· Verfahrensrecht
Kein einstweiliges Einstellen der Vollstreckung mangels Vollstreckungsschutzantrag

| In der Revision werden immer wieder Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 ZPO gestellt. Hierzu hat der BGH entschieden: Eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, wenn der Schuldner in der Berufungsinstanz keinen Vollstreckungsschutzantrag gestellt hat, kommt nur in Betracht, wenn der Vollstreckungsschutzantrag aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war. Der Antrag kann auch gestellt werden, wenn das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Im Streitfall verlangte der Kläger von den Beklagten, Rechtsanwaltsvergütungen zu zahlen. Das AG erließ zunächst Vollstreckungsbescheide gegen die Beklagten, die Einspruch einlegten. Durch ein zweites Versäumnisurteil des LG wurde der Einspruch verworfen. Die Beklagten legten Berufung ein, die jedoch zurückgewiesen wurde. Sie beantragten zudem mehrfach die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 ZPO, was sowohl in der Berufungs- als auch in der Revisionsinstanz abgelehnt wurde.
In dem Beschluss hat das OLG den Beklagten vorbehalten, die Vollstreckung aus dem Urteil des LG durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leiste. Der BGH hat nun Klartext gesprochen (14.8.24, IX ZR 52/24, Abruf-Nr. 243415).
Relevanz für die Praxis
Nach § 719 Abs. 2 S. 1 ZPO kann das Revisionsgericht die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil einstellen, wenn dem Schuldner ein unersetzlicher Nachteil droht ‒ es sei denn, überwiegende Interessen des Gläubigers stehen entgegen. Voraussetzung ist, dass der Schuldner im Berufungsverfahren einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat.
Die Einstellung kommt aber nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 ZPO zu stellen. Nur ausnahmsweise kann auf diesen Antrag verzichtet werden, wenn ein solcher dem Schuldner nicht möglich oder zumutbar war. Hierzu muss der Schuldner aber vortragen.
Bezogen auf den entschiedenen Fall haben die Beklagten keinen Schutzantrag nach § 712 ZPO gestellt. Es war ihnen aber möglich und zumutbar, den Antrag schriftlich einzureichen, insbesondere, da das Berufungsverfahren rein schriftlich durchgeführt wurde.
MERKE | Der Antrag auf einstweilige Einstellung nach § 712 ZPO muss im Berufungsurteil oder in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ausgewiesen sein. Es handelt sich hierbei nämlich um einen Sachantrag, der gemäß § 297 ZPO ‒ ebenso, wie die Berufungsanträge ‒ von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung gestellt werden muss. |
Die Entscheidung stärkt die Durchsetzbarkeit von Forderungen, indem sie Schuldner dazu verpflichtet, ihre Anträge frühzeitig und korrekt zu stellen. Gläubiger profitieren darüber hinaus von einer klaren Strukturierung der Verfahrensvorschriften, die Verzögerungen durch unzulässige Anträge begrenzen. Der Sicherheitsmechanismus (110 % des vollstreckbaren Betrags) führt zur schnellen Vollstreckungsmöglichkeit, wenn nicht der Schuldner zuvor selbst Sicherheitsleistung erbringt.
PRAXISTIPPS | Das sollten Sie Ihren Gläubigermandanten empfehlen:
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Checkliste / Handlungsempfehlungen für Gläubiger |
Durch eine klare Strategie und frühzeitige Absicherung können Gläubiger Verzögerungen im Vollstreckungsverfahren vermeiden und ihre Rechte effektiv durchsetzen.
Prüfung des Vollstreckungstitels
Leistung der Sicherheitszahlung (110 %)
Überwachung der Schuldneranträge
Reaktion auf Verzögerungstaktiken
Dokumentation
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