· Fachbeitrag · Vollstreckungspraxis
So nutzen Sie die Lohnabrechnung als Informationsquelle für eine effektive Vollstreckung
| Im Hinblick auf die bevorstehende Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen (vgl. VE 20, 183 in dieser Ausgabe) rückt die Lohnabrechnung bei der Einkommenspfändung mehr und mehr in den Mittelpunkt. Hieraus lassen sich nämlich vielfach Informationen ziehen, die dem Gläubiger unter Umständen zielgerichtete effektivere Vollstreckungsmöglichkeiten gewähren. Der folgende Beitrag klärt zunächst darüber auf, wie der Gläubiger über den Schuldner oder den Drittschuldner an die Lohnabrechnung herankommt. In den nächsten Ausgaben von VE berichten wir dann über die Vorteile der aus der Lohnabrechnung gezogenen Informationen für den Gläubiger. |
1. So erhalten Sie die Lohnabrechnung vom Schuldner
Der Schuldner muss bei der Lohnpfändung die über die Forderung vorhandenen Urkunden herausgeben (§ 836 Abs. 3 S. 1 ZPO). Diese Herausgabepflicht betrifft u. a. Urkunden, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit oder Einredefreiheit dienen (BGH VE 12, 74). Die Auskunfts- und Herausgabepflicht dient den Interessen des Gläubigers, die zur Durchsetzung der (gepfändeten) Forderung notwendigen Informationen zu erhalten. Hierzu zählen gerade Lohn- und Gehaltsabrechnungen (BGH VE 07, 41) bzw. Verdienstbescheinigungen (OLG Hamm JurBüro 95, 163; LG Stuttgart Rpfleger 98, 166; LG Augsburg JurBüro 96, 386; LG Koblenz JurBüro 96, 664).
Beachten Sie | Im Rahmen der Pfändung von Arbeitseinkommen („Anspruch A an Arbeitgeber“) wird regelmäßig die auf Seite 8 bzw. 9 des amtlichen Formulars verwendete Formulierung angekreuzt:
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☒ Es wird angeordnet, dass
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Nach dem Wortlaut dieser Formulierung stehen dem Gläubiger gemäß § 836 Abs. 3 ZPO nur die Gehalts- bzw. Lohnabrechnungen der letzten drei Monate vor Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner zu. Der Gläubiger hat hingegen keinen Anspruch auf Herausgabe der laufenden Gehalts- bzw. Lohnabrechnungen. Diese amtliche Formulierung, die sich offensichtlich an die Rechtsprechung des BGH (VE 07, 41) anlehnt, entspricht aber nicht dem, was der BGH entschieden hat. Der Leitsatz der BGH-Entscheidung gibt nämlich Folgendes wieder:
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Hat der Gläubiger Ansprüche des Schuldners auf gegenwärtiges und künftiges Arbeitseinkommen pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, hat der Schuldner außer den laufenden Lohnabrechnungen regelmäßig auch die letzten drei Lohnabrechnungen aus der Zeit vor Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Gläubiger herauszugeben. |
Da das Formular an dieser Stelle unvollständig ist, kann der Gläubiger hier ‒ handschriftliche ‒ Ergänzungen vornehmen (BGH VE 14, 59, 74). Daher sollte er die oben aufgeführte, amtlich Formulierung wie folgt ändern:
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☒ Es wird angeordnet, dass
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Weigert sich der Schuldner, die Urkunden herauszugeben, kann der Gerichtsvollzieher den Anspruch des Gläubigers auf dessen Antrag unter genauer Bezeichnung der jeweiligen Urkunde nach § 883 ZPO vollstrecken (§ 836 Abs. 3 S. 3 ZPO). Titel ist der Überweisungsbeschluss. Der Überweisungsbeschluss bedarf zur Vollstreckung keiner Vollstreckungsklausel. Er ist allerdings vor der Vollstreckung nach § 750 ZPO zuzustellen.
Bei der Beauftragung des Gerichtsvollziehers muss das verbindliche Gerichtsvollzieherformular nicht verwendet werden. Dieses gilt ausschließlich für die Vollstreckung von Geldforderungen (§ 1 Abs. 1 S. 1 GVFV).
Das bedeutet: Bei allen anderen Vollstreckungsarten darf daher weiterhin ein formloser Auftrag an den Gerichtsvollzieher gestellt werden, also auch bei der Vollstreckung nach § 836 Abs. 3 ZPO. Da Grundlage nicht der Ursprungstitel ist, der eine Zahlungsverpflichtung enthält, sondern der zuvor erlassene Überweisungsbeschluss, handelt sich somit gerade nicht um eine Geldvollstreckung im Sinne der GVFV. Weigert sich der Gerichtsvollzieher dennoch, können Gläubiger hiergegen mittels Erinnerung nach § 766 ZPO vorgehen.
PRAXISTIPP | Diese Art der Urkundenbeschaffung macht für den Gläubiger i. d. R. keinen Sinn, da sie im Wege eines Kosten-Nutzen-Verhältnisses einen zu hohen Zeit- und Kostenaufwand bedeutet und zudem nicht klar ist, ob der Gläubiger tatsächlich hierdurch die begehrte Lohnabrechnung erhält. |
2. Herausgabe vom Drittschuldner
Viel effektiver dürfte für einen Gläubiger sein, die Lohnabrechnung vom Drittschuldner einzufordern. Dies setzt allerdings zunächst voraus, dass der Gläubiger beim Anspruch A unter Ziffer 3. die folgende Formulierung einträgt:
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Anspruch A (an Arbeitgeber) 1. Auf Zahlung des gesamten gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens (einschließlich des Geldwertes von Sachbezügen). 2. Auf Auszahlung des als Überzahlung jeweils auszugleichenden Erstattungsbetrags aus dem durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleich sowie aus dem Kirchenlohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr und für alle folgenden Kalenderjahre. 3. Auf Erteilung der Lohnabrechnungen, nach Wahl der Drittschuldnerin auch Faxkopien hiervon. |
PRAXISTIPP | Der BGH (VE 13, 59) hat entschieden: Bei der Pfändung eines Anspruchs auf Lohnzahlung stellt der Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung einen unselbstständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Wenn nicht ausgeschlossen ist, dass dem Schuldner gegen den Drittschuldner derartige Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen, werden diese angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner (Arbeitgeber) bei einer Lohnpfändung mitgepfändet.
Auf Antrag des Gläubigers kann das Vollstreckungsgericht die Mitpfändung im PfÜB sogar noch nachträglich ‒ klarstellend ‒ aussprechen. |
Folge: Der Gläubiger hat nun einen unmittelbaren Anspruch gegen den Drittschuldner auf Erteilung der Lohnabrechnung. Dieser Anspruch besteht neben dem Anspruch gegen den Schuldner (Mock, Die Praxis der Forderungsvollstreckung, § 6 Rn. 32 ff.).