· Nachricht · Vollstreckungspraxis
Parallele Zwangsvollstreckung von Auskunftsanspruch und eidesstattlicher Versicherung
| Der BGH hat jetzt entschieden (13.10.22, I ZB 69/21, Abruf-Nr. 232629 ): Der Vollstreckung eines Titels auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung steht ein gleichgerichtetes Verfahren auf Vollstreckung des ursprünglich titulierten Auskunftsanspruchs nicht entgegen. |
Der BGH: Das mit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verfolgte Ziel, die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Rechnung sicherzustellen und damit die materielle Wahrheit zu erzwingen, geht über das mit der Rechnungserteilung zu erreichende Ziel hinaus, weil insoweit nur eine formal ordnungsgemäße und äußerlich vollständige Rechnungslegung erzwungen werden kann. Entspricht die erteilte Rechnung nicht den formalen Vorgaben, ist sie also offensichtlich unvollständig, unglaubhaft oder nicht ernst gemeint, kann der Gläubiger folglich Nachbesserung verlangen und diese ggf. im Rahmen eines Zwangsgeldverfahrens nach § 888 ZPO erzwingen.
Demgegenüber steht es dem Gläubiger bei Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit und Sorgfältigkeit der gemachten Angaben frei, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verlangen und diese notfalls nach § 889 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken. Kommt der zur Rechnungslegung (§ 259 BGB) oder Auskunft (§ 260 BGB) verurteilte Schuldner seiner Pflicht nicht nach, erfolgt die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO, also dadurch, dass das Gericht Zwangsgeld oder Zwangshaft festsetzt.
MERKE | Der Schuldner ist auch verpflichtet, dem Gläubiger materiell-rechtlich wahre und vollständige Angaben zu machen. Dieser Anspruch des Gläubigers beinhaltet das Recht auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung dahingehend, dass die in Erfüllung des Rechnungslegungs- bzw. Auskunftsanspruchs erfolgten Angaben nach bestem Wissen so richtig und vollständig gemacht worden sind, wie es dem Schuldner möglich ist (§ 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB). |
Der BGH klärt nun, dass bei einem Streit über die Vollständigkeit einer erteilten Rechnungslegung oder Auskunft und den Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Rechnungslegungs- bzw. Auskunftsanspruch primär nicht ausvollstreckt werden muss, bevor der Gläubiger seinen Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zwangsweise durchsetzt. Vielmehr ist eine parallele Vollstreckung zulässig.
Der BGH begründet dies mit der unterschiedlichen Zielsetzung beider Verfahren:
- Im Auskunftsverfahren geht es um eine rein formal ordnungsgemäße und äußerlich vollständige Rechnungslegung.
- Das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat zum Ziel, die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Rechnung sicherzustellen und damit die materielle Wahrheit zu erzwingen.