· Fachbeitrag · Verfahrensrecht
Zwangsvollstreckung gegen prozessunfähigen Schuldner
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| In erbrechtlichen Angelegenheiten kommt es immer wieder vor, dass Erben zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses verurteilt werden (§ 260, § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB). Der BGH hat nun die Frage geklärt, ob beim Scheitern der Vollstreckung eines solchen Anspruchs gegen einen prozessunfähigen Schuldner gegen diesen bzw. dessen Anwalt Zwangshaft bzw. Zwangsgeld verhängt werden darf. |
Sachverhalt
Schuldnerin S. war dement und unfähig, die geschuldete Auskunft zu erteilen. Sie hat ihrer Tochter und Rechtsanwalt R. als Bevollmächtigten Generalvollmacht erteilt. Beide waren zur gemeinsamen Vertretung berechtigt. Die Gläubiger G.1 bis G.3 ‒ Mitglieder einer Erbengemeinschaft ‒ beantragten beim LG zur Erzwingung der Auskunftsverpflichtung gegen S. ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, oder Zwangshaft festzusetzen. Das LG wies den Antrag zurück. G.1 bis G.3 legten dagegen sofortige Beschwerde ein und beantragten dieses Mal, dasselbe hilfsweise auch gegen R. festzusetzen. Das OLG als Beschwerdegericht hat daraufhin gegen S. zur Erfüllung der Verpflichtung ein Zwangsgeld i. H. v. 15.000 EUR festgesetzt. Der Zwangshaftantrag wurde hingegen zurückgewiesen. Mittels Rechtsbeschwerde begehrte S., die Zwangsmittelanträge zurückzuweisen. Der BGH hat die Sache an das OLG zurückverwiesen, weil die Voraussetzungen des § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO erneut zu prüfen seien, insbesondere, ob eine vollstreckbare Teilausfertigung des Berufungsurteils vorliege (23.9.21, I ZB 20/21, Abruf-Nr. 226097). Dabei hat er erfolgende Leitsätze erlassen:
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Relevanz für die Praxis
Zunächst ist festzustellen, dass die Verurteilung des Erben zur Erteilung einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1, § 260 BGB als Verurteilung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gemäß § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO durch Androhung von Zwangsmitteln zu vollstrecken ist (BGH, EE 19, 3).
Im Einzelnen hat der BGH Folgendes geklärt:
Keine Festsetzung von Ersatzzwangshaft oder Zwangshaft gegen prozessunfähigen Schuldner
Die Frage, ob die Verhängung von Ersatzzwangshaft oder Zwangshaft gegen die prozessunfähige S. in Betracht kommt, hat der BGH verneint, da S. krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, die geschuldete Auskunft zu erteilen. Dies ergibt sich aus der mangelnden, hinreichenden Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, einen natürlichen Willen zur Vornahme der vom Schuldner geschuldeten Handlung zu bilden.
Beachten Sie | Es fehlt bei einem prozessunfähigen Schuldner ja gerade an einem Willen, der mit Zwangshaft gebeugt werden könnte.
Keine Festsetzung von Ersatzzwangshaft oder Zwangshaft gegen Bevollmächtigten des Schuldners
Auch gegen den Bevollmächtigten eines Schuldners darf keine Zwangshaft verhängt werden. Denn Bevollmächtigte stehen gesetzlichen Vertretern, gegen die bei der Zwangsvollstreckung unvertretbarer Handlungen gegen prozessunfähige Schuldner Zwangshaft verhängt werden kann, insoweit nicht gleich.
MERKE | Eine Vollmacht verleiht dem Bevollmächtigten keine Eigenschaft, deren Rechtsfolgen er sich nicht entziehen kann, sondern gibt ihm lediglich eine Rechtsvollmacht, deren Gebrauch oder Nichtgebrauch in seiner Wahl steht (vgl. BGH VE 20, 58).
So ist etwa ein Vorsorgebevollmächtigter anders als ein gerichtlich bestellter Betreuer nicht verpflichtet, für einen nicht prozessfähigen Schuldner die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versicherung nach § 802c ZPO abzugeben, sodass er weder zur Abgabe dieser Erklärungen gemäß §§ 802c, 802f ZPO förmlich geladen noch gegen ihn eine Erzwingungshaft gemäß § 802g Abs. 1 ZPO angeordnet werden darf.
Folge: Dem Bevollmächtigten steht es somit frei, von der bestehenden Vertretungsmacht keinen Gebrauch zu machen und stattdessen als vollmachtloser Vertreter aufzutreten. |
Demenz hindert Vollstreckung nicht: Zwangsgeldfestsetzung gegen Schuldner möglich
Bei der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung einer nicht vertretbaren Handlung nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO gegen eine prozessunfähige natürliche Person ist ein Zwangsgeld stets gegen den Schuldner festzusetzen. Denn die Person, gegen die ein Zwangsmittel zu verhängen ist, ist der im Vollstreckungstitel genannte Schuldner selbst.
Dies folgt daraus, dass gemäß § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung nur gegen die in dem Urteil oder der Klausel namentlich bezeichnete Person durchgeführt werden darf.
Folge: Gegen andere Personen darf die Zwangsvollstreckung selbst dann nicht erfolgen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass diese nach materiellem Recht zu der gemäß dem Titel geschuldeten Handlung verpflichtet sind.
In Bezug auf prozessunfähige natürliche Personen gilt hier nichts anderes als für juristische Personen, gegen die nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO vollstreckt wird. Im Fall einer juristischen Person ist das Zwangsgeld ebenfalls gegen diese selbst zu verhängen; die Verhängung von Zwangshaft hingegen kommt mangels Handlungsfähigkeit der juristischen Person allerdings stets ausschließlich gegen ihre Organe in Betracht.
MERKE | Einem ‒ hier: dementen ‒ Schuldner ist die Erfüllung seiner Handlungspflicht trotz Prozessunfähigkeit nicht unmöglich. Grund: An seiner Stelle kann der Bevollmächtigte handeln. Somit ist die Festsetzung eines Zwangsgelds weder sinnlos und willkürlich.
Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass ein Schuldner im Fall der Verhängung eines Zwangsgelds gegebenenfalls bei den Bevollmächtigten Rückgriff nehmen kann, sodass mit dem Zwangsgeld mittelbar auch auf den Bevollmächtigten eingewirkt werden kann. |
Weiterführende Hinweise
- Vorsorgebevollmächtigter kann Schuldner vertreten, VE 20, 58
- Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an prozessunfähige Partei, Abruf-Nr. 42591538