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  • · Fachbeitrag · Unterhaltspfändung

    BGH macht Kehrtwende bei Ermittlung des Pfändungsfreibetrags nach § 850d ZPO

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | In Rechtsprechung und Literatur war bislang streitig, ob Unterhaltszahlungen bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Abs. 1 ZPO nur in Höhe der tatsächlichen Unterhaltszahlungen oder in Höhe des gesetzlichen Anspruchs zu berücksichtigen sind. Zwar hat der BGH ( VE 11, 13 ) auf die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs abgestellt. Dies hat er aber in einer nachfolgenden Entscheidung (BGH VE 14, 209 ) wieder in Zweifel gezogen. Jetzt hat der BGH ein Machtwort gesprochen. |

    Sachverhalt

    Im PfÜB hatte das Vollstreckungsgericht dem Schuldner für seinen eigenen notwendigen Unterhalt einen Betrag von 960,13 EUR pfandfrei belassen. Im Hinblick auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt in Höhe von 117 EUR monatlich für das weitere unterhaltsberechtigte Kind hat es ferner festgesetzt, dass ihm darüber hinaus bis zu einem Betrag von 1.194,13 EUR (960,13 EUR + 2 x 117 EUR) weitere 50 Prozent zu belassen seien.

     

    Das Beschwerdegericht hat den PfÜB dahingehend geändert, dass es den dem Schuldner verbleibenden pfandfreien Betrag zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind E. auf monatlich 248,34 EUR heraufgesetzt hat. Es hat insoweit die weitere Unterhaltspflicht des Schuldners nicht in der sich aus dem Gesetz ergebenden Höhe, sondern nur in Höhe des tatsächlich geleisteten ‒ geringeren ‒ Unterhalts für dieses Kind anerkannt. Der Schuldner begehrt mit der Rechtsbeschwerde vergeblich, den ihm verbleibenden pfandfreien Betrag zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind E. von 248,34 EUR auf die Höhe der gesetzlichen Unterhaltspflicht heraufzusetzen.

    Entscheidungsgründe

    Die Entscheidung ist gläubigerfreundlich, da hierdurch für vollstreckende Unterhaltsgläubiger höhere Beträge pfändbar werden (BGH 18.1.23, VII ZB 35/20, Abruf-Nr. 234009). Hier der Leitsatz des BGH:

     

    § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO ist dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags die laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Unterhaltsberechtigten nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, in dem der Schuldner seine gesetzlichen Unterhaltspflichten den weiteren Unterhaltsberechtigten gegenüber erfüllt oder in dem er von den weiteren Unterhaltsberechtigten im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen wird (Abruf-Nr. 234009).

     

    In Abkehr zu seiner Rechtsprechung hat der BGH (VE 11, 13) entschieden, dass die weiteren Unterhaltsberechtigten durch die Berücksichtigung der ihnen gegenüber bestehenden gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags ihre Unterhaltsansprüche in größtmöglichem Umfang gegenüber dem Schuldner realisieren können sollen. Es ist nicht erforderlich, bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags auf den Betrag abzustellen, der zur Erfüllung der laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten potenziell erforderlich wäre.

     

    MERKE | Würde man dem Schuldner ‒ unabhängig davon, in welchem Umfang er seinen Unterhaltspflichten freiwillig oder im Wege der Zwangsvollstreckung nachkommt ‒ stets den pfandfreien Betrag in Höhe der laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten belassen (hier monatlich 322 EUR), ist dadurch jedoch nicht sichergestellt, dass dieser Betrag den weiteren Unterhaltsberechtigten tatsächlich zufließt. Gerade in den Fällen, in denen der Schuldner bislang seine Unterhaltspflichten nicht oder nicht in vollem Umfang erfüllt, ist anzunehmen, dass der pfandfreie Betrag nicht zur Erfüllung der laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten verwendet wird, sondern ganz oder teilweise bei ihm verbleibt. In diesem Fall liegt allein eine Benachteiligung des vollstreckenden Unterhaltsgläubigers zum Vorteil des Schuldners vor, ohne dass den weiteren Unterhaltsberechtigten hiermit gedient wäre. Ein solches Ergebnis würde dem im Vollstreckungsrecht bezweckten Schutz der Unterhaltsgläubiger zuwiderlaufen und wäre mit deren in § 850d ZPO vorgesehenen Privilegierung nicht zu vereinbaren.

     

    Solange der Schuldner seinen laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den weiteren Unterhaltsberechtigten nur teilweise (hier in Höhe von monatlich 248,34 EUR statt 322 EUR) ‒ freiwillig oder im Wege der Zwangsvollstreckung ‒ nachkommt, werden diese durch die Vollstreckung des Unterhaltsgläubigers nicht benachteiligt. Denn sie können eine Erhöhung des pfandfreien Betrags dadurch erreichen, dass sie ihrerseits wegen ihres (teilweise) nicht erfüllten Unterhaltsanspruchs (hier: 322 EUR ‒ 248,34 EUR = 73,66 EUR) Vollstreckungsantrag stellen und gemäß § 850g S. 2 ZPO eine Änderung des PfÜB erwirken. Dadurch besteht die Möglichkeit, ihre Unterhaltsansprüche in größtmöglichem Umfang gegenüber dem Schuldner zu realisieren.

     

    Auch die Möglichkeit, dass der Schuldner künftig durch freiwillige Leistungen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber den weiteren Unterhaltsberechtigten in größerem Umfang nachkommen könnte, ist nicht ausgeschlossen. Der Schuldner kann nämlich ebenfalls nach § 850g S. 1 ZPO eine Änderung des PfÜB erwirken.

     

    Dem praktischen Problem, dass ihm vor einer Erhöhung des pfandfreien Betrags noch keine Mittel zur Verfügung stehen, um seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht in größerem Umfang nachzukommen, kann ggf. durch eine befristete Erhöhung nach § 850f Abs. 1 ZPO Rechnung getragen werden.

     

    Angaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Schuldners können vom Gläubiger im Modul O gemacht werden.

     

    • Modul O
     

     

    Beachten Sie | Die Angaben sind von Bedeutung, wenn im Formular der Anlage 5 das Kontrollkästchen in Modul Q bei Pfändungen wegen Unterhaltsansprüchen nach § 850d ZPO oder in Modul S bei Pfändungen wegen Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 850f Abs. 2 ZPO (Deliktsforderungen) markiert wird. Im Modul O kann nämlich angegeben werden, ob der Schuldner seinen laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten vollständig, teilweise oder nicht nachkommt.

     

    Bei ausreichender Kenntnis sollte der Gläubiger im Formular stets entsprechende Angaben machen, damit das Vollstreckungsgericht den pfändungsfreien Betrag im Modul Q bzw. im Modul S „passgenau“ eintragen kann. Denn die Praxis lehrt, dass Schuldner ihren Unterhaltsverpflichtungen gegenüber vor- oder gleichrangigen Unterhaltsberechtigten nicht bzw. nur teilweise nachkommen. Die Angaben muss der Gläubiger dabei nicht belegen. Bei etwaigen fahrlässigen Falschangaben steht dem Schuldner vielmehr die Möglichkeit zu, dies im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO zu klären. Möglich ist auch, dass der Pfändungsfreibetrag entsprechend § 850f Abs. 1 ZPO auf Antrag des Schuldners erhöht wird.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2023 | Seite 83 | ID 49263709