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  • · Fachbeitrag · Zwangsversteigerung

    Zwangsversteigerung vs. Dritteigentum: Das ist zu beachten

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Die Anzahl der Versteigerungsverfahren bei den Vollstreckungsgerichten steigt kontinuierlich an. Damit ist auch immer mehr Dritteigentum betroffen. Der folgende Beitrag zeigt, worauf Gläubiger von Dritteigentum achten müssen, um ihre Rechte innerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens zu wahren. |

    1. Ausgangsfall

    Im Rahmen eines Versteigerungsverfahrens eines Mehrparteienhauses von Schuldner S. befindet sich im Erdgeschoss ein Ladenlokal, das an den Pächter P. verpachtet wurde. Das gesamte Inventar, wie Stühle, Bänke, Zapfanlage, Kühltheke etc. wurde mitverpachtet und durch die Bank B. finanziert und dieser zur Sicherheit der Darlehensforderung von S. zu Eigentum übereignet. Das Gericht setzt den Verkehrswert für das Objekt auf 500.000 EUR und für das Inventar auf 100.000 EUR als Zubehör fest. Was muss B. unternehmen, um ihre Rechte zu wahren?

    2. Dritteigentümer ist Beteiligter

    Einer der Grundsätze eines Zwangsversteigerungsverfahrens ist, dass dieses als sog. Beteiligtenverfahren geführt wird. In diesem Zusammenhang teilt § 9 ZVG den Kreis der Berechtigten wie folgt ein:

     

    a) Beteiligte von Amts wegen

    Von Amts wegen, also ohne Anmeldung, zu beteiligen sind am Verfahren diejenigen, für die zurzeit der Eintragung des Vollstreckungsvermerks ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist.

     

    Beachten Sie | In erster Linie fallen hierunter der Schuldner, also der, der bei Verfahrensanordnung als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, sowie der das Verfahren aus einem dinglichen Recht anordnende oder dem Verfahren beigetretene Gläubiger. Aber auch dinglich Berechtigte, z. B. Miteigentümer, Hypotheken- bzw. Grundschuldgläubiger, Gläubiger von Reallasten, Grunddienstbarkeiten, Nießbräuchen, Dauerwohnrechten oder die, die durch eine Vormerkung gesichert sind, z. B. Berechtigte aus Widersprüchen, Verfügungsverboten oder Pfändungsvermerken, fallen unter diese Kategorie.

     

    b) Beteiligte aufgrund Anmeldung

    Beteiligte sind auch die, die ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht, ein Recht an dem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht, einen Anspruch mit dem Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück haben oder ein Miet- oder Pachtrecht, aufgrund dessen ihnen das Grundstück überlassen ist (§ 9 Nr. 2 ZVG).

     

    Beachten Sie | Hierunter sind alle Gläubiger bzw. dinglich Berechtigten zu verstehen, die ihre Stellung erst nach der Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks im Grundbuch erworben haben bzw. deren Ansprüche aus dem Grundbuch nicht ersichtlich sind (hier: B. als Dritteigentümer).

     

    Praktisch bedeutsam ist dies vor allem bei Zubehör (vgl. § 97 BGB) bzw. bei Gläubigern von Sicherungseigentum (§ 930 BGB). Bezogen auf den Ausgangsfall sind die mitverpachteten beweglichen Gegenstände Zubehör im Sinne des § 97 BGB (OLG Schleswig-Holstein WM 94, 1639). Zubehör sind danach bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden Verhältnis stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehr nicht als Zubehör angesehen wird; die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft (BGH NJW 84, 2277).

     

    Beachten Sie | Die materiell-rechtliche Frage, ob es sich jedoch tatsächlich um Zubehör handelt, ist nicht durch das Vollstreckungsgericht im Rahmen des formellen Versteigerungsverfahrens zu klären. Dies ist Aufgabe des Prozessgerichts. Für dieses ist auch der im Zwangsversteigerungsverfahren festgesetzte Verkehrswert für einen Zubehörgegenstand verbindlich (OLG Celle Rpfleger 93, 363).

     

    MERKE | Ungeachtet dessen, ob tatsächlich Zubehör vorliegt, müssen Drittgläubiger ihre Rechte stets im Versteigerungsverfahren anmelden, um den Status eines Beteiligten zu erhalten. Zu beachten ist dabei, dass nur eine Anmeldung nicht ausreicht, um einen Rechtsverlust oder eine Rechtsbeeinträchtigung zu verhindern. Um dies zu verhindern, muss der Beteiligte seine Rechte daher zusätzlich nach Maßgabe des § 37 Nr. 5 ZVG geltend machen (BGH NJW-RR 14, 125; s. u. Nr. 4. a)).

