· Fachbeitrag · Verfahrensrecht
BGH schützt Gläubiger bei Widerspruch gegen Rechtsgrund der Deliktshandlung
Widerspricht der Schuldner nur dem Rechtsgrund einer Forderung als Deliktshandlung, ist dem Gläubiger auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung aus der Eintragung der Forderung in der Tabelle eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen (BGH 3.4.14, IX ZB 93/13, Abruf-Nr. 141621). |
Praxishinweis
Es kommt ständig vor, dass Gläubiger ihre Forderungen auch aus dem Rechtsgrund einer Deliktshandlung zur Insolvenztabelle anmelden. Im Rahmen der Belehrung durch das Gericht nach § 175 Abs. 2 InsO widersprechen Schuldner oft diesem Forderungsattribut. Wird dann dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt, beantragen die Delikts-Gläubiger regelmäßig die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Tabellenauszugs. Diese Anträge werden häufig mit der Begründung abgelehnt, dass der durch den Schuldner eingelegte Widerspruch gegen den Deliktsanspruch zunächst beseitigt werden müsse. Da letztlich nicht geklärt ist, ob es sich um eine Deliktsforderung handelt, die unter § 302 Nr. 1 InsO falle, hindere dies eine Vollstreckung aus dem Tabellenauszug. Es trete keine Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags ein, wenn der Schuldner der Forderung widersprochen und der Gläubiger den Widerspruch nicht mittels Feststellungsklage beseitigt habe. Der BGH hat dieser Verfahrensweise nun eine Absage erteilt und damit die Position der Insolvenzgläubiger gestärkt. Im Einzelnen gilt jetzt Folgendes:
- Eine ordnungsgemäß angemeldete Forderung gilt nach § 178 Abs. 1 InsO als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder schriftlichen Verfahren (§ 177 InsO) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Die Eintragung in die Tabelle wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern gemäß § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil.
- Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 S. 1 InsO). Grund: Ein Interesse des Schuldners, dass unbegründete Forderungen von der Teilnahme an der Verteilung im Insolvenzverfahren ausgeschlossen werden, weil anderenfalls eine höhere persönliche Nachhaftung gegenüber berechtigten Insolvenzgläubigern besteht, wird ausschließlich vom Insolvenzverwalter und von den übrigen Insolvenzgläubigern wahrgenommen.
- Ein Bestreiten der Forderung durch den Schuldner wird in die Tabelle eingetragen (§ 178 Abs. 2 S. 2 InsO). Umkehrschluss: Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann somit der Gläubiger aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben, wenn die Forderung nicht vom Schuldner bestritten worden ist (§ 201 Abs. 2 InsO). Einer nicht bestrittenen Forderung steht nach § 201 Abs. 2 InsO eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Zu diesem Zweck kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner gemäß § 184 Abs. 1 InsO erheben.
- Meldet ein Gläubiger eine Forderung aus einer Deliktshandlung an, muss das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Möglichkeit des Widerspruchs und darauf hinweisen, dass nach § 302 Nr. 1 InsO Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung - sofern sie ordnungsgemäß beim Insolvenzverwalter angemeldet wurden - von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen sind (§ 175 Abs. 2 InsO). Unterbleibt ein solcher Widerspruch - selbst wenn die Voraussetzungen für die Durchsetzung eines solchen Anspruchs nicht vorliegen - umfasst die Restschuldbefreiung diese Forderung nicht.
- Ein Widerspruch des Schuldners kann sich gegen
- die Anmeldung insgesamt oder
- nur gegen den behaupteten Rechtsgrund des Vorsatzdelikts richten.
Wichtig | In vielen Fällen kann die angemeldete Forderung als solche von dem Schuldner nicht bestritten werden. Deshalb leistet er regelmäßig nur „Widerstand“ gegen die Einordnung als Deliktsforderung und legt deshalb nur gegen dieses Attribut - und gerade nicht gegen die angemeldete Forderung in ihrem Bestand als solche - Widerspruch ein. In diesem Fall ist dem Gläubiger auf Antrag eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Insolvenztabelle zu erteilen, damit dieser dann eine Vollstreckung betreiben kann. Macht der Schuldner daher von der Möglichkeit Gebrauch, der Forderung nur hinsichtlich des behaupteten Rechtsgrunds zu widersprechen, steht die Forderung als solche außer Streit (LG Köln NZI 12, 682). Beschränkt der Schuldner seinen Widerspruch auf den Rechtsgrund der Forderung, ist sie gemäß § 201 Abs. 2 S. 1 InsO als tituliert zu behandeln. Dann ist die Situation nicht anders zu bewerten, als wenn der Gläubiger bereits einen Titel gegen den Schuldner erwirkt hätte und nur noch die Frage nach dem Rechtsgrund der Forderung geklärt werden müsste. Es ist kein Grund ersichtlich, dem Gläubiger eine Klage zur Erwirkung eines Titels aufzubürden, wenn der Schuldner die Forderung als solche gar nicht in Frage stellt. Allein der Widerspruch des Schuldners gegen die Einordnung der Forderung als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung macht die Zwangsvollstreckung nicht unzulässig. Da der Schuldner wählen kann, der Forderung als solcher oder nur dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zu widersprechen, muss er es hinnehmen, wenn seine Erklärung jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen auslöst.
