat.
Praxishinweis
Die Entscheidung hat bei der Lohnpfändung zur Folge, dass das Vollstreckungsgericht in Fällen der Mitpfändung von Nebenrechten auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluss die Mitpfändung auch noch später - klarstellend - aussprechen kann. Denn ein solcher klarstellender Ausspruch erleichtert dem Gläubiger den Nachweis der Mitpfändung. Der BGH stellt zudem klar:
- Das Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen klarstellenden Ausspruch entfällt nicht wegen der im PfÜB enthaltenen Anordnung, dass der Schuldner gemäß § 836 Abs. 3 S. 3 ZPO für die Dauer der Pfändung die Lohnabrechnungen an den Gläubiger herauszugeben hat. Diese Vorschrift ermöglicht eine Zwangsvollstreckung in diese Urkunden nur, sofern sie sich - schon oder noch - im Besitz des Schuldners befinden.
- Des Weiteren steht § 840 ZPO, der lediglich eine Auskunftsobliegenheit des Drittschuldners begründet (BGH VE 12, 28), der Mitpfändung auch nicht entgegen. Vielmehr lässt § 840 ZPO materiell-rechtliche Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, die den Drittschuldner treffen und von der Pfändung der Forderung gemäß § 401 BGB miterfasst werden, unberührt.
Musterformulierung / Ergänzung bei Antrag auf Erlass eines PfÜB |
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts … vom …, Az. … M … ./. … wird dahingehend ergänzt, dass auch die angeblichen Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen, nach Wahl der Drittschuldnerin auch Faxkopien hiervon, gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen werden. |
PRAXISHINWEIS | Vorstehende Formulierung ist bei dem seit dem 1.3.13 zu verwendenden Formular „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insbesondere wegen gewöhnlicher Geldforderungen“ auf Seite 8 und bei dem Formular „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen“ auf Seite 9 einzufügen. |
Musterformulierung / Ergänzung bei nachträglicher Ergänzung des PfÜB |
An das Amtsgericht ... - Vollstreckungsgericht - Az. … M ./. …
In der Zwangsvollstreckungsangelegenheit Gläubiger gegen Schuldner
überreiche ich die Ausfertigung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts … vom …, Az. … M … ./. … und beantrage namens und in Vollmacht des Gläubigers:
Begründung Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom … wurden die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf Zahlung von Arbeitseinkommen gegen die Drittschuldnerin … gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen.
Bei der Pfändung eines Anspruchs auf Lohnzahlung stellt der Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung einen unselbstständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Wenn nicht ausgeschlossen ist, dass dem Schuldner gegen den Drittschuldner derartige Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen, werden diese angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner (Arbeitgeber) bei einer Lohnpfändung mitgepfändet. In derartigen Fällen der Mitpfändung kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers die Mitpfändung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss klarstellend aussprechen (BGH VE 13, 59).
Es wird daher gebeten, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss klarstellend zu ergänzen und anschließend die Zustellung über die dortige Gerichtsvollzieherverteilerstelle zu veranlassen / den ergänzten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in dreifacher Ausfertigung nach hier zuzusenden, damit die Zustellung von hieraus veranlasst werden kann.
Rechtsanwalt |