     

    3. Gegenstand der Versteigerung

    § 55 Abs. 2 ZVG regelt ausdrücklich, dass sich die Versteigerung auf Zubehörgegenstände, die sich im Besitz des Schuldners oder eines neu eingetretenen Eigentümers befinden, auch erstreckt, wenn sie einem Dritten gehören, es sei denn, dass dieser sein Recht nach Maßgabe des § 37 Nr. 5 geltend gemacht hat. Folge: Fremdes Eigentum am Grundstück oder einer mitversteigerten beweglichen Sache gehen mit dem Zuschlag und damit mit dem Eigentumsübergang des Grundstücks auf den Ersteher (§ 90 ZVG) unter. Der Dritteigentümer verliert sein Eigentum! Für das Eigentum (Recht) tritt vielmehr der Versteigerungserlös an die Stelle des versteigerten Grundstücks oder Gegenstands (Surrogationsprinzip).

    4. So erhalten Drittgläubiger Kenntnis von drohender Versteigerung

    Das praktische Problem für Drittgläubiger, deren Rechte nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sind und die daher ihre Rechte gemäß § 9 Nr. 2 ZVG anmelden müssen, besteht darin, dass diese erst einmal über ihren Beteiligtenstatus und damit ihre Anmeldemöglichkeit Informationen erhalten müssen. Bedeutsam ist dabei das vom Gericht regelmäßig eingeholte Verkehrswertgutachten. Dort sind meist auch die Drittgläubiger aufgeführt.

     

    PRAXISTIPP | In diesem Zusammenhang regelt § 37 Nr. 5 ZVG, dass das Vollstreckungsgericht im Rahmen der Bestimmung eines Versteigerungstermins eine Aufforderung an diejenigen richten muss, die ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht haben, das Verfahren vor Zuschlagserteilung einstellen oder aufheben zu lassen. Diese Terminsbestimmung wird einerseits öffentlich bekannt gemacht unter zvg-portal.de. Andererseits erhalten die dem Gericht bekannten Beteiligten, somit auch Drittgläubiger, die Terminsbestimmung gesondert zugestellt und haben daher die Möglichkeit, ihre Rechte rechtzeitig vor Zuschlagserteilung anzumelden.

     

    5. Möglichkeiten der Rechtswahrung von Drittgläubigern

    a) Zuschlag ist noch nicht erteilt: Verfahrenseinstellung- bzw. Aufhebung erforderlich

    Wurde der Zuschlag noch nicht erteilt, muss der Drittgläubiger selbst die Einstellung oder Aufhebung des Verfahrens erwirken, um sein materielles Recht, d. h. den Zubehörgegenstand, zu retten.

     

    Beachten Sie | Der das Verfahren betreibende Gläubiger kann hierzu entweder die Freigabe freiwillig durch Einstellung (§ 30 ZVG) oder Antragsrücknahme (§ 29 ZVG) insoweit erklären, als das Recht des Dritten betroffen ist. Betreiben mehrere Gläubiger das Verfahren, muss jeder von ihnen die Einstellung bzw. Aufhebung bewilligen, andernfalls der Gegenstand mitversteigert wird und dadurch verloren geht!

     

    Musterformulierung / Antrag auf Verfahrenseinstellung/ Verfahrensaufhebung bezüglich Zubehörs

    An das Amtsgericht ‒ Vollstreckungsgericht ‒

     

    Az: … K …/…

     

    In dem Zwangsversteigerungsverfahren

     

    Gläubiger ./. Schuldner

     

    wird namens und im Auftrag des Dritteigentümers (genaue Bezeichnung) beantragt, dass das Verfahren hinsichtlich nachfolgend aufgeführter, sich im Erdgeschoss befindlichen Ladenlokals beweglichen Zubehörgegenstände (genaue Bezeichnung der Gegenstände) …

    ( ) aufgehoben (§ 29 ZVG) ( ) eingestellt (§ 30 ZVG) wird.

     

    Gründe

    Zwischen dem Schuldner und dem Drittgläubiger wurde ein Darlehensvertrag in Höhe von … EUR geschlossen. Zu dessen Absicherung hat der Schuldner dem Drittgläubiger die o. g. beweglichen Gegenstände zu Eigentum übertragen (§ 930 BGB).

     

    Beweis: Darlehensvertrag vom …; Sicherungsübereignungsvertrag vom …

     

    Die Gegenstände unterliegen damit nicht der Versteigerung und das Verfahren ist daher durch den/die betreibenden Gläubiger aufzuheben bzw. das Verfahren ist einstweilen einzustellen (§§ 55 Abs. 2 i. V. m. § 37 Nr. 5 ZVG).

     

    Rechtsanwalt

     

    Weigert sich der bzw. die betreibenden Gläubiger, das Verfahren einzustellen oder aufzuheben, muss der Dritte sein Recht durch Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO beim Prozessgericht geltend machen. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach § 6 ZPO. Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt (§ 771 Abs. 1 ZPO).

     

    Beachten Sie | Die Erhebung der Drittwiderklage allein führt allerdings nicht automatisch zu einem Aufschub des Versteigerungsverfahrens. Daher muss der Drittgläubiger stets beantragen, dass entweder das Prozessgericht (§ 771 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 769 Abs. 1 ZPO) oder in dringenden Fällen das Vollstreckungsgericht (§ 771 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 769 Abs. 2 ZPO) unter Bestimmung einer Frist zur Beibringung der Entscheidung des Prozessgerichts zunächst die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnet. Erst der ergehende Einstellungsbeschluss ist ein Vollstreckungshindernis für die weitere Zwangsversteigerung (§ 775 Nr. 2 ZPO). Möglich ist aber auch die Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungsmaßnahmen (§ 769 Abs. 1, Abs. 2 ZPO).