Verfahren zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung
Den Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle muss der Gläubiger nach Verfahrensaufhebung beim Insolvenzgericht stellen (§ 201 Abs. 2 S. 3 InsO; zum Musterantrag vgl. VE 12, 138). Befindet sich der Gläubiger bereits im Besitz eines vollstreckbaren Titels, muss er diesen seinem Antrag beifügen, weil die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts nach § 178 Abs. 2 S. 3 InsO auf dem bisherigen Titel die Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren vermerken muss. Die Praxis sieht jedoch so aus, dass die vollstreckbare Ausfertigung mit dem Tabellenblatt fest verbunden wird, damit verhindert wird, dass über ein und dieselbe Forderung mehrere Vollstreckungstitel vorliegen. Die Geschäftsstelle bringt dann auf dem Tabellenblatt die Vollstreckungsklausel an (§ 725 ZPO). Darin wird der vollstreckbare Betrag entweder bezeichnet oder auf die Insolvenztabelle Bezug genommen. Im Rahmen einer Insolvenzquote erfolgte Zahlungen werden dabei in Abzug gebracht. Auf der Urschrift des jeweiligen Tabellenblatts muss dann die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung vermerkt werden.
Wichtig | Der Gläubiger muss unbedingt darauf achten, dass der Tabellenauszug als Vollstreckungstitel nach § 750 ZPO an den Schuldner im Parteibetrieb (Gerichtsvollzieher, § 192 Abs. 1 ZPO) zuzustellen ist.
Neuerungen seit 1.7.14 zu beachten
Im Zusammenhang mit der BGH-Entscheidung ist zu beachten, dass seit dem 1.7.14 weitere Forderungen von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen sind. Hierbei handelt es sich um Verbindlichkeiten aus
- rückständigem gesetzlichem Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat. Pflichtwidrigkeit setzt hierbei Vorsatzhandeln des Schuldners voraus, das heißt, es besteht eine gesetzliche Unterhaltspflicht und Bedürftigkeit des Berechtigten sowie Leistungsfähigkeit des Schuldners (BT-Drucksache 17/11268, 32);
- einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373, 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist.
Hier ist unbedingt § 174 Abs. 2 InsO und die zur Vorgängerregelung (§ 174 Abs. 2 InsO a.F.) ergangene BGH-Rechtsprechung zu beachten. Denn § 174 Abs. 2 InsO gibt vor, dass ein Delikts-Unterhalts- bzw. Steuergläubiger bei der Anmeldung Grund und Betrag der Forderung angeben muss sowie die Tatsachen, aus denen sich nach seiner Einschätzung ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung, eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO zugrunde liegt. Zum Deliktsanspruch hat der BGH (VE 14, 58) entschieden, dass der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in der Anmeldung so beschrieben werden muss, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird. Einer schlüssigen Darlegung des (objektiven und subjektiven) Deliktstatbestands bedarf es nicht. Diese Rechtsprechung ist ebenfalls analog für die ab dem 1.7.14 neu in den Katalog der nach § 302 InsO aufgenommenen Forderungen anzuwenden. Insofern müssen Gläubiger bei Anmeldung ihrer Forderung aus Delikt, Unterhaltsrückständen bzw. Steuerforderungen unbedingt hierauf achten, sonst kann keine Eintragung in die Insolvenztabelle erfolgen und es kommt daher zu einem unwiederbringlichen Forderungsverlust.
Auch hier gilt: Das Insolvenzgericht muss den Schuldner entsprechend § 175 Abs. 2 ZPO über dessen Widerspruchsrecht belehren. Auch hier dürfte die Entscheidung des BGH analog anzuwenden sein, sodass bei einem Widerspruch nur gegen das Forderungsattribut ein vollstreckbarer Tabellenauszug zu erteilen ist.