· Fachbeitrag · Wettbewerbsrecht
Kündigungshilfe gegenüber (Neu-)Kunden: Wann ist sie erlaubt und wann ist sie unlauter?
| In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob vorformulierte Kündigungsschreiben erlaubt sind, die ein Versicherungsvertreter, -makler oder -berater einem (Neu-)Kunden zur Verfügung stellt, um bestehende Versicherungsverträge zu kündigen. Im Grundsatz hat der BGH die Kündigungshilfe in mehreren Entscheidungen abgesegnet. Dies sei eine zulässige Dienstleistung unter Mitbewerbern. Davon gibt es aber Ausnahmen. VVP fasst deshalb die wettbewerbsrechtlichen Spielregeln für Sie zusammen. |
Grundsatz: Kündigungshilfe ist erlaubt
Nach der BGH-Rechtsprechung dürfen Sie Kündigungshilfe leisten, solange der Kunde nicht in seiner Entschließungsfreiheit beeinträchtigt, überrumpelt oder irregeführt wird. Denn:
- Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses. Das Abwerben von Kunden ist zulässiger Teil des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind (BGH, Urteil vom 05.10.1966, Az. Ib ZR 136/64).
- Deshalb ist die Kündigungshilfe durch bloße Hinweise auf Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung wettbewerbskonform (BGH, Urteil vom 08.11.2001, Az. I ZR 124/99, Abruf-Nr. 060224).
- Ebenso darf einem vertraglich noch anderweitig gebundenen Kunden ein vorbereitetes Kündigungsschreiben zur Verfügung gestellt werden, das nach Einfügung des Kündigungstermins nur noch zu unterschreiben ist. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher wird allein durch eine solche Dienstleistung nicht unsachlich zum Abschluss eines Vertrags mit einem Mitbewerber veranlasst (BGH, Urteil vom 07.04.2005, Az. I ZR 140/02, Abruf-Nr. 051501).
Nach Ansicht des OLG Dresden ist es auch zulässig, sich zur Übersendung des Kündigungsschreibens bevollmächtigen zu lassen. Es sieht keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken, sich eine Vollmacht für den Empfang der Kündigungsbestätigung erteilen zu lassen (OLG Dresden, Urteil vom 17.07.2015, Az. 14 U 584/15, Abruf-Nr. 199504).
Ausnahme: Kündigungshilfe kann unlauteres Mittel sein
Werden unlautere Mittel bei der ansonsten erlaubten Kündigungshilfe eingesetzt, ist die Abwerbung von Kunden wettbewerbswidrig. So ist es unlauter, wenn Mitbewerber nach den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 3, 4 Nr. 4 UWG gezielt behindert werden. Und zwar unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit einer Kündigungshilfe geschieht oder mit einer Kundenabwerbung verbunden ist.
Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann,
- wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder
- wenn die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können (BGH, Urteil vom 22.06.2011, Az. I ZR 159/10, Abruf-Nr. 113128).
So untersagte z. B. das OLG Oldenburg einem Vermittlungsunternehmen für Finanzdienstleistungen, das über Versicherungsmakler auch Versicherungen vermittelt, im Rahmen der Kündigungshilfe systematisch ein umfassendes generelles Kontaktverbot zu initiieren. Die Hilfestellung bei der ordnungsgemäßen Auflösung von Versicherungsverträgen sei zwar grundsätzlich zulässig und auch nicht wettbewerbswidrig. Unzulässig sei es aber, die wettbewerbliche Entfaltung von Mitbewerbern durch ein solches Kontaktverbot zu beeinträchtigen. Hauptziel sei die gezielte Behinderung des Konkurrenten und nicht die Förderung des eigenen Wettbewerbs (OLG Oldenburg, Urteil vom 28.05.2019, Az. 6 U 27/18, Abruf-Nr. 211125).
Das OLG Dresden untersagte es einer Krankenkasse, Kündigungshilfe zu leisten für Dritte nach ihrem vorformulierten Schreiben „Sämtliche in der Vergangenheit abgegebenen Werbe- und Anruferlaubnisse widerrufe ich hiermit mit sofortiger Wirkung; dies umfasst auch Rückwerbeversuche.“. Dadurch werde der bisherigen Krankenkasse jede telefonische Kontaktaufnahme mit dem kündigenden Mitglied untersagt, sogar noch vor Wirksamwerden der Kündigung und damit gegenüber ihrem derzeitigen Vertragspartner. Eine solche Beeinträchtigung brauche man nicht hinzunehmen (OLG Dresden, Urteil vom 17.07.2015, Az. 14 U 584/15, Abruf-Nr. 199504).
Praxisempfehlungen für Sie als Vermittler
Bei der Kündigungshilfe müssen Sie stets auch das Thema Rechtsdienstleistung im Blick haben. Erlaubt ist bei der Kündigungshilfe die Übermittlung eines Musterschreibens nach Wunsch des Kunden. Auch die allgemeine Vertragsinformation, wie z. B. die Mitteilung von Kündigungsfristen, ist erlaubt. Verboten ist es dagegen, weitergehende Ansprüche aus dem Vertrag im Einzelfall zu prüfen, wie z. B. die Wirksamkeit einzelner Vertragsklauseln.
Für Sie als Versicherungsvermittler heißt das: Sie können im Rahmen des zulässigen Abwerbens Kündigungshilfe leisten, indem Sie
- den Kunden auf die Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung hinweisen oder
- ihm ein vorbereitetes Kündigungsschreiben übergeben, das der Kunde nur noch unterschreiben muss.
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Umfang der zulässigen Nutzung von Kundenunterlagen und Akquisedaten“, VVP 4/2021, Seite 9 → Abruf-Nr. 47159491