     

    b) Zuschlag ist rechtskräftig erteilt: Wertersatz ist anzumelden

    Wie bereits oben unter 2. dargestellt, geht fremdes Eigentum an einer mitversteigerten beweglichen Sache mit dem Zuschlag an den Ersteher unter. Für das verlorene Eigentum (Recht) tritt nun der Versteigerungserlös an die Stelle des versteigerten Gegenstands (§ 37 Nr. 5 ZVG). An dem Erlös hat der sein Eigentum verlierende Dritte (hier B) die gleichen Rechte wie am versteigerten Gegenstand. Ihm steht jetzt ein Wertersatz für die mitversteigerten Gegenstände zu.

     

    aa) Zugriff auf den Wertersatz

    Der Anspruch auf den Versteigerungserlös ist im Rahmen des Verteilungsverfahrens geltend zu machen. Ziel ist es, dass der entsprechende Erlösanteil aus der Teilungsmasse herausgelöst und an den Anspruchsberechtigten ausgezahlt werden soll.

     

    Voraussetzung ist, dass der ersatzberechtigte Dritte sein Recht anmelden und seinen Anspruch glaubhaft machen muss, um als Beteiligter (§ 9 Nr. 2 ZVG) in das Verfahren einbezogen werden zu können. Der Anspruch wird durch Erheben eines Widerspruchs gegen den Teilungsplan geltend gemacht. Er richtet sich gegen den letztrangigen Gläubiger, dem im Verteilungstermin der Versteigerungserlös zugeteilt wurde, und zwar bis zur Höhe des strittigen Betrags (OLG Celle, a. a. O.).

     

    bb) Berechnung des Wertersatzes

    Der Anspruch auf Wertersatz besteht in einem verhältnismäßigen Ersatz, weil der Gesamterlös den Gegenwert für das Grundstück einschließlich mitversteigertem Gegenstand darstellt (RGZ 76, 212). Der anteilige Wertersatz wird nach folgender Formel berechnet (Stöber, ZVG-HdB, Kap. 4 Zwangsversteigerung, Rn. 1109):

     

    • Erlösanteil des Gegenstands

    = Meistgebot × Gegenstandswert : Grundstückswert + Gegenstandswert

     
    • Beispiel

    Meistbietender E. erhält im Ausgangsfall den Zuschlag für 650.000. B hat folgenden Wertersatzanspruch:

     

    650.000 EUR × 100.000 EUR

    500.000 EUR + 100.000 EUR

     

    Wertersatz: 108.333,33 EUR

     

    MERKE | Da die Werte ins Verhältnis gesetzt sind, profitiert vorliegend der Dritteigentümer von einem höheren Gebot als dem Verkehrswert anteilig, ist aber auch entsprechend beeinträchtigt, wenn ein niedrigeres Gebot den Zuschlag erhält (BeckOK ZVG/U. Goldbach, 14. Ed. 1.7.24, § 55 Rn. 38).

     

     

    Musterformulierung / Geltendmachung des Wertersatzes durch Widerspruch gegen Teilungsplan

    An das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht ‒

     

    Az: … K …/…

     

    In dem Zwangsversteigerungsverfahren

     

    Gläubiger ./. Schuldner

     

    wird namens und in Vollmacht des Gläubigers (genaue Bezeichnung des Drittberechtigten) gegen die Zuteilung des (rangletzten) Betrags an … Widerspruch erhoben.

     

    Gründe

    Nach § 55 Abs. 2 ZVG sind die dem Drittgläubiger gehörenden Zubehörgegenstände (genaue Bezeichnung) im Besitz des Schuldners am … mitversteigert und dem Ersteher am … der Zuschlag rechtskräftig erteilt worden.

     

    Für das Recht an den versteigerten Gegenständen meldet der Gläubiger seinen Anspruch auf einen Anteil des Versteigerungserlöses in Höhe von … EUR an (§ 37 Nr. 5 ZVG).

     

    Rechtsanwalt

     

    Beachten Sie | Nach der Freigabe des entsprechend anteiligen Erlöses wird dieser vorab der Teilungsmasse entnommen und an den Dritten ausgekehrt.

     

    c) Vergessene Anmeldung: Bereicherungsklage möglich

    Wird der Anspruch im Verteilungsverfahren nicht geltend gemacht, kann er auch noch später mittels Bereicherungsklage nach § 812, § 816 Abs. 2 BGB gegen den zuletzt aus der Masse befriedigten Berechtigten ‒ nicht Ersteher ‒ geltend gemacht werden (RGZ a. a. O.).

    Quelle: Ausgabe 12 / 2024 | Seite 211 | ID 50206105